Die Krankheit des 21. Jahrhunderts und ihr Trost
Warnung: Das ist ein sehr persönlicher Artikel. Lies ihn nicht, wenn du derzeit keine Aufnahmefähigkeit für Trauer, Pessimismus und Angst hast!Ästhetik für ein Leben in Enttäuschung und Trauer |
Jede Minute verschwinden etwa 30 Fußballfelder Regenwalds auf der Erde. Jede Minute! 30! "Weltweit verlieren wir derzeit rund drei Mal das verbleibende Gletschervolumen der europäischen Alpen. Und das jedes Jahr." (Michael Zemp, ETH Zürich) Die für artenreiche und damit gesunde Meere unverzichtbaren Korallenriffe gehen großflächig an den steigenden Wassertemperaturen kaputt; Unterwasserwüsten breiten sich aus. Und allein während meiner Lebenszeit bisher verschwand mehr als die Hälfte (!) aller wildlebenden Säugetierarten für immer von unserem Planeten. Das Schlimmste: All das sind sich gegenseitig verstärkende Zustände, Teufelskreise wie beispielsweise jener, dass immer weniger Regenwald eben auch immer weniger Luft kühlt oder der, dass weniger Eis an den Polen die Athmosphäre zusätzlich aufheizt und so das Eis noch schneller schmilzt. Mit anderen Worten: Wer heute noch hofft, dass wir diese Entwicklungen wieder in den Griff bekommen, muss komplett irre sein. Die Veränderung beschleunigt sich dramatisch.
In den letzten Monaten macht mir das zunehmend zu schaffen. Ich kann kaum noch Dokumentationen sehen, weil keine Natur-Doku mehr ohne Hinweis auf die alarmierende Verschlechterung der Situation auskommt. Ich kann den sonnig-warmen Frühling kaum noch genießen, seitdem ich sehe, wie hier in Ostdeutschland die Wälder vertrocknen und von Schädlingen zerfressen werden. Ich empfinde eine enorme Trauer, seitdem ich meinem Sohn die Bäche in Berlin Buch zeigen wollte, an denen ich in meiner Kindheit Stichlinge und Frösche fing. Heute ist zum Beispiel der Bach hinter meiner damaligen Schule nicht einmal mehr ein Rinnsal – es ist eine mit Plastikflaschen gefüllte Furche im ausgetrockneten Boden. Ich schlafe schlecht, weil das an mir nagt. Ich bekomme Panikattacken, wenn ich daran denke, was ich meinem Sohn hinterlasse. Ich könnte heulen, wenn ich an die verdreckte und vertrocknete Umwelt denke, in der ich vor gar nicht langer Zeit noch die erfrischende grüne Kühle und Stille fand, die meine Psyche so dringend benötigt. Ich habe Angst vor dem Kippen unserer Gesellschaften als Folge der Zerstörung unserer Lebensgrundlagen. Was ist los mit mir, dass mir das persönlich so nahe geht?