Sternstunden des postfaktischen Zeitalters
Das Amtsenthebungsverfahren gegen Donald Trum ist vorbei und das Ergebnis wahrlich keine Überraschung. Wie ich schon im ersten Artikel zu dieser Serie schrieb:"Dieses Verfahren hat noch nie funktioniert (wenn die Amtsenthebung des Präsidenten das Erfolgkriterium ist) und es wird auch diesesmal nicht ohne Weiteres funktionieren, obwohl Trump und sein Staabschef Mulvaney vor Kameras die Vorwürfe glassklar und für jeden nachvollziehbar bestätigt haben ..." (Impeachment erklärt)
Es war also überhaupt nicht überraschend, dass es keine Zweidrittelmehrheit im republikanisch bestimmten Senat für die Amtsenthebung des republikanischen Präsidenten gab. Zumal weitere Zeugen und Dokumente von den Republikanern im Verfahren nicht zugelassen wurden. Aber es gab ein paar andere Überraschungen, die wir uns ansehen sollten und es gibt mit großer Sicherheit einige Folgen, über die wir jetzt schon spekulieren können.
Trump freigesprochen (Quelle: Andrea Hanks, The White House) |
Das postfaktische Zeitalter und die Basis der Demokratie
Bevor ich dazu komme, will ich aber die aus philosophischer Sicht wichtigste Entwicklung noch einmal hervorheben: Wenn das postfaktische Zeitalter eine Sternstunde gebraucht hätte, dann war es die des Impeachment-Verfahrens gegen Donald Trump. Es ist inzwischen nicht nur so, dass der US-Präsident offen und schamlos lügt, weil er weiß, dass der Wille zur Wahrheit der meisten Menschen hinter ihrem Bedürfnis der Wutabfuhr und dem Aufrechterhalten des eigenen Weltbildes lange zurücksteckt. Und zwar so weit, dass es keine Schande mehr ist, wenn der Präsident der Weltmacht USA sich unwidersprochen der Lüge bezichtigen lassen muss. Bei Bill Clinton in den Neunzigern reichte zum Impeachementverfahren allein schon die Lüge, "keine Affäre mit dieser Frau" gehabt zu haben. Trump hat die Lüge zur Normalität gemacht und das ist ein großes Problem.Das ging so weit, dass die Senatoren und Kongressabgeordneten der Trump-Partei sich nicht mehr davor schämten, dass sie die offenkundigen Lügen des Präsidenten deckten, sogar öffentlich wiederholten und dass sie ganz offen sagten: Wir wollen keine Beweise sehen, denn die Fakten interessieren uns nicht. Es gab nur zwei Senatoren, die gegen die Parteilinie gestimmt hatten, um Beweise und Zeugen im Verfahren zu sehen. Und es gab nur einen – Mitt Romney – der mit den Demokraten in einem von zwei Anklagepunkten auf schuldig plädiert hat. Alle anderen Republikaner haben aus Angst und Opportunismus gegen die Fakten und gegen ihre eigene Überzeugungen und Werte gestimmt und damit ihre politische Ehre für Trump verkauft. Noch trauriger: Sie selbst wissen es und geben es hinter den Kulissen sogar zu (Senator Says In Private GOP Admits To Voting To Acquit Due To Fear). Sie haben Angst, vor allem vor Trump selbst, der die Illoyalen nicht nur mit Schmäh-Tweets überziehen würde (Was für ein Präsident!), sondern ihnen auch die Unterstützung in regionalen Wahlkämpfen entziehen würde. Und sie haben auch Angst vor einem Mob von Trump-Anhängern. Hört sich an wie die Auflösung von Demokratie, oder?
Wir können hier auch sehen, wie sehr Demokratie auf Fakten und vor allem auf die fest verankerte Übereinkunft angewiesen ist, dass man sich auf die Wahrhaftigkeit öffentlicher Sprecher verlassen können muss. Brechen solche grundlegenden gesellschaftlichen Konventionen, dann kann das ganze Gesellschaftsgefüge ins Rutschen kommen. Stellen wir uns vor, wir vertrauten den Institutionen, zum Beispiel den Gerichten nicht mehr, dass sie auf Faktenbasis und ohne Ansehen der Person urteilten. Wir würden doch das gesamte Konzept gesellschaftlicher Gerechtigkeit anzweifeln, vielleicht selbst aufhören, dem Gesetz zu folgen oder anderen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Und schon war es das mit dem aufgeklärten und demokratischen Humansimus.
Interessanterweise ist es für die Demokratie weniger schädlich, wenn von politischen Amtsträgern gelogen und betrogen wird (das gab es schon immer), diese Lügen und Betrügereien aber abgestritten werden. Denn das verhindert die Normalisierung der Lüge und des Betrugs und behält die gesellschaftliche Prämisse bei, dass man bitte die Wahrheit zu sagen habe. Davon haben sich Trump und andere reaktionäre Populisten längst verabschiedet. Aber nun zum eigentlichen Verfahren gegen Trump.
Die erfolgreiche Verteidigung eines Autokraten
Ich will nicht noch einmal auf die Anklage wegen Machtmissbrauchs eingehen, die wir in den letzten zwei Artikeln bereits diskutiert haben. Aber was war die Verteidigung gegen den Vorwurf, Trump hätte sein Amt misbraucht, um sich persönlich im Wahlkampf Vorteile zu verschaffen? Das Argument wurde vom Verfassungsrechtler Alan Dershowitz vorgetragen und läuft darauf hinaus, dass ein Präsident alles tun kann, wenn er nur glaubt, dass es im Interesse der US-Bevölkerung ist (die über 230 Jahre alte Verfassung ist in vielerlei Hinsicht eine Auslegungssache).Konkret: Trump glaubt, dass es im Interesse der US-Bevölkerung sei, dass er wiedergewählt wird. Also sei auch der angebliche Machtmissbrauch, um seine Wiederwahl zu befördern, im Interesse der US-Bevölkerung, so glaubte der Präsident. Und wenn er diesen guten Vorsatz hat, dann könne man ihm nicht anhängen, sein Amt misbraucht zu haben, denn er handelte im guten Glauben, das Richtige für die Bevölkerung zu tun. Das ist natürlich haarsträubend und hält keiner kritischen Überprüfung statt, wie ein einfaches Gedankenexperiment zeigt: Folgt man dem Argument, dann könnte Trump auch einfach die demokratische Wahl abschaffen, denn das wäre die zwingendste Form, ihm (mindestens) vier weitere Jahre im Amt zu sichern.
Dieses Gedankenexperiment zeigt schon in die sich politisch abzeichnende Richtung: Das Argument ist ein undemokratischer Dammbruch, der dem Präsidenten völlige Immunität im Amt gewährt und jede Rechenschaftspflicht gegenüber Senat, Kongress und damit der Bevölkerung abschafft. Ohne jeden Zweifel waren die USA noch nie so dicht davor, eine Autokratie (in der eine Einzelperson oder Personengruppe unkontrolliert politische Macht ausübt und keinen verfassungsmäßigen Beschränkungen unterworfen ist) zu werden. Wie gesagt, hält Dershowitz' Argument keiner vernünftigen Überprüfung stand und andere US-Verfgassungsrechtler sind verblüfft. Für die Republikaner das ist nicht so schlimm, denn es brauchte überhaupt kein gutes Argument, sondern nur sogenannte "Talking Points", also Sprachreglungen, mit denen die Republikaner sich gegen kritische Fragen zu ihrer Abstimmung immunisieren können.
Die Republikaner haben also bewusst erst gar nicht versucht mit oder gegen Fakten zu argumentieren, sondern schlicht gesagt: Kann ja sein, dass Trump versucht hat, den Ukrainischen Präsidenten zu erpressen, aber selbst wenn das so war, reicht das nicht, um einen Präsidenten des Amtes zu entheben. Wenn man tiefer hineinblickt, dann muss man sich aber eigentlich fragen: Gibt es eine schlimmere Sünde für den amerikanischen Präsidenten, als gegen die ureigensten US-amerikanischen welt- und innenpolitischen Interessen zu verstoßen? Genau deswegen ist Trump in seiner Partei auch so unbeliebt, denn er macht alles andere als republikanische Politik. Er folgt lediglich Verschwörungstheorien und seinen eigenen Interessen. Seine Politik ist dadurch völlig inkonsistent und teilweise überhaupt nicht auf Parteilinie.
Was haben wir nun zu erwarten?
Spekulation ist natürlich keine philosophische Disziplin, aber ohne Spekulationen haben wir keine Möglichkeit, uns auf Eventualitäten vorzubereiten. Nur gute Vorbereitung aber bietet im Kampf eine Chance auf Sieg (und es werden erbitterte politische Kämpfe um die Demokratie auf uns zukommen).- Wird Trump tatsächlich die demokratische Wahl in den USA abschaffen? Nein, das denke ich nicht, aber er wird sich in seinem undemokratischen Verhalten, in seiner Missachtung der Institutionen (der Justiz und der Legislative) bestätigt fühlen und seinen Freispruch mit Sicherheit als Freifahrtsschein für weitere Wahlmanipulationen nutzen.
- Seine Schergen, ob Pompeo oder Pence in der Regierung, der Generalstaatsanwalt William Barr oder Trumps Privatanwalt Rudy Guilani und Trumps Familie werden weiter jegliche Vorsicht und Formen in der Verfolgung ihrer Partikularinteressen missen lassen, bis einige von ihnen sich auch zivilrechtlich zur Verantwortung ziehen lassen müssen. Die Untersuchungen laufen bereits und wir werden sicherlich noch einige Jahre die verschiedensten zivilrechtlichen Befassungen mit diesen Machenschaften verfolgen dürfen.
- Trump und seine Leute befinden sich derzeit auf einem Allzeithoch, sowohl was ihre Moral als auch die Umfrageergebnisse angeht. Trump verzeichnet nach dem Freispruch Zustimmung als Präsident wie noch nie zuvor in seiner Amtszeit. Das ahnten die Demokraten, weshalb sie selbst dieses zum Scheitern verurteilte Verfahren nur widerwillig anstrengten. Aber der Katzenjammer der Republikaner wird kommen. Ohne Neuerfindung laufen ihnen ohnehin die Wähler weg, denn die demographische Verteilung (Landflucht und Unattraktivität der Republikaner für weibliche, nicht-weiße und junge Wähler) spricht dafür, dass mehr und mehr progressiv statt konservativ gewählt wird. Trump nun befördert diese Bewegungen noch, weil er gerade für Frauen, nicht-weiße und junge Wähler ein No-go ist. Außerdem spaltet Trump die republikanische Seele bereits jetzt und viele Beobachter rechnen mit einer tatsächlichen Spaltung der Partei, was dann zu einer ganz neuen Wahllandschaft in den USA führen dürfte.
- Wird das gescheiteret Impeachement die Wahl im November 2020 entscheiden? Das ist schwer zu sagen, denn ein Glück ist noch eine Menge Zeit. Alles rast, jede Entwicklung und ihre Konsequenzen brauchen heute viel weniger Zeit als noch vor einigen Jahrzehnten. Denken wir an die Spendenaffäre der CDU im Jahr 1999. Damals sagten Beobachter, dass es die CDU auf viele Jahre destabilisieren würde. Was sich aber nur fünf Jahre später anschloss, war die längste und stabilste Regierungsperiode der CDU. Es wäre also Kaffeesatzleserei, was die Ukraine Affäre für die US-Regierung bedeutet. Ein Hoffnungsschimmer für die Demokraten ist, dass Trump eigentlich kein funktionierendes White House hinbekommt (alle kündigen oder werden rausgeschmissen, neue Mitarbeiter finden sich nicht) und seine Politik bis zum November wird reichlich chaotisch sein.
- Wird die Demokratie in den USA und weltweit durch diese Entwicklungen weiter Schaden nehmen oder ist es so eine Art Weckruf für die Amerikaner, ihre Institutionen wieder ernst zu nehmen und von ihren Politikern eine gewisse Redlichkeit und einen Stil wie sie ihn vielleicht von Obama noch erinnern, einzufordern? Ich glaube, dass sich das was wir in den USA Konservative nennen, weiter ausdifferenzieren wird und das ist auch gut so. Krasse Wirrköpfe in der Basis der Trumpwähler wird es geben, sie werden krasser werden und damit die vernünftigen Konservativen zur Abgrenzung zwingen. Die große Frage weltweit ist, ob Mehrheiten der Wähler zunehmend verstehen werden, dass ihnen die krassen zur Autokratie neigenden rückwärtsgewandten Reaktionären (zu denenen man auch die AFD in Deutschland zählen muss) außer im Zeichen der Protestwahl nicht wirklich zu einem besseren Leben verhelfen werden. Hier liegt eine riesen Aufgabe für die vormahls etablierten Parteien. Sie müssen sich ehrlich machen und dürfen den z.T. berechtigten Argwohn der Bevölkerung nicht weiter nähren (Bereicherung, Klientelpolitik, Ineffektivität).
- Die ganze Wahrheit und ihre Umstände werden herauskommen und Trump wird in die Geschichte als der bisher schlimmste und dümmste Präsident der Vereinigten Staaten eingehen. Man wird ihn gerade hinsichtlich seiner katastrophalen Außenpolitik verachten, die alle Freunde außer Israel vor den Kopf stößt und bei allen traditionellen Feinden auf Beifall und Hihngelächter stößt.
Mit großer Spannung erwarte ich jedoch, wie sich die Republikaner aus dem Würgegriff des reaktionären Populismus wieder befreien werden. Demokraten und Republikaner sind in den Häusern des Senats und des Kongresses zum Teil enge Kollegen, die sich wieder zusammenraufen müssen, um zu regieren. Vielleicht hilft ihnen der typisch amerikanische Pragmatismus, um sich wieder zu vereinen und dem Volk zu dienen. Wie aber wollen die vernünftigen unter den Republikanern diese kognitive Dissonanz zwischen ihren Werten und ihrer Wahl, Trump im Amt zu lassen, überwinden? Sicher hilft ihnen die verfassungsrechtliche Aussage, nach der das vielleicht alles ungeschickt und falsch war, aber nicht ausreicht, um einen Präsidenten zu entmachten. Sie werden sagen: Wir wollten dem Volk an den Wahlurnen die Entscheidung überlassen. Ok, verständlich – so lange die Wahl eben nicht manipuliert wird und das ist alles andere als selbstverständlich mit einem jetzt zu mehr Manipulation ermutigten Donald John Trump.
Das passt dazu:
- Impeachment erklärt: Das Amtsenthebungsverfahren gegen Donald Trump
- Impeachment II – Donald J. Trump auf der Anklagebank
- Gedanken über Gefühle
vllt sollte man dabei bedenken, welche Rolle Joe Biden, Hunter Biden, Burisma, und die ganzen korrupten Verflechtungen von Obama Pelosi und anderen dabei spielen. Aber das passt nicht in das "Trump Derrangement Syndrom". Postfaktisch ? Eher koknitive Dissonanz, auch beim Autor des Artikels anzutreffen..
AntwortenLöschenKlar, kognitive Dissonanzen haben wir alle, es geht darum, gut mit ihnen umzugehen.
LöschenMan könnte auch einen Artikel zu den Bidens oder den Clintons schreiben, von denen ich gar kein Fan bin. Aber hier geht es jetzt einfach um das Impeachmentverfahren. Mich interessieren auch keine persönlichen Verfehlungen, sondern strukturelle Probleme unserer Demokratie.
In Kiew wurde ein Verfahren wegen Korruption gegen Obama eröffnet
AntwortenLöschenhttps://www.anti-spiegel.ru/2020/ukraineaffaere-in-kiew-wurde-ein-verfahren-wegen-korruption-gegen-obama-eroeffnet/
Joe Biden Brags about getting Ukranian Prosecutor Fired
https://www.youtube.com/watch?v=UXA--dj2-CY
Biden hat also selber das getan was Trum vorgewurfen wurde.
Egal was man von Trump hält, das "Impeachment" war eine Farce.
Die Demokraten wollten damit von Ihrer eigenen Korruption ablenken.
Trump hat das Transkript des Telefonats veröffentlicht.
Die Demokraten kamen mit nichts anderem als "Whistleblower" mit Hörensage aus 3. Hand.
Man fragt sich schon, wie ansonsten vernünftige Menschen offensichtliche Fakten einfach ignorieren können und munter in die Propagandamaschinerie einstimmen. Vermutlich schalten gewisse Ideologien einfach die Fähigkeiten zum eigenem Denken komplett aus, offensichtlich..
Auf solch ein Hin-und-Herdrehen der Faktenlage kann ich hier nicht weiter eingehen. Das ist ja ein ganz bekannter Trick, einfach dem anderen vorzuwerfen, was man selbst gerade vorgeworfen bekommen hat.
LöschenWenn Sie ernsthaft in einen Dialog treten wollen, dann würde ich bitten, sich aus der Anonymität zu wagen. Denn sonst befinden wir uns in einer asymetrischen Kommunikation, die dem einen Teilnehmer Dinge erlaubt, die der andere sich nicht leisten kann.