Was wir von unserer Liebe zu Kindern lernen können
Es ist wundervoll, in einer Welt zu leben,
in der so viele Menschen nett zu Kindern sind.
Es wäre sogar noch schöner, wenn wir in einer Welt lebten,
in der wir gegenseitig etwas netter zu den kindischen Seiten
in uns wären. (Alain de Botton, The Course of Love*, S. 120)
Unlängst
schrieb ich verwundert über die Liebe, die wir Erwachsene gegenüber Kindern aufbringen. Ich machte mir Gedanken, wo die Liebe herkam und mutmaßte, dass es etwas mit der kindlichen Unschuld, der Sorglosigkeit und dem Spielerischen des kindlichen Verhaltens zu tun haben müsste. Und nun las ich all das so schön zu Ende gedacht und auf den Punkt gebracht in zwei Sätzen von Alain de Botton:
"Gesellschaften werden für die Qualitäten empfindlich, die ihnen fehlen. Eine Welt, die einen hohen Grad an Selbstkontrolle, Zynismus und Vernunft verlangt und die sich durch extreme Unsicherheit und Konkurrenzdenken auszeichnet, erkennt in der Kindheit die fehlenden Tugenden – Qualitäten, die sehr strikt und definitiv aufgegeben werden mussten, um Zutritt zur Erwachsenenwelt zu erlangen." (Alain de Botton, S. 117)
Wir lieben also in den Kindern das, was wir wohl irgendwie verloren oder abgegeben haben und nach dem wir uns zurücksehnen. Wir verzeihen unseren Kindern darüber hinaus auch jeglichen Blödsinn, jede Unvernünftgkeit und Ungerechtigkeit, die sie mit der Regelmäßigkeit und Naturgesetzlichkeit von Ebbe und Flut über uns kommen lassen. Das Unreife in den Kindern, das wir "durch die Linse unserer erwachsenen Erfahrungen sehen", erscheint uns als besonders liebenswert. Wenn wir jedoch Zeugen eines unreifen Verhaltens von Erwachsenen werden, erscheint uns das als besonders unangebracht.