Genug mit der Wahrheit, jetzt werden Fakten geschaffen!
Das Volk in diesem Land hat genug von Experten.
Michael Gove, britischer Ex-Bildungsminister
Der Skandal ist nicht so sehr die Tatsache, dass Politiker lügen oder einfach Geschichten erfinden (das haben einige schon immer getan), der Skandal ist, dass es uns plötzlich egal zu sein scheint, dass sie das tun. Sie bekommen auch dann – nein: gerade dann – Zulauf, wenn jede vierte ihrer Aussagen falsch oder überwiegend falsch ist, wie bei Frauke Petry, die dicht gefolgt von Markus Söder die Hitparade der Falschaussagen bei Faktenzoom.de anführt. Wieso eigentlich?
Mit einem kann es nicht mal Petry aufnehmen: Fakten-Checks in den USA bescheinigen Donald Trump eine Falschaussagenquote von mehr als 70% (siehe z.B. politifact.com). Leute wie Söder, Petry oder Trump nennt man wohl (mindestens) "Populisten". Übrigens, um philosophisch korrekt zu bleiben, will ich zu Bedenken geben, dass Falschaussagen nicht unbedingt Lügen sein müssen, es könnten Irrtümer sein oder Halbwahrheiten mit gezieltem Weglassen von wichtigen Fakten oder eben auch dreiste Lügen. Am Ende ist ein notorischer Lügner in der Politik genauso haarsträubend wie jemand, der dermaßen dumm ist, dass er oder sie sich ständig irrt. Bei so einer hohen Quote, wie sie Trump vorlegt, kann eigentlich nur beides zusammenkommen.
Hitparade der Falschaussagenden (Screenshot von Faktenzoom.de, 15.08.2016) |
Populismus – Verachtung des Verstandes
He got the facts wrong but the story right
House of Cards, S4
Eine interessante Frage wäre, warum gerade die am meisten Mist erzählen, die im Rundumschlag immer allen anderen vorwerfen, sie würden lügen oder "das System" manipulieren. Noch interessanter finde ich aber die Frage, warum diese notorischen Populisten solch einen Zulauf bekommen. Sicher kommt es irgendwie als rebellisch rüber, wenn Populisten systematisch behaupten, sie würden jetzt gegen das Establishment vorgehen (jedenfalls bis sie sich dann selbst z.B. im Europaparlament die Ärsche plattsitzen). Übrigens ist die Ablehnung von Establishment, der Anti-Intellektualismus und das Preisen des Völkischen gegen das Elitäre eine PR-Masche, die schon Hitler "erfolgreich" gemacht hat.
Populismus meint nichts anderes als einen Politikstil, der dem Volke (lateinisch: populus) nach dem Munde redet. Und dieses "Volk", auf die es solche Möchtegernpolitiker abgesehen haben, brüllt eben lieber "Lügenpresse", als dass es selbst irgend eine Zeitung liest. Außerdem huldigen Populisten stets einem Antipluralismus, der unserer vielfältigen Welt nicht mehr gerecht werden kann, der aber dem Vereinfachungsedürfnis des Publikums entgegen kommt. Hier rächt sich auch die Klientel-Politik der bürgerlichen Parteien, das Gekungel mit der Wirtschaft und die Aushölung des Sozialstaats. Mit solcher Politik schafft man sich ein Volk von Wutbürgern, dem am Ende jede Wahrheit recht ist, Hauptsache sie überfordert nicht und fühlt sich irgendwie wahr an. Was mich dabei persönlich so kränkt, ist nicht unbedingt das politische Ergebnis, sondern die Dummheit, mit der wir uns als Menschen umgeben. Es ist so, als fielen wir Jahrzehnte und Jahrhunderte hinter eine erreichte Aufklärung zurück. Damit sollte es uns auch dämmern, dass Völkermord, Rassismus und Lynchjustiz keine überwundenen Phänomene, sondern jederzeit unter den entsprechenden Umständen wieder abrufbar sind. Es ist die Menschenverachtung, die sich hier durch eine Verachtung des eigenen Verstandes zeigt. Als Optimist, der gern ans Gute im Menschen glaubt, macht mich das wütend.
Warum jetzt (schon wieder)?
Wie gesagt, Populismus ist nichts neues, aber welche Gründe liegen für das erneute Aufblühen dieser Verachtung des Geistes vor? Es ist ein bisschen so, als sei das "Anything goes" und der Relativismus der Postmoderne jetzt erst in den gesellschaftlichen Räumen angekommen, während die Philosophie sich davon schnell wieder verabschiedet hat und jetzt mit einem neuen Realismus dagegen hält. Einer der neuen Realisten ist Maurizio Ferraris, der den Fehlschluss der Gesellschaft aus der konstruktivistischen Philosophie der Postmoderne so nachzeichnet: Wenn jegliche Realität durch Wissen konstruiert ist und Wissen durch Macht, dann ist jegliche Realität durch Macht konstruiert.Das könnte so ein Grundsatz von Verschwörungstheoretikern sein: Die Macht formt Wahrheit, wie sie will und konstruiert damit unsere Realität. Das ist doch Die Matrix, oder? Und Politiker wie Berlusconi ("was nicht im Fernsehen ist, existiert nicht") oder G.W. Bush (dessen Regierung ankündigte, dass sie Fakten schaffen würden, um dann einen Krieg aufgrund von erdichteten Massenvernichtungswaffen zu beginnen), haben das tatsächlich bestätigt. Kein Wunder, dass Verschwörungstheorien wuchern, denn solchen Leuten traut man eben alles zu.
Der Autor Peter Pomerantsev (Nichts ist wahr und alles ist möglich: Abenteuer in Putins Russland) bringt eine weitere philosophische Erklärung, warum wir zunehmend dazu neigen, Gefühle über Fakten stellen:
"Wenn die Postmoderne sagte, dass alles Wissen (repressive) Macht sei, nimmt sie uns jegliche Grundlage, um gegen die Macht zu argumentieren. Statt dessen postuliert sie, dass die Befreiung nur durch die Gefühle und den Körper erfolgen kann, weil Verstand und Intellekt Formen der Herrschaft sind." (Why We’re Post-Fact)
Ein weiterer Grund, warum das jetzt auf die Gesellschaft prallt, ist sicherlich die schier endlose Masse an Informationen. Wir verlieren den Überblick: Wem oder was soll man noch glauben? Sollte man nicht lieber allem misstrauen? Menschen werden zynisch, was "die Wahrheit" angeht, wenn sie nicht mehr überprüfbar ist. Dieser verständliche Affekt kehrt sich um: Wenn sowieso nichts mehr stimmt, dann kann ich auch gleich auf mein Gefühl hören und mein Gefühl sagt mir, der Trump hat Recht. Der spricht, wie ihm der Schnabel gewachsen ist, der ordnet sich niemandem unter, nicht mal der Partei, die ihn nominiert hat. Der ist so authentisch, dass irgendwie alles wahr ist, was er sagt, selbst wenn nichts davon stimmt: Er hat keine Fakten, aber seine Story stimmt.
Auch die digitalen Buschfeuer tragen zum Aufstieg des Populismus bei: Lügen, Irrtümer, Verschwörungstheorien und Halbwahrheiten verbreiten sich im Netz besser als die Wahrheit, weil sie oft "abgefahrener" sind, sich damit besser klicken lassen oder auf Komplexitätsreduzierung hinauslaufen und so einer sehr menschlichen Neigung der Denkfaulheit entgegen kommen. Hinzu kommt, dass weite Teile der sozialen Medien wie ein Spiegelkabinett funktionieren: Anstatt uns neuen Informationen und anderen Meinungen auszusetzen, konfrontieren uns die Algorithmen mit den Dingen, von denen sie gelernt haben, dass wir sie mögen (siehe Punkt 5. in 10 Gründe, warum Facebook schlecht für uns ist). Dagegen könnte man ja was machen, z.B. bessere Algorithmen schreiben, wenn man das Internet nicht zur E-Commerce-Plattform degradieren würde. Außerdem könnten Medien und Politik lernen, wie man komplexe Geschichten und Fakten vermittelt, die sich "gut klicken" lassen. Wahrheit muss wieder sexy werden, könnte man im Marketing-Sprech sagen. Am wichtigsten ist aber, dass wir wieder anfangen, uns für die Wahrheit zu interessieren!
Wahrheit und Zukunft müssen wieder zählen
Die im letzten Jahr verstorbene Künstlerin und Harvard Professorin Svetlana Boym meinte, dass wir im Zeitalter der Nostalgie lebten. Die Globalisierung, die Menschen, Ökonomie, Medien und Informationen gleichermaßen betrifft, fragmentiert die Wahrnehmung unserer Welt dermaßen, dass wir uns zurücksehnen nach etwas, das uns in der Erinnerung als "ganz und heil" erscheint, selbst wenn es in Wirklichkeit eher deprimierend und beengend war. Und in der Tat treten ja die neuen Rechten mit ihren erfunden Geschichten von Heimat immer als Anti-Moderne auf, als die, die sich gegen Globalisierung und den Verfall der Nationen wehren wollen. So kommt es, dass Donald Trump Amerika wieder groß machen, dass ISIS ein steinzeitliches Kalifat etablieren und dass die Engländer lieber wieder in ihre alte Nation zurück möchten, als mühselig an übergeordneten Zielen der Völkergemeinschaften zu arbeiten. Nostalgie gab es immer schon, nur jetzt ist sie aggressiv geworden... Die gute alte Nostalgie ist eben auch nicht mehr, was sie einmal war.Es wird Zeit, dass wir uns nach einer lebenswerten Zukunft sehnen, anstatt nach einem Zurück, das es nicht mehr geben kann. Es gibt nichts, was wir mit dem Versuch, die Zeit zurück zu drehen, gewinnen könnten. Manchmal habe ich diese destruktiven Phantasien, dass wir den Populisten doch einmal für ein paar Monate das Ruder überlassen sollten, dann würden wir schon sehen, dass sie nichts anderes können, als gegen die Wand zu fahren. Aber das hatten wir eben schon einmal mit den Nazis, denen ja auch nichts zugetraut wurde, als ihre eigene Organisation an die Wand zu fahren. Ein paar Jahre später hatten sie mit der Hilfe "ihres Volkes" ganze Kontinente verwüstet und Millionen Menschen umgebracht. Hillary Clintons rhetorische Frage, ob man jemandem Atomwaffen anvertrauen kann, der sich von einem Tweet provozieren lässt, trifft vor diesem Hintergrund ins Schwarze. Diese Leute haben uns nichts zu bieten, schon gar keine Zukunft! Sie stehen für die Verachtung des Verstandes und für ein Zurück zu dunkleren völkischen Zeiten.
Wir müssen wieder lernen, denen zu misstrauen, die sich darin gefallen, Gefühle gegen Fakten zu instrumentalisieren, um an die Macht zu kommen. Wahrheit muss uns wieder wichtig werden und wenn wir etwas Stolz haben, müssen wir die verachten, die uns schamlos anlügen. Und wir dürfen denen keine Chance geben, die zu unreif oder einfach nur zu inkompetent sind, um den Job zu machen, für den sie sich bewerben. Dass uns dabei sogar das Internet helfen kann, zeigen unabhängige Fact Checker wie Faktenzoom.de oder Politifact.com.
Das passt dazu:
Als Allererstes bin ich überwältigt von dieser Analyse. Ich habe mich während des Lesens gefragt, wie ist diese Analyse entstanden? Das WAS, also der Inhalt, ist ein wichtiges Thema für mich. Da finde ich das, was mich die letzten Wochen, gewiss Monate oder länger beschäftigt hat. Diese Rückschau, das JETZT und die Aussichten, all das wurde erstklassig beschrieben.
AntwortenLöschenNatürlich mache ich mir auch meine Gedanken, die sofort wieder mal lossprudeln. Ich analysiere nicht, von Algorithmen verstehe ich überhaupt nichts. Egal. Ich möchte meinen Kommentar mal loswerden.
Mir fällt dazu ein, dass es eine Einfalt würde, wenn die Sehnsucht immer mehr verblasst (nach Wahrheit und nach Fakten). Dann wäre die Alternativlosigkeit ihrer Zementierung so gefährlich nahe gerückt, dass der "Karren an die Wand" gefahren würde.
Zum Beispiel in einem Fußball- oder Sportverein kann es den Zusammenhalt, den Ehrgeiz, Motivation, Kampfgeist ungemein stärken, wenn man nur eine Eintracht ist, wir halt unter uns. Ich finde es auch in Ordnung und spannend, dort zu sagen (muss man ja auch gar nicht darüber nachdenken): "Alle für Einen, Einer für ALLE". Es ist der Sportsgeist, der für einen aktiven Sport steht, den aktiven Wettkampf in der Sportgruppe, die das Vereinsleben bereichert. Es gilt aber nur für die ZEIT des Spiels und auch des Spaßes daran, seine Kräfte zu messen, seine eigene Kraft zu erfahren und zu fühlen. Klappt auch prima für sich selbst als Einzelkämpfer. Das spielerische daran ist wunderbar.
Auf was ich hinaus will ist, dass das beim Sport oder einer Musik-, Theatergruppe einfach klasse und großartig ist. Dort weiß man das Thema, also Sport, Musik, Bühne. Also dieser Geist, der sicher emotional ist, und auf Analyse auch mal verzichten kann. Und wenn Analyse, dann doch immer ganz spezifisch auf das Spiel, das Bühnenstück, das Musikstück.
Fortsetzung
AntwortenLöschenIch meine, dass nur ein Einfaltspinsel davon sprechen kann, dass das wie ein Abziehbildchen auf Politik und Machtausübung einfach mal so übertragen werden kann: Einer für Alle, Alle für EINEN. Der Ruf genügt, das Handeln folgt sogleich und immer und ist auch die verlässliche Formel für alles Politische. Ich sage darüber, bitte macht niemals eine Formel für politisches Handeln. Ausnahmen und Nebengeleise erwünscht, aber bitte mit allen Informationen UND ZEIT für Überlegung vor Verkündung von Entscheidung. Da sollte ein Fließen sein und viel Information über den Prozess. Leider ist immer der Ruf nach Erfolgsmeldungen. Praxis und Wahrheit? Ich habe Zweifel, wie ich das wirkliche Interesse daran in der Massenmeinung erkennen soll. Ich vermute schon auch, dass lieber gelogen wird, dass sich die Balken biegen (aus Zweck als Selbstzweck), ein Standard, der sogar recht salonfähig ist.
Ich will das nicht haben. Ich sehe daraus mehr Grenzen und mehr Gewalt hervortreten. Der politische Geist, Fortschritt, Ehrlichkeit, Wahrheit, Wissenschaft muss frei sein vom Rollen-Klischée. Sonst hat man immer nur Darsteller für einen kurzen Zeitabschnitt und genau den "erlauchten Kreis" von Darstellern unter Darstellern nach Regeln von Darstellern, wo keiner aus der Rolle fallen darf. Wer die Hauptrolle spielt, braucht seine Nebendarsteller und die Nebendarsteller den Hauptdarsteller. Eine gefährliche und ganz eingeschworene Gruppe, immer auf Kampf und Gewinn und Erfolg und Ruhm aus. Wer nicht für uns ist, ist gegen uns. Wer nicht so mitmacht, wie wir alle, kann nicht in diesen Verein oder fliegt raus, wenn er Fußball nicht mehr mag, sondern Musik machen will. Oder Regelverstöße. Also ganz einfältig und engstirnig. Wir und nur wir stellen die einzig wahren Regeln auf. Kein Wunder, dass dann alles Fremde und Unbekannte, was nicht zum Vereinskodex passt, als bedrohlich angesehen wird.
Der Verstand für Wissenschaft, Entwicklung, wahres Gemeinwesen, Soziales ist alles andere als immer nur Klungelei (haben wir den Clan, haben wir uns). Wer anderen Klungelei zum Vorwurf macht, aber selbst in einem Klungelverein lebt, der sucht den Fortschritt nicht und das Gefängnis wird er sich selbst erbauen, in welches er die anderen immer stecken möchte, oder mit Ausschluss aus der Gemeinschaft und dem gemeinschaftlichen Wissenswachstum droht oder abkanzelt. Teilnahme ist und bleibt ausgeschlossen (für immer in der Folge sogar, ganz fatal finde ich das).
Fortsetzung
AntwortenLöschenIch meine das Extreme, dass es so möglich werden kann, dass der Verein immer nur sein eigenes Geplapper hört, zwar auch alles mögliche andere Geplapper aufschnappt, aber genauso schnell auch wieder fallen lässt - ein Getriebensein, das sich so am Laufen hält im Gschwätz-Aktionismus-Hamsterlaufrad. Das Rad läuft, was sich gut anhört und vor allem öffentliche Beachtung findet, egal, was es ist. Untereinander zählt doch nur die Außenwirkung und nicht mehr, ob wir selbst das als wahr überprüfen können, ja nicht einmal wollen. Es wirkt auf mich wie die gute, aber doch falsche Eintracht, so dass ein Wettkampf entsteht, wo unnötiges Leid das Resultat ist, weil eigens verursacht, weil man sich vorschreibt, dass gut und schlecht, Lachen und Trauer nicht zu einer Wahrheitssuche gehören. Derjenige, der das Ergebnis schon hat, der ist die Nummer Eins. So ist ja auch klar, dass diese Leute Wahrheit nicht verstehen können.
Aber was ist das? Ist es nur Geist und Geschwätz, sich Gedanken zu machen, die keinen Erfolg versprechen, weil es passiv scheint, und zwar deswegen, weil Fakten aus Geist zusammengetragen werden, ja auch nur Nachdenke für sich ganz alleine. Es kommt aber nicht sofort im Doppelpack eine Garantie, dass, wenn Fakten bekannt werden, gleich eine Handlung oder ein Plan hochgefahren wird, am besten für immer in Zement gegossen. Auch bei Fakten werden DIE Fakten erwartet, die gleich in Stein gemeißelt gehören. Die Wissenschaft wird mit Verlässlichkeit und Vertrauen verwechselt. Deswegen ist Wahrheitssuche niemals ein Versprechen, sondern ein Beobachten, eine Suche. Und das ist schon Dummheit, zu glauben, dass Verlässlichkeit und Vertrauen ein starres System mit allen Versicherungen und Geschäftemacherei ist, wo sich die eigene Mühe auf Zeit, sondern immer nur andere Zeit aufbringen sollen, weil man diese SINNVOLL GEWESENE EIGENE ZEIT absolut nicht hat, sonst könnte man ja gleich einpacken. Es lohnt sich schon lange nicht mehr, vielleicht für einen Verlierer, der noch an eigenständige Gedanken und die Zeit für deren Austausch glaubt, ja sich das aufhalst, sich nur mal Gedanken zu machen. Ungeduld und schnelles Handeln ist ein Knalleffekt, weil Lösung und Erfolg so nahe scheinen. Fortschritt der Fortschritt im Egoismus, weil sich immer irgend ein Depp gefunden muss, der einem das Denken und die Zeitverschwendung vom Leib hält, um den Profit, dass der Unsinn nicht mehr interessiert, abgekapselt vom Interesse am Zusammenhalt, dafür will man immer vom Unterhaltungswert her Spielen, weil es unterhaltend ist und Strategie für nur einen selbst allein, um immer als der Erste gehört und gesehen zu werden. Ich will nicht unsichtbar sein. Und dazu brauche ich nur den absolut soliden Club (ein gegenseitiges Stabilisieren) und wehe, es funktioniert nicht, der ist schnell ein Opfer, viel Spaß beim Fall in den Abgrund. Ich finde das grenzt nur noch an ein primitives Existenzdenken und an ein Versorgtwerden und nach mir sowieso die Sintflut. Die Zeit kalkuliere ich für mich und nur für mich. Die Wahrheit ist doch egal, wie es gesellschaftlich zugeht, wenn ich es nur mit Kalkül angehe, Strategie ist das Spiel. Und das ist schlimmer als Wettkampf. Weil den Wettkampf kann man verfolgen im Sport, aber Politik ist Kalkül. Weil etwa immer nur vertröstet wurde? Es ist doch eine Wartehaltung, die nur jammert und nach schnellen Lösungen ruft. Oder womöglich ein hysterischer und getriebener Ruf nach irgendeinem "Erlöser".
Fortsetzung
AntwortenLöschenEine Gemeinschaft die wieder miteinander spricht, ohne dass sie sich gegenseitig nur noch den schnellen und mächtigen Erfolg als Supererlösung vorgaukelt und sich gegenseitig mit Wichtigkeit hochschaukelt. Immer lauter und schneller, Hauptsache gesehen und gehört und ein Knüller. Das ist die Erfolgsquelle.
Und ob das mit der immerwährenden Suche nach Wahrheit zu tun hat? Wohl NEIN! Oder ist man sich so fremd, dass man meint, alles was nur ablenkt von ausführlichen Gedanken und Gesprächen, nämlich das, was schnell erreichbar ist und einen sicheren Gewinn für einen selbst verbucht, das ist immer die Wahrheit. Nein, denn es ist dann doch wohl ein Existenzkult draus geworden. Ich bin die Ware und gute Ware ist ein Knüller und schlechte Ware landet sofort auf dem Müllhaufen, und zwar dem menschlichen Müllhaufen, natürlich schneller als die Polizei erlaubt.
Aber wo bleiben dann die Gespräche über die Wahrheit und die Philosophie oder was ist Geist und sonst noch lebenswert. Was darf ich aus mir selbst heraus ohne Bestätigung und Feedback auf lange Sicht tun, ohne ein Störer zu sein? Störer deswegen, weil man die Erwartungen, die daran geknüpft sind, so, genau so, machen muss, wie es von einem erwartet wird. Job/Beruf/Karriere/Familien/Bildungsabschlüsse. Und es gibt gute Leute, die viel besser sind. Manche betreiben auch mal Hochstapelei, um überhaupt Zugang zu bekommen. Die Anderen sind die Besseren als man selbst. So wie dieser Anspruch sinkt aber auch der Anspruch. Dann reicht die Existenz und die Unterhaltung als Anspruch. Nachdenken ist klar und eine Einfaltsstruktur, weil im Leben ja auch nicht mehr viel zählt als der Anspruch auf Unterhaltung und Gewinn.
Gewinnen muss man den Kampf und das ist die ganze Wahrheit. Ich finde es bedauerlich und bedenklich (ohne hoffentlich in diesem ganzen Zusammenhang den Stempel des Sorgenbürgers zu bekommen). Es ist eine Wahrheit für Dumme, für Einfaltspinsel, die einen Effekt im Affekt als Leben reduzieren.
Viel besser gefällt mir Wahrheit wieder erstrebenswet machen. Aber das bräuchte ja Geduld und Zeit und auch noch ganz viel Worte und nicht nur Kurzkommentare. Und am Ball bleiben (was ja schon mal gut ist). Aber das Denken ist viel zu bescheiden bewertet, nämlich dann, wenn es nicht in der großen Öffentlichkeit stattfindet. Und ich frage mich schon, ob es ein privates UND öffentliches Interesse gibt, weil es zu mühsam geworden ist, Gedanken auch die Bereitschaft brauchen, wieder verworfen zu werden. Aber man verwirft auch immer gerne und eher fremde Ideen. Oder man springt einfach auf einen Ideenzug auf. Es geht nur noch um den schnellen Erfolg oder sich mit Unterhaltungsangeboten die Zeit totzuschlagen. Nach der Bedeutung oder dem Sinn von Gedanken und Gesprächen steht gar nicht mehr der Sinn. Hauptsache die Masse wird gesehen und gehört. Da ist man dabei, da muss man dabei sein. UND als Gruppe, damit man auch gesehen wird. Ohne Masse würde das alles gar nicht so funktionieren, dass die Wahrheit nämlich langweilig geworden ist. Also behaupte ich, dass es fakt ist, dass die Wahrheit so langweilig geworden ist, dass man es umkehrt und die offensichtlichen Lügensensationen auftischt, nur um was zu dürfen, nur um zu bezichtigen, um anzuklagen, um Opfer (Befriedigung von Missgunst) zu machen. Und ich finde, dass genau das die ganze Lüge ist, denn die Wahrheit zu finden ist kein Fingerzeig, sie ist ein Dauergespräch, aber selten eine Sensation. Vielleicht geht sie einher mit Sensation, dem Schock, aber nicht, wenn daraus nicht der ständige, dauerhafte, dringende Wunsch nach Aufklärung und Lösungen folgt.
Fortsetzung
AntwortenLöschenWahrheit ist gut und schön. Aber Lüge ist schlecht und hässlich. Das zweitere davon ist die Wahrheit (also Wahrheit soll immer misstraut werden), weil wir das ja gewohnt sind. Denken wir also nicht darüber nach, grübeln wir schon gar nicht, sondern handeln wir, weil uns die Lüge alleine dazu das Recht gibt. Wofür denn vorher noch nach Wahrheit suchen. Das ist doch was für Geistliche, sagt ja schon das Wort. So kann es kommen. Das wünsche ich mir persönlich auch nicht. Aber ich bin schon leider der Auffassung, dass die Wahrheit mit Füßen getreten wird und ein Dummer eher, der sich darum bemüht (so sehen es die Extremen, die an den Lippen ihrer Macher hängen). Denn es hieß doch auch, dass der Ehrliche der Dumme ist. Und nicht Ehrlichkeit/Wahrheit währt am längsten. Aber man kann, sollte oder darf das gegenüberstellen, Aber das schon ist eher nicht zeitgemäß anzusehen. Denn ich denke, dass die Rückschrittler sagen "haltet euch nicht mit Abwägungen und Einschätzungen auf und 'labert' nicht so viel dummes Zeug".
Wahrheit ist sehr wichtig. Ich glaube, dass die Leute das wollen. Es wurde vielleicht durch die Erziehung verboten, durch einen falschen Drill. Das kommt jetzt zum Vorschein. Ich habe das lange auch an mir selbst und natürlich an den anderen gar nicht bemerkt, aber erahnt habe ich diesen Trug immer. Nur dass ich jetzt sogar denke, dass sie Wahrheit wie ein Schweizer Käse in den Köpfen schimmelt, wirklich radikal gleichgültig geworden ist, oder die Leute es noch nicht wissen, wie die Lüge sich ganz schnell und immer wieder einschleicht. Also, wenn mich was stört, will ich wissen warum, mich auch ärgern und wütend sein, mir Gedanken machen. Mehr aber ein Verstehen als ein Handeln. Und ein Provozieren ist in diesem Zusammenhang sicherlich auch noch ein weiterer Gedanke. Ich will aber gar nicht Provozieren, ich will nur Erklärungen finden. Bei mir geht das schon auch mit Emotionen einher, das hilft mir, um nicht aufzugeben dabei.
Danke, Gabriele Fritz, für die ausführlichen Gedanken. Dass die Wahrheit langweilig ist und nicht dazu taugt, sich hervorzuheben, kann ich mir als Motivation auch vorstellen. Und auch der Hinweis auf die Klans und Kleingruppen trifft das Thema genau.
LöschenZur Frage, wie das entstanden ist, will ich nur sagen, dass es keine strenge Analyse ist, sondern auch nur ein Versuch, das, was ich über die letzten Monate über die Medien beobachtet habe, irgendwie zusammenzufassen. Der Auslöser war dann die Lektüre von Pomerantsevs "Why we are post fact", auf die ich oben verlinkt habe. Also mit anderen Worten: Das ist auch nicht alles auf meinem Mist gewachsen, sondern vor allem durch meinen Mist angereichert worden.
Scott Adams (der Erfinder der Dilbert-Comics) fasst die Geschichte der Vereinigten Staaten so zusammen:
AntwortenLöschenAm Anfang wählten die Bürger kluge Leute, um das Land zu regieren. Die Mittel, derer sich die Klugen bedienten, waren Reden und Briefe. Daraus entstand die Republik als Staatsform.
Dann korrumpierte Geld das System. Anstelle der Klugen gelangten die Reichen an die Macht. Die Reichen bekamen die Medien (Zeitungen, Radio, TV) unter ihre Kontrolle. Als Staatsform entwickelte sich daraus der ökonomische Faschismus, d.h. 1% der Bevölkerung hatte das Sagen. Unter dieser Staatsform verbesserten sich die Zustände in der Gesellschaft: Sklaverei wurde abgeschafft, Gewerkschaften gründeten sich, die Gleichberechtigung der Frauen setzte sich durch und die Homo-Ehe wurde gesellschaftlich akzeptiert. Soziale Netzwerke bildeten sich heraus. Die Reichen werden dabei immer noch reicher, deshalb fördern sie die Entwicklung der Gesellschaft. Sie wollen keine Unruhe im Volk, deshalb machen sie, ähnlich wie ein Drogenkartell, Sozialgeschenke.
Dank der sozialen Netzwerke (social media) finden nun, im Jahr 2016, politische Verführer immer mehr Gehör. Die 1% der Reichen sind nicht länger die Hüter der Wahrheit, sondern werden durch die social media gezwungen, deren Standpunkte zumindest teilweise zu übernehmen. Jeder geschickte Verführer wie Donald Trump oder Bernie Sanders kann die Massen nun auf seine Seite bringen. Alles, was er braucht, ist ein Smartphone. Dem Verführer geht es nicht um die Wahrheit, sondern um die Manipulation der Massen. Die aufscheinende Regierungsform ist der Populismus. Dabei hat die Mehrheit mehr Macht als in den vorangegangenen Modellen (Republik, ökonomischer Faschismus). Populismus ist die Herrschaft des Volkes.
Es ist ein bisschen vage, Gefühl und Wahrheit gegeneinander auszuspielen. Wenn sich die angebliche Vernunft bewährt hätte, hätte es Hiroshima und Nagasaki wohl nicht gegeben. Die Aufklärung mit ihrer Rationalität hat nicht nur Napoleon hervorgebracht, sondern als Endpunkt eben die Atombombe.
Sprichst Du Dich in Wahrheit mit diesem Artikel nicht gegen die Herrschaft der Massen aus? Was soll an deren Stelle treten? Wenn die Demokratie nun ihr wahres, nämlich populistisches Gesicht zeigt, soll sie dann deshalb wieder abgeschafft werden? Oder willst Du die social media wieder abschaffen? Und was dann?
Wenn Du zur "Wahrheit" zurückwillst, willst Du dann zur Herrschaft von 1% zurück?
So von dir vor die Wahl von ausgesuchten Alternativen gestellt, würde ich erst einmal sagen: Nichts von dem. Vielleicht gar nichts "Großes", sondern erst einmal wieder klein angefangen: "Lasst es uns wieder um etwas gehen. Lassen wir uns nicht einfach verarschen. Nehmen wir uns selbst und unsere Würde ernst und bestehen auf Ehrlichkeit untereinander." Oder wie man auf Englisch so treffend knapp sagen kann: "Let's give a fuck!"
LöschenIch bin hier erst mal auf der Ebene der Operationen und Werkzeuge und weit davon entfernt die eine oder andere Herrschaft zu empfehlen. Zu Bedenken geben könnte man noch, dass wir nicht nur die Wahl zwischen "Herrschaft des Volkes" oder nicht haben, sondern zwischen verschiedenen Herrschaften der Völker.
Das Bild von Adams ist sicher sehr zutreffen, vielleicht sogar ziemlich banal.
"Lassen wir uns nicht einfach verarschen ..." Ich habe nicht den Eindruck, dass Du Dich verarschen lässt. Im Gegenteil. Ich finde, dass Du gute Fragen stellst und Dich nicht mit einfachen Antworten zufrieden gibst, was Deinen Blog für mich interessant macht. Wen meinst Du also mit "wir"? Wenn Du gar nicht von Dir selber sprichst, an wen wendest Du Dich?
AntwortenLöschenIch kenne die Typen von den Fotos nicht, die der systematischen Falschaussagen bezichtigt werden. Ich nehme aber mal an, die sind von der AfD. Wenn das so sein sollte, warum sagst Du dann nicht direkt, dass man die AfD nicht wählen soll. Wäre das nicht ehrlicher? :-)
Nächstes Jahr ist Bundestagswahl. Man kann wählen gehen oder nicht, aber wenn ich wählen gehe, habe ich bloß die Auswahl zwischen Leuten, für die ich nicht die Hand ins Feuer legen würde, von denen mir einer unehrlicher als der andere vorkommt.
Verbal macht bspw. Merkel eins auf Willkommenkultur mit "Wir schaffen das", um dann wenig später einen Deal mit der Türkei abzuschließen: Flüchtlinge, die sich auf den Weg machen, gegen solche zu tauschen, die sich nicht auf den Weg gemacht haben. Das finde ich auf eine Weise unehrlich, um nicht zu sagen, hinterhältig, dass mir die Spucke wegbleibt.
Die Merkel-Politik läuft doch so, dass Flüchtlinge und Einheimische gegeneinander ausgespielt werden. In den Flüchtlingen werden Erwartungen geweckt, dass sie zwangsläufig enttäuscht sein müssen, wenn sie erst mal eine Weile in Europa sind, und durch das "Wir schaffen das. Alles kein Problem" werden andererseits in den Bürgern bewusst Befürchtungen und Aggressionen geschürt. Das ist doch nichts Anderes als das übliche "Teile und herrsche"-Spielchen.
Ein Satz wie "bestehen wir auf Ehrlichkeit untereinander" entpuppt sich in diesem Kontext m.E. als Worthülse. Der ganze Artikel dreht sich um Politik und dann machst Du im letzten Absatz die Kehrtwende ins Private.
Es ist doch gar nicht wahr, dass wir die Wahl zwischen verschiedenen "Herrschaften der Völker" haben. Die Leute sind, wie sie sind, und das findet jetzt eben im Populismus seinen Ausdruck. Die Leute wählen die Partei, die ihnen am besten das Blaue vom Himmel herunter verspricht. So what?
Ich verstehe die Intention von Deinem Artikel nicht. Es ist ein politischer Artikel und dann erwarte ich eine Schlussfolgerung, die ebenfalls etwas mit Politik zu tun hat und nicht den Rückzug auf die private Ebene.
Mach mir ob meiner kritischen Bemerkungen keinen Vorwurf! Ich nehme das mit der Ehrlichkeit nur wörtlich :-)
Nein, da mach ich dir keinen Vorwurf draus. Ich würde nur deine Erwartungshaltung zurückweisen. Ich möchte das alles nicht tun, was du erwartest. Ich will niemandem raten, was zu wählen sei. Ich finde es sogar wichtig, dass eine Demokratie von ganz links bis ganz rechts Parteien hat (das NPD-Verbot sehe ich z.B. sehr kritisch).
LöschenWas ich will (neben der Herleitung, warum jetzt Populismus?), ist Leute ("uns" alle) dazu aufzurufen, sich nicht verarschen zu lassen. Wenn sie nach gründlichem Abwägen und Abklopfen ihrer Überzeugungen und den Angeboten am Ende AFD wählen, respektiere ich das. Was ich nicht respektiere, ist als "Wutbürger" ohne nachzudenken im Affekt und nach Stimmung und Bauchgefühl zu wählen und es dann hinterher nicht gewesen sein wollen.
Und hier kommt der zentrale Punkt: Die "Herrschaft des Volkes" ist eine ganz andere, wenn es sich verblöden lässt, als wenn es auf Ehrlichkeit besteht und die bestraft, die lügen. Ich bin lieber in einer "Volksgemeinschaft", die mit Vernunft herrscht, als in einer verblödeten und von Populisten verführten, so wie sie sich jetzt abzeichnet. Denn was kommt bei Herrschaft von verblödeten raus? Nichts gutes. Ich denke also, dass es sehr wohl stimmt, dass wir wählen können, was für ein Volk wir sein wollen. Aber das ist harte Arbeit an uns selbst. Und da kommt dann das Private mit dem Politischen zusammen.
Übrigens, die Gesichter auf dem Bild gehören zu den Parteien CDU, CSU, SPD, Linke, FDP und AFD (von links oben nach rechts unten) und die werden nicht alle der systematischen Falschaussage bezichtigt, im Gegenteil, der Mann links oben mit 6,5% seht eigentlich ganz gut da.
Danke für die Erläuterung, jetzt verstehe ich den Artikel besser. Ich finde jedoch nicht, dass "wir" wählen können, was für "ein Volk" wir sein wollen. Ich kann höchstens wählen, wer ich selber sein will, aber ich kann nicht wählen, wer Du sein willst und ich kann auch nicht wählen, wer das "Volk" sein will. Dieser Pluralis "wir" läuft immer wieder darauf hinaus, dass die einen an den anderen herumerziehen und sie zu etwas bringen wollen, in diesem vorliegenden Fall zu mehr Vernunft oder zu mehr Ehrlichkeit.
AntwortenLöschenDu wirst indessen kaum jemand finden, der sich selber NICHT für ehrlich hält. Und Du wirst auch kaum jemand finden, der sich selber als verblödet anguckt und sich freut, dass Du ihn auf sein Defizit hinweist. :-)
Den Artikel werden also Leute zustimmen, die sich selber für ehrlich und nicht verblödet halten. So wie ich bspw. :-)
Damit trägst Du jedoch Eulen nach Athen.
Ich finde es nicht so einfach zu entscheiden, auf was der Mensch mehr hören soll: Vernunft oder Gefühl. Sicher kann man viel gegen das Gefühl einwenden und es als unser Affenerbe angucken, aber die industrialisierte Tötung im Dritten Reich war keine Sache des Bauchgefühls, sondern eine Sache kalter Ratio. Die Erfindung der Atombombe war auch keine Sache des Bauchgefühls, sondern wissenschaftlicher Zusammenarbeit.
Gefühl ohne Verstand ist leer. Verstand ohne Gefühl ist blind. (frei nach Kant) Es gibt ja auch nicht nur "wissenschaftlichen" Verstand, sondern so etwas wie emotionalen Verstand (Mitgefühl z.B.). Gefühle sind Proto-Gedanken.
AntwortenLöschenDeine Zweifel zu den Zwecken des Artikels sind absolut berechtigt und das mit dem ausschließlichen Erreichen der je eigenen Klientel auch ein bekanntes Dilemma jeglicher (zumal intellektueller) Publizistik. Ich tu mich nur schwer, daraus etwas sinnvolles für mich und meinen Bedarf nach Ausdruck abzuleiten.
Sloterdijk schreibt ein Buch nach dem anderen mit brillianten Analysen, ohne doch selbst umsetzbare Rezepte angeben zu können. Mit seinem letzten Buch, das ich gerade lese (Was geschah im 20.Jahrhundert?) wird er auch wieder jene nicht erreichen, ohne die ein "Umsteuern" des Raumschiffs Erde (Priorität: Schutz der lebenserhaltenden Syssteme) letztlich nicht gelingen wird. Aber vermutlich schafft er es hier und da, Personen, die sich zur steuernden Elite zählen, den Ernst der Lage neu zu vermitteln. Das wäre ja schon mal was.
AntwortenLöschenAn Blogs stelle ich wesentlich geringere Ansprüche. Man muss m.E. keine Rezepte und Alternativorschläge bringen und darf dennoch zu allerlei Weltgeschehen und den Analysen Anderer etwas sagen. Meinung eben...
"Was mich dabei persönlich so kränkt, ist nicht unbedingt das politische Ergebnis, sondern die Dummheit, mit der wir uns als Menschen umgeben. Es ist so, als fielen wir Jahrzehnte und Jahrhunderte hinter eine erreichte Aufklärung zurück. Damit sollte es uns auch dämmern, dass Völkermord, Rassismus und Lynchjustiz keine überwundenen Phänomene, sondern jederzeit unter den entsprechenden Umständen wieder abrufbar sind."
Genau das passiert ja, es dämmert... und führt dazu, dass innere Sicherheit, Aufrüstung der Polizei und immer mehr Überwachung deutlich mehr Zustimmung finden als früher. Das geht nicht nur von AFD/Pegida aus, sondern auch von der Mitte und zu Teilen von links (=dann: gegen Nazis etc.)
"Es ist die Menschenverachtung, die sich hier durch eine Verachtung des eigenen Verstandes zeigt. Als Optimist, der gern ans Gute im Menschen glaubt, macht mich das wütend."
Ich glaube nicht, dass "Wutbürger" den eigenen Verstand verachten. Sie haben vielfach allen Grund zur Wut, denn - anders als früher - erleben wir auf breiter Front eine nie gekannte Entlarvung der Reichen und Mächtigen als gierig und korrupt bis hin zu kriminell, sowie massive Glaubwürdigkeitsverluste vieler Institutionen: Parteien, Presse, Verbände, Regierungsbehörden - man denke z.B. auch an sowas wie Dieselgate oder die Art, wie sich Pharmaunternehmen bereichern, aber auch das zweierlei Maß, wenn über USA und Russland bzw. deren Interessen berichtet wird.
Eine kleine Geld- und Machtelite scheint - völlig unbeleckt von irgendwelchen Werten außer dem Eigennutz - die Geschicke aller zu bestimmen und sich nicht einmal mehr (wie früher) wenigstens zu genieren!
Dass der Protest gegen all das nun nach rechts und nicht nach links tendiert, liegt m.E. daran, dass niemand gerne zugibt, weitgehend machtlos zu sein (und das IST die Linke ja faktisch, abgesehen von eher kulturellen Belangen). Lieber wird das gewählt und beworben, was "denen da oben" zumindest gefühlt die gelbe Karte zu zeigen vermag - und morgen vielleicht schon die rote. Egal, ob das mit völlig abstrusen Forderungen einher geht, Hauptsache, es fetzt!
Wer nichts oder nicht viel zu verlieren hat, dem ist oft egal, wie die jeweils verlangten Änderungen auf alle rückwirken, die noch etwas mehr haben (siehe Brexit). Das bereitwillige "nach unten treten" (Flüchtlinge, Arbeitslose..), wenn man "nach oben" nichts ausrichten kann, ist tatsächlich vollends blöde, schafft aber immerhin das Gefühl der "Anschlussfähigkeit" an eine Mitte, die ihrerseits erodiert, Abstiegsängste hat und partiell ebenfalls in Wut gerät über kulturelle und religiöse Andersartigkeiten, die gegen Werte verstoßen, die man hierzulande grade erst begonnen hat, als unverzichtbaren Bestand zu sehen.
Ja, da kann ich nicht mehr viel zu sagen, das hast du sehr klar und überzeugend dargestellt. Ich sehe das auch mit der berechtigten Wut auf "die da oben" oder wie immer man das abkürzen will. Aber dort kommt dann eben auch der Anspruch rein, den ich für wichtig halte: Wir können nicht immer alles abkürzen (wie auch Erich unten schön zeigt), sondern müssen uns auch die Mühe machen, nicht alles auf den ersten Blick zu beurteilen, sondern genauer hinzusehen.
LöschenIch denke, wir können es nicht als Rechtfertigung stehen lassen, was du zurecht analysierst: Nur, weil die primitive Wut gerechtfertigt scheint, sind es ihre Konsequenzen eben noch nicht.
PS: Ich denke auch nicht, dass Wutbürger ihren eigenen Verstand verachten, es ist ihnen nur zu anstrengend, ihn zu benutzen und in der Folge verachten sie eventuell alles, was zu sehr nach Verstand und Anstrengung riecht.
Warum ist Populismus eigentlich so erfolgreich?
AntwortenLöschenweil (scheinbar) einfache) Wahrheiten keine Denkarbeit kosten
bekannt & _bewährt_ aus der Antike:
http://ed.iiQii.de/gallery/KeyPerformance/Alkibiades_physiologus_de
Mein Lieblingsbeispiel ist Karl Lueger:
http://ed.iiQii.de/gallery/KeyPerformance/KarlLueger_wikipedia_org
Emotionen, Redekunst, Charisma ist gefragt nicht #Introvertiert
http://www.geistundgegenwart.de/2011/08/still-die-bedeutung-von-introvertierten.html
FOLGLICH gibt es die 'Erfolgs- und Sieg-orientierten Typen' immer wieder, weil sie erfolgreich sind, zumindest kurzfristig, siehe Middelhoff etc. etc.
Ganz glasklar und scharf analysiert, lieber Erich!
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