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Erkenne dich selbst. Der Rest kommt (fast) von allein.

28. Mai 2016

Schlechte Gefühle aus guten Gründen

Die evolutionären Funktionen schwieriger Emotionen

"Alle negativen Gefühle haben ihre Wurzeln in der Angst und das Gegenteil von Angst ist Vertrauen." Wenn wir solch einen Satz lesen, ertappen wir uns wahrscheinlich dabei, wie wir mit dem Kopf nicken und sogleich an Beispiele aus unserem eigenen Leben denken, die diese Behauptung untermauern. Aber: Stimmt dieser Satz oder stimmt er nicht?

Detail einer Illustration zur Physiognomik, 19. Jahrhundert (Quelle: Wikipedia, gemeinfrei)

Nein, er stimmt nicht und er zeigt, wie die Psychologie sehr anfällig dafür ist, dass selbsternannte Experten und wir selbst als Erforscher unseres eigenen Seelenlebens mit vereinfachten und zusammengestückelten Halbwahrheiten kompletten Blödsinn als glaubhaft verkaufen und empfinden können. Gerade die sogenannte Positive Psychologie ist der populären Vereinfachung derart zum Opfer gefallen, dass sich solche Ansichten durchgesetzt haben wie, man müsse nur lächeln und schon sei alles nicht mehr so schlimm oder "negative Gefühle" könne man durch "positive Energie" eliminieren.

Das Gute an Langeweile, Trauer, Schuldgefühlen und Angst

Todd Kashdan, amerikanischer Professor für Psychologie beschreibt in Warum wir mehr Wissenschaft und weniger Spekulation über Angst, Trauer und Glück benötigen, wie er in einer Radiosendung den oben zitierten Satz zur Angst als Wurzel aller "negativen Gefühle" hörte, "vorgetragen mit großem Selbstbewusstsein und unter vager Andeutung einer wissenschaftlichen Studie". Kashdan erforscht Zusammenhänge zwischen solchen schwierigen Gefühlen und psychischem Wohlbefinden. Er zeigt sich besorgt über solches Halbwissen, das es den Laien erschwere, die eigenen Gefühle zu verstehen und in ein gelungenes Leben zu integrieren. Alle schwierigen Gefühle, so Kashdans Grundgedanke, haben ihre Funktionen in unserem Leben.
 
Kashdan beschreibt zum Beispiel wie Langeweile körperliche Reaktionen und Verhaltensweisen hervorrufe, die ganz und gar nicht mit Angst vereinbar seien. Langeweile sei ein Zeichen von Unterforderung und nicht von Angst. Das Gefühl der Langeweile motiviert uns dazu, unsere inneren und externen Zustände auf neue Reize hin zu untersuchen und die Unterforderung zu beenden.

21. Mai 2016

Gaia! Können wir uns noch retten?

Menschendämmerung im Anthropozän

Viele von uns kennen Gaia als den Begriff für unsere Erde als lebendes, ja fühlendes und willensgesteuertes System. Wir finden vielleicht so etwas wie Hoffnung, Trost oder auch Trauer in dem Gedanken, dass die Erde, von der wir tagtäglich zehren, die wir auszehren und zugrunde richten, selbst ein lebendes Wesen mit Gefühlen und Rechten ist. Trauer: Wie können ihr wir so etwas nur antun? Trost: Sie wird sich zu wehren wissen und letztlich überleben, indem sie sich der Menschen wie Parasiten entledigt. Hoffnung: Sie wird als die große Mutter Erde einen Weg des Überlebens für uns alle finden.

Atlantik-Küste von Namibia: Sandwinde und Schwefelwasserstoffe (Bild gemeinfrei von NASA)

Eine Fülle handelnder Kräfte

Allein, solche allzumenschlichen Impulse helfen uns nicht weiter, wenn wir verstehen wollen, wie genau wir das System Erde beeinflussen und wir wir es und somit uns über die nächsten Jahrzehnte retten können. Der französische Philosoph Bruno Latour sagt:

"Es macht überhaupt keinen Sinn, Gaia Gefühle oder Absichten solcher Art zu unterstellen! In der griechischen Mythologie ist Gaia sogar eine ziemlich furchterregende Göttin. [...] Allein die Lektüre des Mythos sollte uns vor kitschigen Versionen der Gaia-Hypothese warnen. Und wir sollten nicht vergessen, dass sie sich auf einen mythologischen Diskurs bezieht, nicht auf eine offenbarte Wahrheit!" (Latour im Gespräch mit dem Philosophie Magazin Februar/März 2016, S. 36)

13. Mai 2016

Unsere westliche Panik vor dem Ende der Ich-Autonomie

Haben wir keine größeren Probleme als das Internet?

Wir wünschen uns von unserem technologischen Fortschritt immer auch ein Besserwerden der gesamten Menschheit. Und wenn man zurück schaut, dann muss man schon sagen, dass es im Schnitt gesehen, den Menschen immer besser geht. Selbst mancher, der zu den Armen zählt, hat heute ein reicheres und gesünderes Leben, als Menschen, die vor einigen Hundert Jahren zu den Reichen zählten. Hunger, Seuchen und Säuglingssterblichkeit sind in den meisten Teilen der Erde historisch auf dem Rückmarsch. Aber natürlich ist das nur eine Perspektive, es gibt andere.

Wer hat Angst vor dem Computer? (Bild gemeinfrei von Historic Computer Images)

Ein Zweifel, den ich beispielsweise als begeisterter Nutzer moderner Technik, immer im Hinterkopf nagen spüre, ist, ob denn all diese neuen Technologien wirklich so umweltfreundlich sind, wie wir es gern glauben. Zum Beispiel Elektroautos: Wie ist das mit den Batterien? Wie werden die produziert, wie lange halten die, aus welchen Stoffen sind die und was passiert, wenn die alle entsorgt werden müssen? Oder all die Tablets und Smartphones, die sozusagen einmal jährlich durchgewechselt werden. Sind die nicht aus Schwermetallen und anderen problematischen Rohstoffen, für die Minenarbeiter in Entwicklungsländern sich selbst und ihre Umwelten vergiften?

6. Mai 2016

Ein überraschendes Merkmal tiefgründiger Wahrheiten

Die Weisheit des Ergänzungsprinzips

Wir kennen das alle aus dem Alltag, sei es zu Hause oder auf der Arbeit: Es geht darum, Recht zu haben und Recht zu behalten. Menschen tun absonderliche Dinge dafür. Im Job werden Projekte samt Budget gegen die Wand gefahren, im Privatleben gehen Partnerschaften zu Grunde, im schlimmsten Fall brechen Kriege aus und Menschen sterben. Und alles nur, damit irgendwer Recht behält. Aber was ist das schon, "Recht behalten"? Nirgends führt irgend jemand ein Konto darüber, wie oft wir Recht hatten oder uns irrten oder gar unsere Meinung änderten. Es ist doch nichts weiter, als ein kindischer und zerstörerischer Selbstbehauptungstrieb, der dahinter steht. Je unreifer und egomanischer eine Person ist, desto rechthaberischer. Sie verwechseln Recht behalten damit, eine Persönlichkeit zu sein.

Licht: Partikel oder Welle? Thomas Young kam 1799 der Welle auf die Spur.