Die evolutionären Funktionen schwieriger Emotionen
"Alle negativen Gefühle haben ihre Wurzeln in der Angst und das Gegenteil von Angst ist Vertrauen." Wenn wir solch einen Satz lesen, ertappen wir uns wahrscheinlich dabei, wie wir mit dem Kopf nicken und sogleich an Beispiele aus unserem eigenen Leben denken, die diese Behauptung untermauern. Aber: Stimmt dieser Satz oder stimmt er nicht?Detail einer Illustration zur Physiognomik, 19. Jahrhundert (Quelle: Wikipedia, gemeinfrei) |
Nein, er stimmt nicht und er zeigt, wie die Psychologie sehr anfällig dafür ist, dass selbsternannte Experten und wir selbst als Erforscher unseres eigenen Seelenlebens mit vereinfachten und zusammengestückelten Halbwahrheiten kompletten Blödsinn als glaubhaft verkaufen und empfinden können. Gerade die sogenannte Positive Psychologie ist der populären Vereinfachung derart zum Opfer gefallen, dass sich solche Ansichten durchgesetzt haben wie, man müsse nur lächeln und schon sei alles nicht mehr so schlimm oder "negative Gefühle" könne man durch "positive Energie" eliminieren.
Das Gute an Langeweile, Trauer, Schuldgefühlen und Angst
Todd Kashdan, amerikanischer Professor für Psychologie beschreibt in Warum wir mehr Wissenschaft und weniger Spekulation über Angst, Trauer und Glück benötigen, wie er in einer Radiosendung den oben zitierten Satz zur Angst als Wurzel aller "negativen Gefühle" hörte, "vorgetragen mit großem Selbstbewusstsein und unter vager Andeutung einer wissenschaftlichen Studie". Kashdan erforscht Zusammenhänge zwischen solchen schwierigen Gefühlen und psychischem Wohlbefinden. Er zeigt sich besorgt über solches Halbwissen, das es den Laien erschwere, die eigenen Gefühle zu verstehen und in ein gelungenes Leben zu integrieren. Alle schwierigen Gefühle, so Kashdans Grundgedanke, haben ihre Funktionen in unserem Leben.Kashdan beschreibt zum Beispiel wie Langeweile körperliche Reaktionen und Verhaltensweisen hervorrufe, die ganz und gar nicht mit Angst vereinbar seien. Langeweile sei ein Zeichen von Unterforderung und nicht von Angst. Das Gefühl der Langeweile motiviert uns dazu, unsere inneren und externen Zustände auf neue Reize hin zu untersuchen und die Unterforderung zu beenden.