Die menschlichsten Momente im Leben
"...die Scham ist - wie der Stolz - die Wahrnehmung meiner selbst als Natur, wenn auch eben diese Natur mir entgeht und als solche unerkennbar ist.“ Jean-Paul Sartre, Das Sein und das Nichts
Misstrauisch gegenüber jedem, der sich nie schämt (Bild von Rob, Lizenz: CC BY-NC-SA 2.0) |
Immer wieder mal, seit ich eingeschult wurde, hatte ich einen verstörenden Traum: Ich stand vor der Klasse oder im Hörsaal oder lief auf der Straße und bemerkte plötzlich, dass ich nur ein T-Shirt an hatte, aber keine Hosen. Sofort übermannte mich die Scham und ich versuchte umzukehren, nach Hause zu kommen und mich zu verstecken. Oder die Szene in Game of Thrones: Cersei, die Mutter des Königs, muss nackt durch die Bevölkerung von King's Landing gehen, um für ihre Sünde zu büßen. Das ist schmerzhaft anzusehen, denn auch wenn man Cersei nicht mag, kann man nicht umhin, die tiefe Scham und Schande zu fühlen, die ihr da widerfährt. Die bewusste und unfreiwillige Nacktheit vor anderen ist der Inbegriff der Scham, denn hier sind wir allen schützenden Hüllen in der Gesellschaft beraubt.
Wir kennen alle einen Moment, in dem wir uns für uns selbst geschämt haben. Vielleicht haben wir als Sportler versagt oder ein schmutziges Detail aus unserer Vergangenheit ist ans Licht gekommen oder wir haben uns vor versammelter Mannschaft blamiert, indem wir auf dem Firmenfest gestolpert sind und dabei das ganze Buffet abgeräumt haben. Ich wäre misstrauisch gegenüber jedem, der behauptet, nicht schon einmal so einen Moment der gefühlten Schande erlebt zu haben.
Der Sozialwissenschaftler Stephan Marks beschreibt in dem hier abgebildeten Buch (Amazon Link), wie Scham entsteht, welche Auswirkungen sie hat und wie wir mit diesem Gefühl umgehen können. Marks zeigt, dass viele zwischenmenschliche Konflikte vor dem Hintergrund der Scham verstanden und gelöst werden können.