Ich bin überzeugt, dass die Wüste kein Herz hat, dass sie ein Rätsel ohne Antwort ist und dass dieses Rätsel selbst eine Schöpfung unseres begrenzten oder grenzenlosen, verirrten menschlichen Bewusstseins ist.
Das ist jedenfalls, was ich mir sage, wenn ich meine Aufmerksamkeit auf das richte, was rational, wahrnehmbar und realistisch ist, wenn ich glaube, dass ich das vornehme Siechtum, dass man Romantik nennt, überkommen habe - dieses Leiden, diese Krankheit, diese heimtückische Bösartigkeit, die wir für immer aus unseren Herzen heraushacken müssen, pulverisieren, zerkochen, zu Asche verbrennen... schließlich verzehren müssen.
Übersetzt nach Edward Abbey, Desert Solitaire, New York, 1971, S. 304
Ein Rätsel ohne Antwort, eine Schöpfung unseres verirrten Bewusstseins (Foto von Gilbert Dietrich) |
Was ist eigentlich die Landschaft meiner Seele?
Ist es der romantische Wald, dunkel und grün, voller tiefer Geheimnisse, die wie wilde Tiere ängstlich und beängstigend durch das Unterholz schleichen? Die Nadeln und Blätter gleichzeitig frisch und satt meine Lungen füllend, meine Augen beruhigen, meinen Körper verschlucken? Der Wald, in dem sich so viele verlaufen haben, die nicht mehr zurück kamen oder verwirrt aus dieser grünen Hölle, diesem Paradies wieder ausgespien wurden. Der Wald, die Bäume, dieses romantische Versprechen von Tiefe und Liebe.
Oder ist es der meditative Berg? Die Höhe der Auserwählten, die geistige Klarheit derer, die über den Horizont hinaus schauen, die nichts und alles sehen? Zarathustra, Buddha und Heidegger. Der Berg als Anmaßung auf dem halben Weg zu Gott, zur Leere des Alls, die Klarheit des Nichts aus dem alles entstehen soll. Ist das mein Element?
Oder die rauhe Küste im Sturm, der jeden Ballast davon bläst, die kleinlichen Beklemmungen hinaus aufs Meer trägt. Ein Meer, das so unendlich ruhig in der Ferne dazuliegen scheint und doch ganz aufgewühlt an der Oberfläche nie zur Ruhe kommt. Mit der grenzenlosen Stille darunter, die von einem klaren Blau zum tiefsten Schwarz herabsinkt auf den Grund, begleitet nur vom klagenden Gesang eines einsamen Wals, bis sie auf den Tod (in der Form von Stickstoff und Bakterien) trifft.
Oder ist der lebendige Fluss mein Seelenheil? Das unaufhaltsame Weiter über Stein und Zeit, das hysterische Panta rhei, das lustige Glucksen und die gewaltige Kraft des Stroms, der sich unbeeindruckt seinen Weg bahnt, sich weich zu biegen scheint, aber doch durch Granit beißt und und seinen Weg findet, fast schicksalshaft und doch ohne Bestimmung.
Was ist die Landschaft meiner Seele? Wüste, Wald, Gebirge, Küste, Ozean oder Fluss? Von allem etwas oder etwas ganz anderes und noch viel mehr? Was ist die Landschaft Ihrer Seele? Lassen Sie es raus, begegnen Sie ihr am besten da draußen...
Im Moment lese ich gerade sein Buch Desert Solitaire, in dem er von seinen Erfahrungen mit der Einsamkeit in der Wüste berichtet. Ich will all jenen seine Bücher empfehlen, die sich zu sehr in den täglichen Kämpfen zwischen Wohnzimmer und Schreibtisch verloren haben und sich vielleicht nach dem tieferen Sinn all dieser Anstrengungen fragen. Lesen wir Edward Abbey und gehen dann raus vor die Tür. Vielleicht gibt uns dort der Wind auf unserer Haut eine Antwort auf unsere vermeintlich tiefen Fragen.
Siehe auch Der Wind auf unserer Haut
Danke für die Buchempfehlung. Das ist wirklich sehr lesenswert. Wind auf unserer Haut, gegen den Hauthunger...
AntwortenLöschenBye
Anne