Blick über den Gartenzaun: Was ist Heimat und wie viele können wir haben? (Foto von Eva-Maria Oberauer) |
Heimat – schon ein interessanter Begriff
Heimat – schon ein interessanter Begriff. Philosophen, Volkskundler, Kulturanthropologen – alle zerbrachen sich die Köpfe und kamen doch auf keinen einheitlich grünen Zweig. Sogar bei Wikipedia streckt man schon im ersten Absatz die Waffen: "Eine einheitliche Definition existiert nicht." Nicht einmal ordentlich in andere Sprachen lässt sich diese Heimat übersetzen. Zu lang ist die Geschichte des Begriffs, zu häufig hat sich seine Bedeutung über die Jahrhunderte verlagert, zu sehr wurde und wird er für ideologische und Propagandazwecke missbraucht.
Nur grammatikalisch scheint man übereingekommen zu sein: Heimat, das gibt's nur einmal. Singular. Auch wenn der Duden einen Plural theoretisch anbietet, ist Heimat im Sprachgebrauch doch etwas Statisches oder zumindest Serielles (siehe "zweite Heimat", "alte Heimat"), erlaubt kaum ein zeitliches Nebeneinander. Alternativen scheint es nur nach unten zu geben: heimatlos (was für ein trauriger Tropf von einem Wort).
Die vielen Gesichter der Heimat
Was Heimat für mich ist, damit setze ich mich – wie so viele – erst auseinander, seit ich sie verlassen habe. Meine ersten 26 Jahre verbrachte ich in einem Radius von 20 km. In Österreich wurde ich geboren, aufgezogen, sozialisiert, ausgebildet, in die Arbeitswelt eingegliedert. Klingt nach Heimat? Ist es auch. Nirgendwo sonst füge ich mich äußerlich so nahtlos ins Bild, runzelt mein Akzent keine Stirn, werde ich als "einheimisch" akzeptiert.
Doch ich bin Doppelagentin. Seit 8 Jahren lebe ich im Ausland, 6 davon in Irland, ein Land von dem ich wusste, da gehöre ich hin, noch 10 Jahre bevor ich es überhaupt betreten habe. Obwohl ich den kulturellen Hintergrund nicht teile: Die irische Art, den Lauf des Lebens zu akzeptieren und das beste daraus zu machen, die fröhliche Melancholie, die Gemächlichkeit, die Luft. All das fühlt sich vertraut an. Richtig. Während zwei Jahren Irlandpause, die ich in Deutschland (Berlin, München) verbrachte, lernte ich außerdem ein mir bis dahin völlig fremdes Gefühl kennen. Heimweh. Und zwar nach Irland. Also noch eine Heimat - eine innere, von Außen nicht erkennbar.
Emigration ist eine Reise ohne seelische Wiederkehr
Seit ich wieder zurück auf der Insel bin und nicht nur Österreich, sondern auch Irland mit geschärftem, zweiten Blick begegne, ist mir klar: Emigration ist eine Reise ohne seelische Wiederkehr. Diejenigen unter Ihnen mit Kindern mögen mir den Vergleich verzeihen, aber wie die Elternschaft ist der Effekt, den ein längeres Lebens im Ausland auf das Selbst hat, weder Außenstehenden erklärbar noch umzukehren. Es gibt ein davor und ein danach.
Die Schweizer Schriftstellerin Gabrielle Alioth, die seit 20 Jahren in Irland lebt, hat in ihrem Buch Irland auf den zweiten Blick für mich das Lebensgefühl von "Langzeitemigranten" wunderbar beschrieben:
Nur grammatikalisch scheint man übereingekommen zu sein: Heimat, das gibt's nur einmal. Singular. Auch wenn der Duden einen Plural theoretisch anbietet, ist Heimat im Sprachgebrauch doch etwas Statisches oder zumindest Serielles (siehe "zweite Heimat", "alte Heimat"), erlaubt kaum ein zeitliches Nebeneinander. Alternativen scheint es nur nach unten zu geben: heimatlos (was für ein trauriger Tropf von einem Wort).
Die vielen Gesichter der Heimat
Was Heimat für mich ist, damit setze ich mich – wie so viele – erst auseinander, seit ich sie verlassen habe. Meine ersten 26 Jahre verbrachte ich in einem Radius von 20 km. In Österreich wurde ich geboren, aufgezogen, sozialisiert, ausgebildet, in die Arbeitswelt eingegliedert. Klingt nach Heimat? Ist es auch. Nirgendwo sonst füge ich mich äußerlich so nahtlos ins Bild, runzelt mein Akzent keine Stirn, werde ich als "einheimisch" akzeptiert.
Doch ich bin Doppelagentin. Seit 8 Jahren lebe ich im Ausland, 6 davon in Irland, ein Land von dem ich wusste, da gehöre ich hin, noch 10 Jahre bevor ich es überhaupt betreten habe. Obwohl ich den kulturellen Hintergrund nicht teile: Die irische Art, den Lauf des Lebens zu akzeptieren und das beste daraus zu machen, die fröhliche Melancholie, die Gemächlichkeit, die Luft. All das fühlt sich vertraut an. Richtig. Während zwei Jahren Irlandpause, die ich in Deutschland (Berlin, München) verbrachte, lernte ich außerdem ein mir bis dahin völlig fremdes Gefühl kennen. Heimweh. Und zwar nach Irland. Also noch eine Heimat - eine innere, von Außen nicht erkennbar.
Emigration ist eine Reise ohne seelische Wiederkehr
Seit ich wieder zurück auf der Insel bin und nicht nur Österreich, sondern auch Irland mit geschärftem, zweiten Blick begegne, ist mir klar: Emigration ist eine Reise ohne seelische Wiederkehr. Diejenigen unter Ihnen mit Kindern mögen mir den Vergleich verzeihen, aber wie die Elternschaft ist der Effekt, den ein längeres Lebens im Ausland auf das Selbst hat, weder Außenstehenden erklärbar noch umzukehren. Es gibt ein davor und ein danach.
Die Schweizer Schriftstellerin Gabrielle Alioth, die seit 20 Jahren in Irland lebt, hat in ihrem Buch Irland auf den zweiten Blick für mich das Lebensgefühl von "Langzeitemigranten" wunderbar beschrieben:
"Der, der zurückkehrt, ist nie der Gleiche, der ging. Denn jeder Ort hat seine Geschichte, und wenn wir lange genug bleiben, wird sie zu unserer eigenen [...] Irland ist heim, der Ort, den ich gewählt habe und der mich zu dem macht, was ich bin: Schriftstellerin zwischen zwei Welten, zwei Sprachen, mit zwei Welten vertraut, und zu keiner gehörig. Denn, auch wer die Heimat flüchtet, trägt etwas von ihr mit sich davon. Geliebt oder gehasst, ist Heimat ein Stück von uns selbst, Vergangenheit, Gegenwart und auch Teil unserer Zukunft, Ort und Idee von Landschaft und Leben."Braucht in Zeiten der immer höheren internationalen Mobilität also auch die Heimat ein mehr an Mehrzahl? Ja und nein. Heimat ist tatsächlich ein Kollektiv an Gefühlen, das sich an vielen Orten und auch mit Menschen leben lässt. Und wohnt doch einzig und allein in uns selbst.
Ellen Dunne hat WIE DU MIR geschrieben:
Belfast, Mitte der 90er Jahre. Der Mord am erfolglosen Kriminalpolizisten Will McCrea soll eigentlich nur Routine sein für IRA-Kämpfer Dally "JR" Ferguson. Doch der Anschlag verläuft anders als geplant - und plötzlich ist nichts mehr wie es war. Dally will nicht mehr - er will aussteigen, zurück in sein altes Leben, seine Familie zurückerobern. Will hat den Anschlag überlebt - aber seine junge Frau Jenny ist tot. Entschlossen, ihren vermeintlichen Mörder zur Rechenschaft zu ziehen, wendet sich Will an seinen Freund Hugh, den ehrgeizigen Leiter einer Belfaster Terror-Einheit. Hughs Plan, Dally als Verräter bei der IRA-Führung zu denunzieren, setzt jedoch eine katastrophale Kettenreaktion in Gang. Zu spät erkennt Will, dass der Preis für seine persönliche Rache mörderisch ist...
Literaturtipp dazu: "The End of Belonging: Untold stories of leaving home and the psychology of global relocation" von Greg A. Madison
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