30. Januar 2013

Patti Smith - Lass doch, das sind nur ein paar Kids

Am 4. Juli war ich in Leipzig beim Konzert von Patti Smith. Sie gibt wahnsinnig gute Konzerte voll von Punk, Rock, Poesie und Leidenschaft geben. Grund genug für mich, jetzt noch etwas genauer zu der Rocklegende (eine Kategorisierung, die sie wohl ablehnen würde) zu recherchieren. Dazu habe ich ihr Buch Just Kids gelesen.

Patti Smith in Leipzig, 4. Juli 2013 (Foto: Gilbert Dietrich)


Autobiographie von
Patti Smith, 2010
Patti Smith und ihr Freund und Liebhaber, der Fotograf Robert Mapplethorpe, sitzen  an einem warmen Nachmittag im Herbst 1967 in typischer Beatnik-Garderobe am Washington Square in New York und erfreuen sich am Treiben der Touristen, Hippies und Folk-Musiker. Aufgeregte Revolutionäre verteilen Flugblätter gegen den Vietnam-Krieg, andere spielen Schach oder Bongos, Hunde bellen und Gurus predigen ihre Lehren. Plötzlich bleibt ein älteres Paar vor Patti und Robert stehen und glotzt die beiden an. Die Frau sagt zu ihrem Mann: "Oh, fotografier die beiden, ich glaube, die sind Künstler!" Der Mann zieht seine Frau weiter und sagt nur: "Lass doch, das sind nur ein paar Kids."

Robert Mapplethorpe wurde einer der bekanntesten Fotografen seiner Zeit. Er starb 1989 an AIDS. Patti Smith war immer eine Literatin, schrieb Lyrik und wurde über ihre Lesungen, die sie von Gitarren begleiten ließ zur Punkmusikerin. Sie überlebte, genauso wie Bob Dylan, all die anderen so bekannten Zeitgenossen wie Janis Joplin, Jimi Hendrix, James Morrison, aber auch ihren Ehemann Fred Smith, der Gitarrist der frühen Punk-Rock Band MC5, der 1994 verstarb. Damals waren sie alle erstmal nur ein paar Kids, die abhingen, musizierten und Drogen ausprobierten. Politik war erst mal nicht ihre Sache, sie waren Ästheten, Boheme und sehr mit ihrem eigenen Überleben beschäftigt. Patti Smith ist nach wie vor von dieser Bescheidenheit geprägt, will nur erst mal Mensch sein, keine Punk-Ikone oder Künstlerin. Zu ihrem Menschsein gehört es dazu, sich auszudrücken, zu schreiben und zu singen. Und das macht die 66-Jährige nach wie vor life. Am 4. Juli werde ich hier in Leipzig zu ihrem Konzert gehen, um dieses Leben zu spüren, Pattis Leidenschaft und Energie. Ich hoffe, wieder einmal etwas von dieser Energie in mein eigenes Leben transportieren zu können und in die nötige Leidenschaft umzuwandeln, die uns als Kids am Leben erhält.

28. Januar 2013

Der kleine Tod: Wie wirkt die Narkose?

Ich bin ein Klumpen, stöhne, versuche mich zu bewegen, meine Beine zittern, im Kopf ist es dunkel und dumpf. Ich kann kaum kucken. Eine Frau spricht zu mir: "Herr Dietrich, atmen Sie!" Ich sage: "Mein Bein, drehen Sie mein Bein gerade! Es ist verdreht." Nichts ist verdreht, ich wache nur aus der Narkose auf. Ich bin der letzte, der diesen Freitag hier aufwachen würde, die Uhr über der Tür zeigte 18:30. "Haben Sie Schmerzen?" Ich stöhne. Kurz danach überkommt mich eine Welle der Leichtigkeit, ich entspanne mich, mein Kopf sackt zur Seite, ich fühle mich leicht wie ein Schmetterling. Irgendwo muss die Ärztin einen kleinen Hahn aufgedreht haben, Opioide kommen durch den kleinen Schlauch in meinem Handrücken und überschwemmen meinen Blutkreislauf. Das sind die kleinen Leckerlis, die eine OP mit sich bringt: legaler und kostenloser Drogenkonsum fast ohne Risiko. Gegen den trockenen Mund sprüht die Ärztin mir ein Spray in den Mund.

Preoxygenation before anesthetic induction
Die letzten Sekunden bei Bewusstsein, aber ohne Erinnerung?  (Quelle: ISAF)

"Atmen Sie tief, Herr Dietrich!" Die Ärztin legt mir einen Schlauch für Sauerstoffzufuhr unter die Nase. Ich konzentrierte mich aufs tiefe und regelmäßige Atmen. Um mich herum wurde alles etwas klarer und kurze Zeit später unterhielt ich mich mit der Ärztin über ihr Fachgebiet: Die Narkose. Ich erzählte ihr, dass ich gerade ein Buch gelesen hatte, "Das Lexikon des Unwissens", in dem ein Kapitel der Anästhesie gewidmet war. Die Ärztin stimmte zu: "Es ist nicht völlig geklärt, warum Narkose funktioniert. Aber es funktioniert und die Zeiten des Beißholzes sind zum Glück vorbei."

24. Januar 2013

Die Nacht ist für Nerds, Autoren und andere Kreative

Wer kreativ ist, etwa ein Autor, ein Designer oder ein Programmierer, wird bemerkt haben, dass es sich am besten nachts arbeitet. Warum ist das so? Swizec Teller, selbst Autor und Geek, schrieb ein Buch und einen viel beachteten Blog-Artikel zu dieser Frage: Why Programmers Work At Night. Am Ende des Artikels steht die Erkenntnis, dass nachts arbeiten mindestens diese drei Vorteile habe:
  1. die Nacht ist Open End und ohne feststehendes Limit, arbeitet es sich entspannter 
  2. in der Nacht gibt es weniger Ablenkung, wir können uns besser konzentrieren 
  3. der helle Bildschirm hält uns wach
Late Night Hacking
Late Night Hacking (Bild über Flickr.com von  Tor Håkon)

22. Januar 2013

Braucht Heimat eine Mehrzahl? Gedanken einer Emigrantin

Die als Romanautorin Ellen Dunne bekannte Eva-Maria Oberauer und ich haben einiges gemeinsam: Wir haben mehr als nur eine Heimat (oder nicht?). Eine dieser Heimaten ist Irland, unsere gemeinsame wo wir zwei uns vor einigen Jahren kennen lernten. Und für uns beide war und ist diese Situation zwischen zwei Welten nicht immer ganz einfach. Im folgenden Artikel untersucht Eva-Maria Oberauer diesen eigenartigen Ort "Heimat", den es so richtig nur in deutscher Sprache gibt, obwohl doch jeder in dieser Welt eine hat. Aber lesen Sie selbst...

Blick über den Gartenzaun: Was ist Heimat und wie viele können wir haben? (Foto von Eva-Maria Oberauer)
Heimat – schon ein interessanter Begriff
Heimat – schon ein interessanter Begriff. Philosophen, Volkskundler, Kulturanthropologen – alle zerbrachen sich die Köpfe und kamen doch auf keinen einheitlich grünen Zweig. Sogar bei Wikipedia streckt man schon im ersten Absatz die Waffen: "Eine einheitliche Definition existiert nicht." Nicht einmal ordentlich in andere Sprachen lässt sich diese Heimat übersetzen. Zu lang ist die Geschichte des Begriffs, zu häufig hat sich seine Bedeutung über die Jahrhunderte verlagert, zu sehr wurde und wird er für ideologische und Propagandazwecke missbraucht.

18. Januar 2013

Ruhe in Frieden. Wie tickte Aaron Swartz?

Heute vor einer Woche nahm sich der Netzaktivist Aaron Swartz das Leben. Ein stiller Nachruf von Erich Feldmeier.

 
Foto von Sage Ross (Boston Wiki Meetup via Wikimedia Commons)


Er wurde nur 26 Jahre alt. Swartz war ein leidenschaftlicher Verfechter der Freiheit im Internet. Zuletzt lief eine Anklage gegen ihn wegen Datendiebstahls - er wollte wissenschaftliche Magazine aus einer Online-Datenbank allgemein zugänglich machen. Die betroffene Organisation (JSTOR) hatte die Anklage nach gütlicher Einigung zurückgezogen, die General-Staatsanwaltschaft hielt die Anklage jedoch aufrecht. Aaron Swartz war aber nicht nur Pirat, sondern hatte maßgeblichen und produktiven Einfluss auf verschiedene Dinge, die wir heute ganz selbstverständlich im Internet nutzen, z.B. die Common Creative License (u.a. bei Wikipedia), RSS, Open Library und weitere solcher Werkzeuge. Schule und Uni brach er ab, weil ihm das zu langweilig war. Seine Verhaltensauffälligkeiten wurden in Nachrufen der ZEIT und der Süddeutschen so beschrieben:

16. Januar 2013

Wie der mächtigste Mann der Welt Entscheidungen trifft

Du musst diese kleinen alltäglichen Probleme abschaffen!


Was können wir von Obama lernen? Auf jeden Fall, dass Führungsaufgaben und Entscheidungen treffen, nichts für schwache Nerven sind. Sie sind nicht leicht, auch wenn wir mit unserem Urteil immer schnell dabei sind: Unsere Chefs sind vor allem Idioten, Psychopathen und Narzissten genauso, wie unsere Politiker inkompetent und korrupt sind. Und das gilt natürlich jeweils für alle ganz generell.


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Unbenommen: inkompetente und korrupte Politiker gibt es genauso wie Narzissten und Psychopathen unter unseren Chefs. In der Regel reduzieren solche Labels aber vor allem die Komplexität der Wirklichkeit. Führungsaufgaben sind kompliziert, die Beziehungen, zwischen denen Chefs und Politiker navigieren müssen, sind oft sehr komplex. Ein Chef ist z.B. fast immer unter Druck von oben und unten zur gleichen Zeit. In so einer Situation kann man es leider niemandem Recht machen. Politiker mögen ihre Werte und Ideale haben, für die wir sie gewählt haben, aber sobald sie "an der Macht" sind, müssen sie gerade in Demokratien so viele Kompromisse eingehen, dass uns ihr eigentliches Wahlprogramm nur noch als scheinheiliges Mittel zur Machtergreifung vorkommt.

Barack Obama ist ein gutes Beispiel, wie man auch dabei Integrität bewahren kann. 2009 erhielt er den Friedens Nobel Preis - offenbar zugleich als Vorschusslorbeeren und sanfte Erpressung gedacht - und ist seither ein militärisch sehr aktiver Präsident geblieben. Im Grunde war es unfair, ihm diesen Preis zu geben, denn jeder wusste, ein amerikanischer Präsident kann in dieser Welt kein Pazifist sein. Natürlich roch Obama die Falle sofort und hielt bei der Preisverleihung eine Rede, die deutlich machte, dass Krieg auch in Zukunft nötig sein würde, aber dass jede Situation einzigartig sei und eine einzigartige Entscheidung erfordere, anstatt eine generalistische Perspektive nach dem Muster der Achse des Bösen.
"Zu sagen, dass Gewalt manchmal nötig ist, ist kein Aufruf zum Zynismus - es ist eine Anerkennung der Geschichte, der Fehlbarkeit der Menschheit und der Grenzen der Vernunft." (Obama im Rathaus von Oslo)
Wir sehen hier bereits eine Hauptzutat guter Führung: Mutige Kommunikation, ohne Rücksicht auf die Enttäuschung, die sich daraufhin einstellen wird. Wenn man es niemandem Recht machen kann, dann kann man immerhin sich selbst treu bleiben. Das Nobelkomitee hatte sich eine pazifistische Rede erhofft, bekommen hat es eine Darlegung der Gründe, warum Pazifismus keine Option ist, so sehr er auch wünschenswert wäre. Obama hat sich damit freigeschwommen und sich der gut gemeinten Erpressung entzogen. Er wusste, dass noch mehr Abhängigkeiten und falsche Erwartungshaltungen als ohnehin schon bestanden, das Letzte waren, was eine Führungskraft wie er noch brauchte. Gerade dann, wenn er Figuren wie Osama bin Laden und andere Führer des Terrors zur Strecke bringen wollte. Ich glaube, dass Chefs - und wenn sie auch nur ein kleines Team führen und keine Terroristen bekämpfen - von solchen Beispielen lernen können.

Glaubwürdigkeit aus dem Willen zu Wahrheit und Optimismus
Mutige Kommunikation, die jeden erreicht und bei aller Härte der Botschaft doch Authentizität vermittelt, ist sicher einer der größten Garanten für gute Führung. Und Obama ist darin ausgezeichnet. Wie kein anderer versteht er es, die Gegebenheiten als schwierige Herausforderungen zu beschreiben, die dennoch mit guten Erfolgsaussichten angegangen werden können. Dieser Willen zu Wahrheit und Optimismus haben ihn so populär gemacht und lassen seine Gegner regelmäßig wie orientierungslose Tölpel wirken. Obamas Problem bleibt natürlich, dass die Realität der Umsetzungen hinter seinem Optimismus zurückbleibt, auch wenn das - denken wir an Steuerreform und Gesundheitswesen - vor allem seinen Kontrahenten anzulasten ist.

Du musst die Energie einteilen und bündeln
Obama ist aber nicht nur ein hervorragender Kommunikator, sondern versteht eine Menge von Selbstmanagement. Und das kommt daher, dass er sich selbst sehr reflektiert, psychologisch denkt und sich selbst gut kennt. Die Erkenntnisse, die er daraus zieht, ermöglichen ihm, sehr bewusst mit den Herausforderungen seines Amtes umzugehen, wie wir in Obama's Way von Michael Lewis im Magazin Vanity Fair lesen konnten:
"Du musst Sport machen," sagt er zum Beispiel. "Ansonsten brichst du irgendwann zusammen." Und du musst diese kleinen alltäglichen Probleme abschaffen, die vielen von uns jeden Tag so viel Zeit kosten. "Ich trage nur graue oder blaue Anzüge," sagt er. "Ich versuche Entscheidungen zu minimieren. Ich will keine Entscheidungen darüber treffen, was ich anziehe oder esse, weil ich zu viele andere Entscheidungen zu treffen habe." Er erwähnt Forschungsergebnisse, denen zufolge jede Entscheidung die Fähigkeiten zu weiteren Entscheidungen mehr und mehr erschöpft. Deshalb ist Shopping so anstrengend. "Du musst die Energie, die dir zum Entscheiden zur Verfügung steht, einteilen und bündeln. Dich selbst zu routinieren, hilft dabei. Du kannst nicht durch den Alltag gehen und dich von Nebensächlichkeiten ablenken lassen." (Michael Lewis)
Nur eine bestimmte Farbe zu tragen, geht sicher für viele von uns zu weit. Aber die Richtung, in die es zeigt, ist klar: Man kann nicht auf einem hohen Level bestimmte Leistungen bringen, wenn man sich nicht konzentriert. Man muss seine Kapazitäten einteilen und ganz gezielt einsetzen, anstatt sich im Alltag aufzureiben. Es kommt also nicht von ungefähr, dass einem Präsidenten die meisten Sorgen abgenommen werden. Es ist auch dasselbe Prinzip, dem das klassische Verhältnis von Chef und Sekretärin folgt. Und auch die Erkenntnis, dass Routinen uns entlasten, ist nicht neu, aber hier von Obama auf die Spitze getrieben. Wenn Ihr Chef also nicht jede E-Mail beantwortet oder sich um bestimmte Dinge einfach nicht zu scheren scheint, dann muss das nicht Inkompetenz und Faulheit sein, vielleicht weiß er sich einfach, gut aufs Wesentliche zu konzentrieren?

Das Heisenberg-Prinzip für Entscheider
Außerdem ist Obama ein guter Team-Manager, der alle seine Mitarbeiter in Entscheidungsvorgänge mit einbindet. Beispiel: In einem Meeting im März 2011, in dem er entscheiden sollte, ob in Libyen eine Flugverbotszone eingerichtet werden sollte, erhielt er nur wenig hilfreiche Informationen und Optionen von seinem engsten Beraterkreis: Option 1: Flugverbotszone einrichten, Option 2: gar nichts tun. Gab es keine weiteren Optionen?
Also fing Obama an, jeden im Raum, auch die jüngsten, nach ihren Meinungen zu fragen. "Es war etwas ungewöhlich," gibt Obama zu, "dass ich auch die fragte, die gar nicht am Tisch saßen. Ich wollte  auch das hören, was die am Tisch offenbar nicht sagen wollten." Was er hören wollte, war ein Grund für differenziertere Maßnahmen als die Flugverbotszone und was es für die amerikanischen Interessen bedeutete, wenn er Massaker an der libyschen Bevölkerung hinnehmen würde. Da stellt sich natürlich die Frage: Warum entscheidet er dann nicht gleich selbst in diesem Sinne? "Es ist das Heisenberg-Prinzip," sagt er. "Dass ich die Frage stelle, ändert bereits die Antwort. Außerdem schützt es meine Entscheidung, wenn ich andere in den Prozess einbinde." Sein Verlangen, selbst die Meinung der jüngsten im Raum zu hören, ist sowohl ein Merkmal einer warmen Persönlichkeit, als auch kühle Taktik. (Michael Lewis)
Obama unterläuft bewusst etablierte Status-Strukturen, schließlich ist er der erste schwarze Präsident geworden. Das allein scheint schon etablierte Strukturen über den Haufen geworfen zu haben. Er spielt lieber mit "normalen Leuten"  Basketball, als mit den CEOs der großen Firmen Golf. Statt Washingtoner Cocktail Partys zu besuchen, liest er lieber zu Hause ein Buch. Wenn man ihn in der Menge baden sieht, wird man beobachten, dass er gern die Nähe zu alten und schwachen Menschen sucht, anstatt die zu den jungen und schönen. Er bindet auch den "geringsten" seiner Mitarbeiter in Entscheidungsvorgänge ein und man kann es sich bei ihm nicht anders vorstellen, als dass er auch die Putzfrau und den Hausmeister im Weißen Haus auf die charmanteste und lockerste Weise begrüßt. All das ist durchaus bewusst und Teil seines Amtes:
"Eine meiner wichtigsten Aufgaben", sagt er, "ist sicher zu stellen, dass ich den Leuten gegenüber und der Bedeutung meines Amtes gegenüber offen bleibe, ohne dass es mich überfordert und dadurch paralysiert." (Michael Lewis)
Diese Balance zu halten, ist für jeden Chef ungeheuer wichtig. Man kann keine vernünftigen Entscheidungen treffen, wenn man sich von der Realität der Basis entkoppelt. Auf der anderen Seite kostet es zu viel Energie, wenn man alle Details und zu viel Kommunikation verarbeiten muss. Man muss den Kopf über Wasser halten, darf sich nicht verstricken in die kleinen Kämpfe und Ambiguitäten. Man muss bereits selbst die Überzeugungen vom richtigen Ziel entwickelt haben und trotzdem auf die anderen hören können. Man muss sie mit an Bord nehmen können, ohne sich vom Kurs abbringen zu lassen.

Es wird Zeit, dass sich Führung in Politik und Wirtschaft reformiert, offener und demokratischer wird und gleichzeitig die psychischen Mechanismen und Herausforderungen anerkennt und versteht. Nur so kann gute Führung gelingen. Obama ist ein Muster dafür, wie man bewusst und mit luzidem Selbstverständnis an Führungsaufgaben herangeht.



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7. Januar 2013

Mutig sein und den Mund aufmachen!

Für 2013 habe ich mir vorgenommen, was ich mir 2012 schon vorgenommen hatte. Nicht, weil ich 2012 nichts von dem erreicht hätte, sondern weil ich 2013 noch mehr erreichen könnte. Und dazu haben mich die Punkrocker von Pussy Riot inspiriert...

Taugt zum Vorbild für 2013: Pussy Riot auf dem Roten Platz (Foto von Denis Bochkarev)

6. Januar 2013

Der Wind auf unserer Haut

Was mich angeht, reichen mir die Oberflächen - im Grunde scheinen mir sogar nur sie allein wichtig zu sein. Solche Dinge wie zum Beispiel der Druck einer Kinderhand, der Geschmack eines Apfels, die Umarmung eines Freundes oder Geliebten, die sanfte Haut eines Mädchens, das Sonnenlicht auf Steinen und Blättern, der Klang von Musik, die Borke eines Baums, das Rau von Granit und Sand, der Fall klaren Wassers in ein Becken, Wind im Gesicht. Was gibt es denn außerdem noch? Was sonst benötigen wir schon?
Edward Abbey, Desert Solitaire

Wind im Gesicht. Was sonst benötigen wir eigentlich? Foto von Gilbert Dietrich

Einer meiner Lieblingsautoren ist Edward Abbey. Er war ein fundamentalistischer Naturschützer und hat überaus komische, aber auch radikale Bücher wie Die Monkey Wrench Gang geschrieben (siehe kurze Rezension unten). Im Moment lese ich gerade sein Buch Desert Solitaire, in dem er von seinen Erfahrungen mit der Einsamkeit in der Wüste berichtet. Ich will all jenen seine Bücher empfehlen, die sich zu sehr in den täglichen Kämpfen zwischen Wohnzimmer und Schreibtisch verloren haben und sich vielleicht nach dem tieferen Sinn all dieser Anstrengungen fragen. Lesen wir Edward Abbey und gehen dann raus vor die Tür. Vielleicht gibt uns dort der Wind auf unserer Haut eine Antwort auf unsere vermeintlich tiefen Fragen.



The Monkey Wrench Gang ist ein Öko-Terrorismus-Roman zum totlachen und mitfiebern. Abbey ist ein Meister im Entwickeln sympathischer und lebensgroßer Karikaturen von Menschen. Seien es die Gang-Mitglieder: die schöne Bonnie Abbzug, der Mormone Seldom Seen Smith, der Outlaw und Survivour Hayduke und der geldgebende Arzt Sarvis. Oder ihre Gegenspieler und hier besonders Bishop Love, der für die wirtschaftlich-industrielle Erschließung der Wüste kämpft. Die Gang versucht eben diese Erschließung zu verhindern oder sogar rückgängig zu machen, wie im Falle des großen Hoover-Dammes, den sie zu sprengen gedenken. Am Ende wird es nicht mehr als ein symbolischer Akt mit Farbbomben. Aber immerhin. Schaden haben sie doch genug angerichtet, indem sie Bulldozer und Förderbänder lahm gelegt haben und Brücken zerstört. Am Ende kommt es zum großen Show-Down in der Wüste. Love und seine Truppen erschießen - so meint man jedenfalls - den Outlaw und vermeintlichen Bandenführer Hayduke. Wie wir Dank des Nachfolgeromans Hayduke Lives wissen, ist es wieder nicht gelungen, Hayduke an den Kragen zu gehen. Er ist eine Art Houdini, ein Phantom beinahe und kennt jeden Stein, jedes Wasserloch in der Wüste. Hayduke Lives ist ein langes Portrait der Hippie- und Öko-Bewegung. Sehr interessant und amüsant, aber lange nicht so spannend und Action geladen wie der erste Teil.

Ich frage mich, warum The Monkey Wrench Gang nicht Teil meiner Lektüre war, als ich 18 war. Mein Leben hätte einen ganz anderen Weg nehmen können. Jetzt, da ich doppelt so alt bin, fällt es schwerer, die Wut und Freude, die Radikalität und Liebe einzuverleiben, für die man als Jugendlicher viel empfänglicher ist. Wo hattet ihr dieses Buch versteckt, ihr verdammten Erwachsenen? Wozu seid ihr Lehrer und Professoren, wenn ihr diese Lektüre euren Kindern nicht zugänglich macht? Gebt The Monkey Wrench Gang euren Kindern, bevor diese Welt den Bach runter geht. Schickt sie in die Wüste. Lasst sie lesen, sehen, leben und lieben.

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