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Erkenne dich selbst. Der Rest kommt (fast) von allein.

25. April 2012

Schreibpause, Ideen tanken, Momente erleben

Für einen Monat neuartige Momente erleben, Eindrücke sammeln, inspirieren lassen (Katsuhiro Otomo: Akira Cityscape)

Heute eine kurze Mitteilung in eigener Sache: Nach genau 200 Artikeln werde ich jetzt eine Schreibpause von einem Monat einlegen. In den letzten Wochen habe ich gemerkt, dass es mir schwerer fiel, Themen zu finden, die mich selbst begeistern. Glücklicherweise habe ich so viele inspirierende Leser und Autoren-Freunde, die selbst dann für Leben auf dem Blog sorgen, wenn ich selbst etwas nachlasse. Vielen Dank dafür an alle, die hier lesen, kommentieren und besonders an die tollen Autoren. All das würde mich auch weiterhin bei der Stange halten. Trotzdem werde ich in den nächsten vier Wochen versuchen, ein paar neue Perspektiven aus neuen Eindrücken und einer eher zurückgezogenen Ruhe zu gewinnen, um dann mit neuen Ideen entflammt weiter zu schreiben.

24. April 2012

Alles verknotet

Doublebind als Kommunikations- und Verhaltensmuster

Es ist ein Erfahrungswert aus Claudia Schmolls Praxis, dass ganz viele Burnout-Themen mit einem als Doublebind bekannt gewordenen Kommunikationsmuster zusammenhängen. Sie sagt, dass es weniger die Anforderungen der Umwelt allein seien, als vielmehr die verinnerlichte Kommunikationsstrategie, durch die diese Umwelt so überfordernd für den Betroffenen erlebt wird. Es trifft Menschen, bei denen in der Umwelt allein gar nichts so Belastendes vorliegt, die aber innerlich sogar schwer belastet sind - schwerer als andere, die eben nicht auf diese Weise traumatisiert sind. Im folgenden Artikel stellt Claudia Schmoll das Konzept Doublebind vor.

Schon vor über 50 Jahren, als sich eine Forschungsgruppe rund um Gregory Bateson mit der Kommunikation und den Beziehungsstrukturen an Schizophrenie Erkrankter beschäftigte, wurde das Kommunikationsmuster Doublebind beschrieben.¹ Doublebind wurde in der Literatur als Doppelbindung eingedeuscht, ich finde das Wort Doppelknoten passender, weil es sich in der Tat um eine schier unlösbare Kommunikationsfalle handelt. Die Falle besteht zum einen aus einer paradoxen Forderung. Zum anderen ist ihr eine Unlösbarkeit eigen, denn egal, was man dem Gegenüber als Lösung anbietet, es wird das Verkehrte sein. Um dem Ganzen noch eins drauf zu setzen, wird das Widersprüchliche der Botschaft entweder nicht diskutiert oder sogar verleugnet.² Die Paradoxie kann sowohl auf verbaler als auch auf nonverbaler Ebene stattfinden. Zum Beispiel ein ablehnendes Gesicht ziehen und trotzdem sagen "Komm' her, du weißt doch, dass ich dich lieb hab'". Und eine der schlimmsten Arten von Paradoxie ist, jemanden zu schlagen und ihm gleichzeitig versichern, dass man ihn liebt.

23. April 2012

Unser Ich und sein un-freier Wille

Die Philosophie des Geistes ist seit der Antike über das Mittelalter bis heute sicherlich eines der interessantesten wissenschaftlichen Felder. Sie fragt nach der Beziehung zwischen Körper und Geist: Wie bedingt das eine das andere? Ihre Implikationen sind gewaltig und reichen von ganz privaten Fragen wie "Wer bin ich?" bis zu übergreifenden Themen von Moral und Gesellschaft rund um die Freiheit unseres Willens und die daran anschließende Frage, ob wir überhaupt für unser Tun verantwortlich gemacht werden können. Am Anfang steht aber die Frage, was das Ich überhaupt sei.

Come funziona l’occhio, “Il secolo illustrato”, 1936

Das Ich als Facebook-Stream
Es gibt Gründe, warum wir uns als ein Ich erleben. Zum Beispiel die Dauer: Ich war gestern derselbe wie heute und werde auch morgen noch Ich sein. Der Freie Wille: Ich entscheide und handle selbstbestimmt und frei. Die Persönliche Perspektive: Als Wahrnehmungseinheit stehe ich im Mittelpunkt meiner Welt und erlebe sie immer aus dieser Ich-Perspektive. Das Cockpit dafür scheint irgendwie hinter der Stirn zwischen meinen Augen zu sein. Aus solchen Erlebnissen bilden wir unser Ich. Offenbar hat Facebook mit der Time Line genau das versucht zu simulieren. Jeder User soll sich als ein Ich erleben, dessen vollständige und fortdauernde Repräsentation im Browser abgebildet wird. Wir finden hier genau dieselben Zusammenhänge: Unser Leben lässt sich in der Rückschau historisch erleben, die Fotos und Kommentare versichern uns unserer fortwährenden Existenz, wir haben sie dort willentlich gepostet und all das aus der Perspektive eines Ichs im Zentrum. Diese Analogie ist krass vereinfacht, aber sie läuft darauf hinaus, dass es ein Ich nicht einfach gibt, sondern dass es aus Informationen zusammengesetzt werden muss. Ein Ich prägt sich über die Zeit hinweg aus. Es ist kein Ding, sondern ein Vorgang, wie der Philosoph Thomas Metzinger sagt.

22. April 2012

Augen auf und durch

Wenn ich mich in Beruf und Privatleben so umschaue, dann sehe ich immer wieder zwei Hand in Hand gehende Mechanismen in unserer Kommunikation, die unser Zusammenkommen zu oft verhindern: Zum einen fressen wir Dinge in uns hinein, die besser mal gesagt werden sollten. Zum anderen sind wir so felsenfest von unseren Ansichten und Werten überzeugt, dass wir manchmal uns selbst nicht verstehen, von anderen ganz zu schweigen. In der Gestalttherapie nennt man diese zwei Mechanismen Retroflektion und Introjektion. Die gute Nachricht ist, dass wir uns dieser Mechanismen bewusst werden und damit über uns hinaus wachsen können...

Den ganzen Artikel auf www.weth.ch lesen >>

20. April 2012

Blinde Flecken und Kriege des Alltags

Andere kennen ist klug.
Sich selbst kennen ist weise.
Was ist der Keim eines jeden Konfliktes und was die Ursache des Scheiterns unserer Utopien? Urs Weth, Autor des Buches Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz?, weist uns heute auf alltägliche und ursprünglich ganz menschliche Impulse hin: Vorurteile und Abgrenzung gegenüber den vermeintlich anderen haben uns seit der Steinzeit ermöglicht, den Gruppenzusammenhalt zu bewahren und den Fortbestand des eigenen Stammes zu sichern. In einer modernen und globalisierten Welt wird uns das immer mehr zum Verhängnis, ob im Alltag mit vereitelten Freundschaften oder in Bruder-, Bürger- und Religionskriegen.

Jeder Mensch outet sich in seinem Leben mehr oder weniger für bestimmte Dinge, die er tut, fühlt oder denkt (...und die er sich einhandelt). Der Eine fühlt sich dem Buddhismus zugeneigt, der andere dem Christentum. Einer sympathisiert mit dieser Partei, der andere mit jener und ein dritter wieder mit einer anderen. Manche sind angetan von Eisenbahnen und Flugzeugen, wieder andere interessieren sich für Bewusstseinsfragen oder für Philosophie und Psychologie, sind "Sophen", "Isten", uvm.

14. April 2012

Burnout: Warum gerade jetzt?

Auf meinen Artikel Burn-Out-Kultur, Selbstreflexion und Eigenverantwortung, in dem ich die Aspekte der Eigenverantwortung und der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen untersucht hatte, gab es einige sehr interessante und wichtige Reaktionen, z.B. von Markus Väth und Olaf Hinz, die die strukturellen Ursachen von Burnout betonten. Die Warnung davor, die "Schuld" für solche Überforderung beim Individuum zu suchen und als Gesellschaft business as usual zu machen, ist absolut notwendig.

Warum brennen wir gerade jetzt aus?
Trotzdem werde ich die Frage nicht los, warum sich psychische Probleme im Zusammenhang mit der Arbeit gerade jetzt epidemisch zu häufen scheinen. In einer Zeit, wo Hierarchien flach sind, sich die Arbeit humanisiert, immer besser dem Arbeitenden angepasst werden kann, in einer Zeit, wo bei Vorgesetzten angeblich immer stärker darauf geachtet wird, dass sie auch Führungskompetenzen haben. Warum in einer Zeit, wo die Sinnsuche auch am Arbeitsplatz erlaubt, ja wo kreative Selbstverwirklichung geradezu erwartet wird? Warum sind Erschöpfung, Burnout und Depression unsere großen Plagen im beginnenden 21. Jahrhundert?

10. April 2012

Nine to Five: Wann darf ich nach Hause gehen?

Meine ehemalige Cheffin Sheryl Sandberg ist zur Zeit wieder in aller Munde, weil sie jetzt plötzlich öffentlich entdeckt hat, dass ein normaler achtstündiger Arbeitstag OK ist. So lustig das ist, solche Sätze von absoluten Killer-Karriere-Frauen (Chief of Staff im Finanzministerium der Vereinigten Staaten, Vice President bei Google, Facebook COO) zu hören, so sehr habe ich mich doch in ihren Schilderungen wieder gefunden: Die heimliche Scham, wenn man seine Sachen pünktlich packt; die Blicke und Bemerkungen der anderen aushalten, die länger bleiben; die spät abends und ganz früh morgens gesendeten E-Mails, um den anderen zu sagen, dass man noch arbeitet, auch wenn man schon zu Hause ist. Warum schämen wir uns und machen solche lächerlichen Dinge?

3. April 2012

Lars von Trier: Melancholia

Eine Rezension des Films Melancholia von Lars von Trier
Am Wochenende habe ich den Film Melancholia gesehen. In Ankündigungen wird der Film als Weltuntergangsdrama oder gar als Science Fiction bezeichnet. Denn ein fremder Planet - Melancholia - nähert sich der Erde aus der finsteren Leere des Weltalls, rauscht an ihr vorbei und wird durch die Erdgravitation in eine Kurve gezwungen, in der beide Planeten letztendlich kollidieren.

2. April 2012

Wechselwirkungen von Bewusstein und Kreativität

Der folgende Artikel erschien zuerst auf den Blog Der rauhe Stein (inzwischen offline) unter dem Titel Die Hemmer und Verstärker unserer Kreativität. Ich habe mir die Frage gestellt: Was fördert oder hemmt eigentlich unsere Kreativität und in welchem Zusammenhang steht das zu unserem Bewusstsein? Wenn Sie sich das ganze Blabla sparen wollen, können Sie auch gleich die 10 Tipps für mehr Kreativität lesen.

Kreative Visualisierung: Teilhabe an Bewusstsein und Kreativität

1. April 2012

Nietzsches große Gesundheit

Schuldgefühle jenseits von gut und böse

Nietzsche war krank: Augenschmerzen, Migräne, Magenschmerzen, Schlaflosigkeit und Depressionen quälten ihn die längste Zeit seines kurzen Lebens. Etwa ein Viertel dieses Lebens verbrachte er dann auch noch in geistiger Umnachtung. Er hatte nur etwa 30 Jahre um etwas zu schaffen. Und was für 30 Jahre das waren! Die Werke Siegmund Freuds, Carl Gustav Jungs, Jean-Paul Sartres, Michel Foucaults oder Thomas Manns wären ohne Nietzsches Wirken auf undenkbare Weise ärmer, jedenfalls anders ausgefallen. Was machte Nietzsche so einflussreich und was kann man heute von ihm fürs Leben lernen?

Hans Olde: Der kranke Nietzsche auf dem Balkon der Villa Silberblick, Sommer 1899 (Wikipedia)