Die Philosophie des Geistes ist seit der Antike über das Mittelalter bis heute sicherlich eines der interessantesten wissenschaftlichen Felder. Sie fragt nach der Beziehung zwischen Körper und Geist: Wie bedingt das eine das andere? Ihre Implikationen sind gewaltig und reichen von ganz privaten Fragen wie "Wer bin ich?" bis zu übergreifenden Themen von Moral und Gesellschaft rund um die Freiheit unseres Willens und die daran anschließende Frage, ob wir überhaupt für unser Tun verantwortlich gemacht werden können. Am Anfang steht aber die Frage, was das Ich überhaupt sei.
Das Ich als Facebook-Stream
Es gibt Gründe, warum wir uns als ein Ich erleben. Zum Beispiel die
Dauer: Ich war gestern derselbe wie heute und werde auch morgen noch Ich sein. Der
Freie Wille: Ich entscheide und handle selbstbestimmt und frei. Die
Persönliche Perspektive: Als Wahrnehmungseinheit stehe ich im Mittelpunkt meiner Welt und erlebe sie immer aus dieser Ich-Perspektive. Das Cockpit dafür scheint irgendwie hinter der Stirn zwischen meinen Augen zu sein. Aus solchen Erlebnissen bilden wir unser Ich. Offenbar hat Facebook mit der Time Line genau das versucht zu simulieren. Jeder User soll sich als ein Ich erleben, dessen vollständige und fortdauernde Repräsentation im Browser abgebildet wird. Wir finden hier genau dieselben Zusammenhänge: Unser Leben lässt sich in der Rückschau historisch erleben, die Fotos und Kommentare versichern uns unserer fortwährenden Existenz, wir haben sie dort willentlich gepostet und all das aus der Perspektive eines Ichs im Zentrum. Diese Analogie ist krass vereinfacht, aber sie läuft darauf hinaus, dass es ein Ich nicht einfach gibt, sondern dass es aus Informationen zusammengesetzt werden muss. Ein Ich prägt sich über die Zeit hinweg aus. Es ist kein Ding, sondern ein Vorgang, wie der Philosoph
Thomas Metzinger sagt.