Casey Klofstad von der Universität Miami hat in einem Versuch 17 Frauen und zehn Männer zwischen 20 und 60 Jahren folgenden Satz sagen lassen: "Ich bitte dich dringend, mich zu wählen." Dann erhöhten oder senkten die Forscher die Stimmlagen elektronisch und spielten sie anderen Menschen vor. Das Ergebnis war eindeutig:
"Sowohl die Männer als auch die Frauen der Studie nahmen weibliche Sprecherinnen mit höheren Stimmen als tendenziell weniger stark, kompetent und vertrauenswürdig wahr. Interessanterweise empfanden die Männer dies auch bei den höheren Männerstimmen so, die Frauen dagegen nicht – sie ordneten den tiefen Männerstimmen keine besseren Werte bezüglich dieser Eigenschaften zu [...] In diesem Zusammenhang könnte die von Natur aus höhere Stimme von Frauen eine der Ursachen dafür sein, warum sie in Führungspositionen unterrepräsentiert sind."Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen wollten lieber die Menschen mit den tiefen Stimmen wählen. Tiefe Stimmen bewirken ein Gefühl von Einheit und Miteinander, hohe und schrille Töne alarmieren hingegen und wirken nur in akuten Notsituationen überzeugend. Dann aber sehr, wie wir vom unabweisbaren Appell schreiend-hungriger Kinder wissen.
von Ingrid Amon |
Wir müssen anerkennen, dass Entscheidungen nie nur nach Kompetenzen getroffen werden. "Piepsen oder Brummen – natürlich entscheidet dieser Faktor nicht allein über Karrieren" (Der Bass der Bosse, SZ, 14.03.12). Aber die Ergebnisse der Studien von Casey Klofstad zeigen, dass man auch die Wahl von Führungskräften nur im Zusammenspiel mit biologischen Einflüssen verstehen kann. Die Stimme ist dafür nur ein Beispiel. Auf dem Marktplatz der Eliten wird es aber selten zu einer objektiv richtigen Entscheidung zugunsten kompetenter Mitarbeiterinnen kommen, wenn nicht alle der Beteiligten wissen, dass sie subjektiv und unbewusst gefärbte Entscheidungen treffen. Welche konkreten Regularien können hier Chancengleichheit herstellen, sodass die für unsere Kultur eigentlich unerheblichen biologischen Einflüsse zugunsten der viel wichtigeren Kompetenzen ausgeschaltet werden können?
Wie immer zum Internationalen Frauentag wurde auch dieses Jahr in Deutschland wieder eine hitzige und emotionale Debatte geführt, ob nun endlich eine Frauen-Quote in Führungspositionen eingeführt werden solle. Interessant finden wir, dass Frauen jetzt diese Debatten auf dem politischen Parkett unter sich ausfechten, ohne dass es die Sache voranzubringen scheint. Von den GegnerInnen einer solchen Regelung wird häufig argumentiert, dass weniger kompetente Kandidatinnen qua Quote bevorzugt werden. Dieses Argument ist komplett hinfällig, wenn wir zur Kenntnis nehmen, dass zur Zeit eben weniger kompetente männliche Kandidaten auch ohne Quote bevorzugt werden: Männer Cliquen bis zur Frührente.
1982 erschienen |
Auf der Seite der Kognitionswissenschaften sei der Unterschied zwischen Denken (männlich) und Fühlen (weiblich) ad absurdum geführt, Emotion und Intuition haben einen unerwarteten Aufstieg erfahren. Durch die Entdeckung der sogenannten Spiegelneuronen, die sozusagen die Hardware der Empathie zu sein scheinen, wurde auf ein Ideal der kooperativen und mitfühlenden Gesellschaft geschlossen.
Dieses Ideal hat sich besonders in den Management-Büchern für die Arbeitswelt (vorerst nur in Papier) materialisiert: Wertschätzung, flache Hierarchien, Manager unterstützen und beschützen ihre Teams, kommunikatives und situatives Führen und so weiter. Eilenbergers resignatives, aber allzu verständliches Fazit:
"Wüsste man es nicht besser, man wollte schwören, die Herrschaftsmanuale des zeitgenössischen Kapitalismus seien vor 30 Jahren von einer Selbsthilfegruppe stillender Mütter verfasst worden. An der faktischen Geschlechterverteilung in den Führungsetagen, für die diese Lehrbücher geschrieben werden, hat sich im Laufe der vergangenen 30 Jahre allerdings so gut wie nichts geändert, genauso wenig wie an den betreffenden Arbeitszeiten oder -bedingungen."Und da sind wir wieder an dem oben genannten Punkt, dass die Hoheiten in Politik (Arbeitsministerin vs. Familienministerin) und die in den Diskursen herzlich wenig an den Tatsachen zu ändern scheinen. Warum ist das so? Warum setzen die Frauen an der Macht nicht endlich die Quote durch? Offenbar wurde die Stimme, die Sprache überschätzt. Am Ende scheint es doch auf Machen anzukommen.
Mal mit dem Quatschen aufhören und einfach machen! (Retro Thing) |
Das ganze Gender-Gerede scheint wenig gefruchtet zu haben. Wir müssen uns daran gewöhnen, dass wir die Biologie der Geschlechter auf der einen Seite nicht ignorieren können und dass wir auf der anderen Seite viel stärker kulturell determiniert (und also immer auch änderbar) sind, als wir es oft glauben. Wir müssen verstehen, dass wir Frauen, Nerds, Förster und Leuchtturm-Wärter nicht ins Umerziehungslager schicken können, sondern sie so zu lassen haben, wie sie sind und vor allem sein möchten. Individuen wollen nicht unbedingt das, was wir ihnen in Geschlechterrollen zuschreiben und vielleicht auch nicht das Gegenteil: "Die Unzufriedenheit erwerbstätiger Frauen hat mich auch sehr überrascht."
Die Quote wird sicherlich kommen. Dass sie etwas an der tatsächlichen Geschäftspraxis ändert, ist nichts weiter als eine blasse Hoffnung. Wenn alles nichts hilft, vertrauen wir auf evolutionäre Vorgänge, die dafür sorgen werden, dass sich ein System qua Notwendigkeit und Wettbewerb bessert.
In der Zwischenzeit empfehlen wir: Mal mit dem Quatschen aufhören und einfach machen! Nehmen Sie Erziehungsurlaub. Gehen Sie pünktlich nach Hause. Lesen Sie Ihren Kleinen aus Büchern vor. Nehmen Sie Ihre Männer und Vorgesetzten in die Pflicht, greifen Sie nach der Macht im Büro. Und denken Sie dran: Sie haben (wahrscheinlich) nur dieses eine Leben. Am Ende wird es egal sein, was ihr Boss über Sie dachte. Es wird zählen, dass Sie bedeutungsvolle Beziehungen zu anderen Menschen hatten, dass Sie Zeit für sich hatten und Spaß, jede Menge Spaß und gute Laune. Die Gesellschaft wird folgen, wenn wir vorlegen. Nicht die Gesellschaft bestimmt uns, sondern wir machen die Gesellschaft.
Hinweis: am 20.3. um 12:43 wurde dieser Beitrag geändert.
Das Sie XING-Foren als schlechtes Beispiel nehmen frage ich Sie, was sie unter "archaisches Um-die-Wette-Pissen" meinen? Definieren Sie bitte mal dieses um zu Verstehen!
AntwortenLöschenNennen Sie mir ein Beispiel dafür...
Liebe Grüße
Francesco
PS. Ach ja, schade, dass Sie den Link herausgenommen haben. Man muss schon dazu stehen auf das was man schreibt, wie soll man Sie sonst ernst nehmen? Ansonsten gibt es eine effektiven Methode die heißt "Überlegen" das was die Foristen tun!
Ein XING'ler
PPS. Feine muss man sich Fair-Dienen, Freunden gibt's umsonst aber... wir Leben in eine Gesellschaft wo keine Freunde mehr gibt sondern nur Nachbarn.
Das verstehe ich unter: "archaisches um die Wette pissen" -im übertragenen Sinne natürlich:
AntwortenLöschenhttp://www.nachhaltigwirtschaften.net/scripts/basics/eco-world/wirtschaft/basics.prg?a_no=4948
http://ed.iiQii.de/gallery/ValueCreation/Chrom_Felge_wikipedia_org
oder iphone statt SUV:
http://ed.iiQii.de/gallery/KeyPerformance/kidneys_biology_arizona_edu
Im evolutionären Verständnis eher normal, nur bewusst machen sollte man sich das regelmäßig)
Innovative Grüße,
EF
So klingt übrigens die Perfekte Stimme:
AntwortenLöschenhttp://ed.iiQii.de/gallery/KeyPerformance/OratorPerfectus_wikipedia_org
bzw. so gelingt ein fesselnder Eindruck:
http://ed.iiQii.de/gallery/VictimsOfGroupThink/Orgel_abtei_ettal_de
Innovative Grüße,
EF
Nun habe ich mir die Shitstorm-Debatte auf XING doch gegönnt ;-)
AntwortenLöschenDie Haarzellen für hohe Töne sind womöglich tatsächlich nur bei Embryos erhöht,
mehr kann ich im Moment nicht rausbekommen....
ich kenne das Zitat und Buch von Ingrid Amon nicht genau genug.
Schade, der Nebensatz (wohlgemerkt!) mit Bezug auf XING war unnötig und lenkt nur vom Thema ab (siehe auch Teil 1: http://www.geistundgegenwart.de/2012/03/manner-cliquen-bis-zur-fruhrente.html ).
Schade auch, dass das Zitat aus der SZ und von Casey Klofstad nicht richtig in Anführungszeichen und im Fokus steht:
"Womöglich ... auch eine Erklärung... warum Frauen...seltener Führungspositionen besetzen...
Wer in der Besprechung herumpiepst, dem trauen offenbar männliche wie weibliche Kollegen nicht besonders viel zu...
Aber unsere Ergebnisse zeigen, dass man die Wahl von Führungskräften nur im Zusammenspiel mit biologischen Einflüssen verstehen kann"
Die biologischen Einflüsse sind doch in ihrer Vielzahl das Interessante weil meist Unbewusste...
Total interessant fand ich diese Aussage bei XING:
>man braucht sich mehr zu wundern, warum wir in D einen Mangel an Fachpersonal haben.
>"Lieber trinken wir Kamillentee und reden, als dass wir harte Fakten bearbeiten "
Das könnte nicht nur von mir sein, sondern IST von mir, in zahllosen BLOG-Beiträgen,
bei google plus und im Buch natürlich... verewigt.
Den Antagonismus zum Kamillentee trinken versteh ich trotzdem nicht ;-)
Da hat wohl jemand die NT- und NF-Charaktere verwechselt oder noch viel schlimmer: 'Den Anderen' das Existenzrecht abgesprochen, das mit großer Wahrscheinlichkeit ab Geburt geprägt ist..., so zu sein wie sie sind.
CG Jung hat man im übrigen dasselbe wie wohl Schemmer, Riemann, H. zur Hausen, Galileo etc. vorgehalten...
die wohl irgendwie aus den anerkannten Mustern ausscheren.
Am besten fnde ich immer noch die Haltungen von Curtius oder Stolberg:
http://ed.iiQii.de/gallery/Science-TheOnlyNews/ErnstRobertCurtius_uni_marburg_de
http://ed.iiQii.de/gallery/VictimsOfGroupThink/AlbertBorsig_wikipedia_org
nachzulesen auch bei der Rezension zu Jonah Lehrer: Prousts Madeleine:
http://www.geistundgegenwart.de/2011/11/jonah-lehrer-prousts-madeleine.html
Wir haben vielleicht einen shitstorm entfacht auf XING. Aber immer noch besser als bullshit zu verbreiten wie es in dem Artikel geschieht. Bullshit als philosophische3 Kategorie von Harry Frankfurt.
AntwortenLöschenErstaunt bin ich immer wieder wie Geisteswissenschaftler mit Fakten umgehen. Besonders, wenn sie aus den Naturwissenschaften oder wie hier aus den Kognitionswissenschaften (die keine Naturwissenschaft ist) stammen: Was ins eigene Weltbild passt, wird aufgenommen. Was nicht passt, bleibt draußen. Mal abgesehen, dass die naturwissenchaftlichen Zusammenhänge kaum verstanden werden.
PS: CG Jung in einem Atemzug mit Galileo? Au weia.
KLG Ernst Wilde
Der Moderator des XING-Forums