Agitprop: Keine Gerüchte! Klatsch ist Landesverrat. |
Trotzdem verdammen alle Weltreligionen die Gerüchteküche, die Gesellschaft insgesamt sieht Klatsch und Tratsch als etwas negatives, schon ein Wort wie Waschweiber zeigt das. Dennoch machen Gerüchte zwischen 20% und über 60% unserer Kommunikation aus, übrigens unabhängig vom Geschlecht. Manche klatschen und tratschen sogar so viel, dass es ihnen gar nicht mehr auffällt, dort ist es einfach nur noch äquivalent mit Kommunikation.
Was sind Gerüchte?
Gerüchte entstehen, wenn mindestens zwei Leute über jemanden reden, der nicht da ist oder über Gegebenheiten spekulieren, die unklar sind. Normalerweise findet es in einem vertraulichen Rahmen statt, eben weil man aufgrund der unklaren Informationslage oder der vermeintlichen Peinlichkeiten nicht offen reden kann. Dieser Rahmen wird in der Regel schnell gesprengt und die Interpretationen mutieren, denn Gerüchte verbreiten sich schnell nach dem Stille-Post-Prinzip. Ein weiterer Aspekt der Gerüchte ist die Skandalisierung. Alles was gerüchteweise kommuniziert wird, ist in der Regel spektakulär, unerhört oder sonst irgendwie skandalös.
Wenn Gerüchte die Kommunikation dominieren
Was im gesellschaftlichen Rahmen manchmal nervt, aber irgendwie auch normal ist, kann in Systemen wie dem Büro oder der Firma, schnell eine vergiftende Wirkung erzielen. Dazu muss man verstehen, dass es weniger die Schuld der Gerüchtemacher ist, als die Schuld derer, die die Kommunikationsbedingungen in einem Unternehmen schaffen oder kontrollieren. Exzessive Gerüchte verdrängen in der Regel nicht die wahrhaftige Kommunikation, sondern füllen diese auf, wo Transparenz und nötige Information fehlen. Nirgends sonst muss man sich in seinem Handeln so sehr an sachlicher Information orientieren wie im Arbeitsumfeld. Fehlt etwa das Wissen über Strategie und Ziele einer wirtschaftlichen Unternehmung, dann sind die Betroffenen in einer Situation, wo sie sich Ereignisse und Entwicklungen durch Spekulation erklären müssen. F: Warum wurde der alte Chef zur Seite geschoben und jetzt kommt dieser junge Schnösel? A: Hier soll sicher richtig Kahlschlag gemacht werden. Solche Fragen und Antworten stecken voller wertender Spekulationen: "zur Seite geschoben", "Schnösel", "Kahlschlag". Hätte der Chef hier richtig erklärt, warum jemand geht und was die objektiven Pläne und deren Zielvorstellungen sind, dann wäre es eventuell nur ein Führungswechsel zum Wohle aller.
Warum sind Tratsch und Gerüchte gefährlich?
Wer mit seinen Kollegen über Dritte tratscht, muss sich darüber im Klaren sein, dass die Kollegen davon ausgehen, dass auch über sie getratscht wird. Die große Gefahr hier ist, dass das gegenseitige Vertrauen schwindet und jeder seine Informationen nur noch strategisch nutzt. Weitere Nebenwirkungen sind Spaltungen im Team, Verlust des guten professionellen Rufs, verletzte Gefühle, sinkende Moral und verringerte Produktivität.
Gerüchte in Teams oder Unternehmen sind systemisch gefährlich. Die skandalisierte Interpretation bruchstückhafter Informationen schürt Ängste, demoralisiert die Mitarbeiter und führt zur Abwanderung der fähigsten Leute. Manager können solche Folgen nur durch Transparenz und Kommunikation verhindern. Gerüchte gedeihen im Dunkel der Ahnungslosigkeit. Klare und deutliche Information macht mit einem Schlag Schluss mit dem Gerede. Selbst wenn die Wahrheit schmerzhaft sein sollte, muss sie aus Respekt und Fairness den Betroffenen gegenüber schnell und deutlich kommuniziert werden. In der regel ist sie ohnehin weniger tragisch, als die Gerüchte es vermuten lassen würden. Als Dank für Transparenz erhält man klare Verhältnisse und bestenfalls die Unterstützung der Mitarbeiter.
Was kann man gegen Gerüchte tun?
- Nicht mitmachen! Man kann beruhigen und daraufhin deuten, dass es Spekulationen sind.
- Herausfinden, wo die Ursache liegt. Meistens sind es fehlende Informationen.
- Abwarten, oft verschwinden Klatsch und Tratsch auch wieder.
- Aufklären, wenn die Gerüchte zunehmen: Wenn man nicht selbst die Unklarheiten beseitigen kann, dann kann man immer seinen Vorgesetzten darauf hindeuten und um Aufklärung bitten.
- Wenn man selbst der Chef ist, sollte man keine Gerüchte dulden. Ganz deutlich sollte man Informationen von Mitarbeitern über andere Mitarbeiter ablehnen, wenn sie die Form von Gerüchten haben und keine Beispiele aus erster Hand plausibel erbracht werden. Hält man das durch, wird der Flurfunk abebben.
Wie gesagt: Gerüchte sind nicht immer schlimm, sondern oft auch eine übliche Kommunikationsform, wo immer mehre Menschen zusammenkommen. Sollten wir jedoch auf der Arbeit vermehrt Gerüchten begegnen, dann müssen die Alarmglocken schrillen: Es läuft irgend etwas schief und wenn man nicht aufpasst gerät es außer Kontrolle. Was ist ihre Erfahrung mit Gerüchten? Ist es Unterhaltung, Informationsquelle, Machtwerkzeug oder destruktive Täuschung? Wie gehen Sie mit Flurfunk, Klatsch und Tratsch um? Ich bin neugierig auf Ihre Kommentare.
Sehr aufschlussreicher Artikel! Ich habe erlebt, dass eine Unternehmensleitung Gerüchte als Instrument nutzte, um eines schönen Tages unliebsame Veränderungen (über die richtigerweise in der Belegschaft heftig spekuliert wurde) einzuführen. Es trat dann genau das ein, das alle schon befürchtet hatten. Doch wirkte die Tatsache, dass die Unternehmensleitung irgendwann Klartext verlauten ließ, wie eine Befreiung. Gerüchtekochen nervt nämlich immens. Von den Ängsten, die geschürt werden, wenn es die Beschäftigten betrifft mal ganz zu schweigen. Aber wenn alle "Köche" dann endlich einmal erfuhren, woran sie konkret sind, war die neu geschaffene Tatsache, vor der man sich sehr gefürchtet hatte, nur noch einen Bruchteil so schlimm, wie während des Gerüchtekochens gedacht.
AntwortenLöschenIch persönlich halte davon gar nichts!!!
Transparenz und die damit verbundene Klarheit schaffen - auch wenn es um unangenehme Angelegenheiten geht - Vertrauen. Der Energieverlust arbeitender Menschen während bewusst produzierter Unsicherheit und Angst, ist immens und geht auf Dauer letztlich wieder zulasten eines Arbeitgebers.
Super Artikel!
AntwortenLöschenIch gebe AF recht, es ist für iNtuitive Typen total nervig und eine Zumutung. Ausserdem verändert Klatsch und Tratsch unsere Wahrnehmung, also höchst bedenklich:
Wie der Sozialpsychologe Eric Anderson von der Northeastern University in Boston nun in einem raffinierten Experiment zeigen konnte, fesselt Klatsch aber nicht nur unsere Ohren: Auch unser Sehsystem lässt sich von der Gerüchteküche beeinflussen. Demnach schenken wir den Gesichtern von fremden Personen sehr viel mehr Aufmerksamkeit, wenn wir zuvor etwas Negatives über sie gehört haben. „Gerüchte beeinflussen nicht nur, was wir bezüglich einer Person denken oder fühlen, sondern auch, inwieweit wir sie überhaupt erst wahrnehmen“
http://www.wissenschaft.de/wissenschaft/news/313550.html
"Stets begleiten Zweifel den Menschen durch sein Leben. Und wie lassen sich Zweifel etwa an der Richtigkeit einer Information ausräumen?
Durch die Wahrheit, nichts als die Wahrheit. Doch selbst das ist Wunschdenken...
Demnach vertrauen selbst Menschen, die über sämtliche relevanten Informationen verfügen, am Ende doch oft Gerüchten und nicht den objektiven Fakten...
„Klatsch und Tratsch haben ein starkes manipulatives Potential”
http://ed.iiQii.de/gallery/Science-TheOnlyNews/RalfSommerfeld_mpil_ploen_mpg_de
Trotzdem gibt es Details, die in der Personalentwicklung kaum zu ignorieren sind:
http://www.innovations-report.de/html/berichte/gesellschaftswissenschaften/bericht-92938.html
Ja, Gerüchte gibt es in unserem Büro jede Menge. Das Schlimme ist, dass teilweise unser Vorgesetzter selbst die Gerüchte in die Welt setzt und es dann irgendwann in sehr veränderter Form wieder zurück kommt.
LöschenIch finde es scheusslich Gerüchte zu verbreiten, ertappe mich jedoch manchmal selbst beim Tratschen!