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17. August 2011

Nichts los. Und was macht eigentlich mein Gehirn gerade?

Das Gehirn ist kein passives Organ, das im Schädel sitzt und nichts tut, bis äußere Reize kommen, mit denen es sich beschäftigen könnte. Ganz im Gegenteil: Das Gehirn ist enorm aktiv, selbst wenn wir "abschalten" und sogar wenn wir anästhesiert werden. Diese Gehirnaktivität bei sensorischer Inaktivität und selbst bei ausgeschaltetem Bewusstsein (der sogenannte default mode*) ist erstaunlich, denn man könnte meinen, das Hirn hat doch gar nichts zu verarbeiten, im Koma nicht einmal Tagträume. Zwischen 60 und 80% des Energieverbrauchs unseres Gehirn gehen lediglich für dieses Hintergrundrauschen drauf. Nur 0,5 bis 1%, so wird geschätzt, werden hingegen für Verarbeitung spontaner Umweltreize benötigt. Übrigens benötigt das Gehirn insgesamt etwa 20% der im Körper zur Verfügung gestellten Energie.

Brain ventricles 4
Robert Fludd: Geist und Bewusstsein
Antizipation - das Gehirn als Raubtier
Mögliche Funktionen auf die dieses Hintergrundrauschen zurückgehen könnten, sind das Aufrechterhalten eines rezeptiven Zustands mit vorrätigen Informationen, um plötzliche Reize interpretieren zu können. Auch die ständige Bereitschaft, mögliche Umweltveränderungen vorhersagen zu können, könnte an solchem Energieverbrauch teilhaben. David Ingvar hat dazu den Begriff "Memory of the Future" geprägt: Erinnerung an die Zukunft. Wie ein Raubtier liegt das Gehirn ständig auf der Lauer und ist auf alle Eventualitäten vorbereitet.

Introspektion - das reichhaltige Innenleben
Eine weitere Funktion - allerdings nur, wenn wir nicht im Koma sind - könnte die der Introspektion sein, also das von akuten Ereignissen unabhängige Nachdenken über uns selbst. Es löst Konflikte und bringt Assoziationen und vorerst nicht im Zusammenhang stehende Gedanken und Ideen zusammen. Es ist dieses reiche innere Leben, das uns introvertierten Persönlichkeiten so wichtig ist. Das Hintergrundrauschen nimmt ab, wenn wir unter traumatischen Zuständen leiden. Das führt dazu, dass wir uns innerlich leer fühlen, abgestorben und abgestumpft.

Achtsamkeit für ein stabiles Grundrauschen
Bewusstes Ausführen von Bewegungen, Yoga und Meditation, Atemübungen und eine generelle Achtsamkeit bei der Bewältigung des Alltags, helfen uns ein stabiles Grundrauschen und damit eine gesunde Psyche aufrecht zu erhalten oder wieder herzustellen (siehe auch Achtsamkeitsbasierte Übungen gegen Stress). Nebenbei: Durch bewusstes Wahrnehmen und Handeln erhöhen wir nicht nur generell unser Wohlbefinden und unsere Freude an Welt und Dasein. Wir machen dadurch auch weniger Fehler, verlegen und vergessen nicht ständig alles und sorgen für einen intensiveren Umgang mit unseren Mitmenschen. Unser Gehirn jedenfalls ist immer zum Sprung bereit!

Das Gehirn, gefangen in Platons Höhle: http://xkcd.com/876/



*A default mode of brain function: A brief history of an evolving idea (PDF) von Raichle und Snyder

2 Kommentare:

  1. Das Comic ist schuld daran, daß ich meinen Tee gegen den Monitor gepustet habe ;-)
    Mal wieder ein sehr schöner Beitrag.
    Mich persönlich interessiert insbesondere der Zusammenhang zwischen Hintergrundrauschen und Traumata.

    Als Rauschen habe ich bisher immer meinen permanent im Hintergrund herumabstrahierenden/ analysierenden Verstand wahrgenommen, der mich oft schwer zur Ruhe kommen lässt.
    Wenn ich Deinen Artikel richtig verstehe, ist der eigentlich gar nicht das Hintergrundrauschen sondern er ist das, was das Hintergrundrauschen überdeckt bzw. zum Abnehmen bringt.

    Das klingt äußerst plausibel, mit traumatischen Erlebnissen kann ich dank meiner Zeit auf einem Streifenwagen zu Hauf dienen.

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  2. Hallo Jan,

    ich empfehle dir den Artikel A default mode of brain function: A brief history of an evolving idea von Marcus E. Raichle und Abraham Z. Snyder. Der lag meinem kurzen Artikel zugrunde und sollte dir mehr Details zu deinen Fragen liefern.

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