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5. Juli 2011

Wie man alles im Kopf behält

Es ist alles ziemlich chaotisch, was da so in meinem Kopf passiert. Vor allem bin ich unheimlich vergesslich. Wie ich bereits schrieb, glaube ich, dass das auch ein Segen sein kann. Trotzdem gibt es ja in unserem Alltag viele Dinge, die wir nicht vergessen sollten, weil wir sie jemandem versprochen haben, weil wir sonst mit dem Gesetz in Konflikt kommen oder weil es ein Geburtstag oder unser Hochzeitstag ist. Generell hilft es, die eigenen Prioritäten bewusst zu setzen und für sich zu entscheiden, welche Dinge man erinnern möchte. Für den Kleinkram, der übrig bleibt, habe ich ein paar hilfreiche Strategien...

Von Kleinkram überfordert (Quelle: Eigenes Bild)
  1. Filtern lassen (die Minimal-Strategie): Die Erinnerungen, denen man nicht extra nachhilft, sind sehr kontextsensitiv und an Emotionen und Assoziationen gebunden. Das Hirn filtert über Tag und Nacht das Wichtige vom Unwichtigen und fördert Erinnerungswürdiges wieder zutage, wenn der Kontext stimmt. Darauf kann man sich verlassen. Auf der Arbeit funktioniere ich in der Regel so, dass mir die Sachen, die ich noch machen wollte oder sollte, einfach wieder zu einem günstigen Zeitpunkt einfallen. Wenn nicht, dann werden sie nicht besonders wichtig gewesen sein. 
  2. Sich auf andere verlassen (die Gruppen-Strategie): Es passiert dabei, dass mein Hirn etwas rausgefiltert hat - also als nicht so wichtig eingestuft hat-, was andere aber wichtig fanden. Die erinnern mich dann öfter mal daran, dass ich doch noch dies oder das rumschicken wollte. Davor sollte man keine Angst haben. Dafür sind wir ja Menschen, die in Gruppen leben und arbeiten.
  3. To-Do-Zettel schreiben (die Büro-Strategie): Zettel funktionieren bei mir kurzfristig ganz gut. Besonders, wenn ich diese kleinen gelben Zettel irgendwo dranklebe, wo sie mir im Weg sind. Bei mir am Zahnputzbecher steht zum Beispiel: "Einbeinig!" (Die Physiotherapeutin hat mir die Übung aufgegeben, mir die Zähne auf einem Bein stehend zu putzen.) Mehr als drei gelbe Zettel sollten es aber nicht sein, denn dann verlieren sie ihre Signalwirkung. Auch eine To-Do-Liste für den Tag geht ganz gut, wenn ich sie immer vor der Nase habe, z.B. auf dem Schreibtisch. Für längere Zeitabstände brauche ich aber aktive Listen, die sich nicht darauf verlassen, von mir zur Hand genommen zu werden.
  4. Technik nutzen (the 21st Century Strategy): Für die wirklich wichtigen und längerfristigen Dinge, die ich auf jeden Fall vergessen würde, aber nicht darf (z.B. Termine), verlasse mich meistens auf die Technik um mich herum. Ich habe ein Android-Phone mit der besten aller Apps: Astrid. Man kann nicht nur seine noch zu erledigenden Dinge notieren, man kann sie auch kategorieren, archivieren und - meine Lieblingsfunktion - mit einem bestimmten Datum und einer genauen Zeit versehen, zu der Astrid sich dann auf dem Handy bemerkbar macht. Dort vermerke ich alles: Von der Einkaufsliste bis zu den Geburtstagen und meinen Geschenkideen. Und das beste: Keine Zettel. Ich nutze auch Online-Kalender, Cloud-Dokumente oder E-Mails mit Erinnerungen, die ich mir selber schicke. Wenn ich eine Idee für einen neuen Artikel habe, drafte ich den einfach, indem ich nur eine Überschrift in meinem Blog-Tool angebe. Aus manchen solcher Drafts wird später mal ein richtiger Artikel. Bei diesen technisch aufgezeichneten Erinnerungen ist es wichtig, dass man die erledigten oder obsoleten Erinnerungen entfernt oder archiviert, denn sonst müllt man sich zu. 
  5. Schreiben (die Proust-Strategie): Für Ideen oder Momentbeobachtungen habe ich auch ein Notizbuch. Ich weiß nur nach meinem Umzug gerade nicht, wo es ist. Ich habe auch ein größeres Buch, in dem ich mir vom Französischen übernommene deutsche Vokabeln notiere (Bredouille muss ich noch eintragen). Einfach aus der Lust am Sammeln. Vielleicht schreibe ich auch eines Tages eine Geschichte, die nur aus solchen Bonmots besteht. Schreiben ist überhaupt die beste Mnemotechnik. Wenn ich irgend etwas auf lange erinnern möchte, dann schreibe ich einfach darüber. Schreiben veräußerlicht und verinnerlicht gleichermaßen. Es strukturiert die Gedanken und bringt verschiedene Hirnareale zur selben Zeit zum Klingen. Durch diesen Gleichklang der visuellen, verbalen und motorischen Zahnräder plus eine Prise Emotionen zementieren sich Erinnerungen. 
Ich will noch einmal betonen, wie wichtig bewusstes Leben mit bewussten Entscheidungen für unsere Erinnerungen sind. Wenn man etwas wirklich erledigen will und es gegen andere weniger wichtige Sachen abgewogen hat, dann wird man es auch nicht vergessen. Die fünf Strategien oben sind für die kleinen Dinge am Rande. Welche Strategien haben Sie? Schreiben Sie einen Kommentar! 

4 Kommentare:

  1. "Wie man alles im Kopf behält" liest sich für mich sehr genormt. Welchem Wert des DIN möchtest du entsprechen und welche Werte sind DIR wichtig?
    Das DASEIN eines Menschen unterteilt das Leben in verschiedene Kontexte. In jedem dieser Kontexte versucht man so gut wie möglich zu sein, je nach Ausstattung des Möglichen. Um dies erfüllen zu können, muss man sich einlassen können - immer auf die Gefahr der sich nicht gleichenden Situationen - immer eben nicht genormt und vorher antrainiert.
    Lässt man sich auf sein Leben ein oder lässt man sich auf die Erfahrungswerte und Anpassungsmechanismen, die vorher gelebt wurden ein?
    Für mich ist das eine absolut extentielle Frage!
    Die Leistung, die das Hirn in Beziehung zur Arbeit, die das Hirn in Beziehung zu wichtigen Komponenten in unserem persönlichen Leben und daraus wiedrum in Kontakt steht mit Erinnerung und Reflexion, funkioniert ja meistens.
    Es spielt ja eher eine "Rolle" - in wie weit wir als Person, uns in diesem oder jenem Komplex finden oder nicht, oder wir in der Lage sind ihn zu verinnerlichen.
    Ich plädiere für die instinktive Verlässlichkeit, sie ist Anzeiger jeder Wertschätzung.
    Es kann noch so gute Strategien geben, die beste Strategie wächst durch Achtung der sich verändernden Werte innerhalb eines Lebens und der Rezeption, mit Mühe der sich anschließenden Reflexion (das ist kompliziert).
    Da hast du doch schon vorher vom FLUSS geschrieben (und gehst hier einen Schritt zurück)!
    FAZIT: Bewusst Leben bedeutet nicht gleich BEWUSST Entscheidungen treffen und bedeutet nicht gleich, dass wir dies bewusst erinnern!
    (S.Z.)

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  2. Bewusst leben und bewusst entscheiden haben in meinem Leben eine ebenso große Bedeutung wie der Fluss, das treiben lassen. Alles hat seine Zeit und Gelegenheit. Es gibt nicht die eine Lösung für alles im Leben.

    "Die beste Strategie wächst durch Achtung der sich verändernden Werte innerhalb eines Lebens..." Das sehe ich auch so. Das, was ich vor allem sagen will ist: Verlass dich auf dein Gedächtnis. Wenn was durchs Sieb fällt, ist das kein Drama. Wir sind alle Menschen. Lass es fließen. Falls du befürchtest, die kleinen Dinge zu vergessen, hier sind ein paar Dinge, die mir helfen. Und werde dir bewusst über die großen Dinge.

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  3. "Es gibt nicht die eine Lösung für alles im Leben." - Dieser Satz gefällt mir gut! Er gefällt wahrscheinlich 99% unserer Gesellschaft gut. Er lässt "Spielraum" zu, das ist nicht anstrengend - jeder kann mit oder ohne oder auch mittendrin statt nur... mal endgültig ein Meinungsbild zu seiner Person entwerfen und auch ehrlich Verantwortung innerhalb der oder dies oder das.
    Wenn der Komplex Leben, in Vielschichtigkeit und trotzdem summa summarum eine Einheit bilden soll, wäre es meines Erachtens nach wichtig, die Zulänglichkeit der Aufstellung des eigenen Lebens zu prüfen - sich selbst prüfen, sich zu überschauen, sich reden UND leben hören und sehen.
    Das klingt vielleicht komisch - ist es ganz und gar nicht. Wenn wir uns in der Lage befinden alles was uns umgibt zu betrachten, zu besprechen und zu bedenken - dann sind wir fein raus. Der bewusste Kontakt, in jeder Hinsicht, ist absolut anstrebenswert. (S.Z.)

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  4. "Die eine Lösung im Leben", die "Endgültigkeit", das "Schwarz und Weiß", "Entweder/Oder" - das sind im Grunde die weniger anstrengenden Konzepte. Sie vereinfachen die Sichtweise auf die Welt und verhindern durch endgültige Festschreibung ein weiteres und immer neues Reflektieren.

    Wenn man akzeptiert, dass es "die Wahrheit" nicht gibt, dass unsere Welt, die Menschen, wir und unsere Moralen weder gut noch böse, sondern vielgestaltig sind, dann muss man sein Meinungsbild immer neu entwerfen, anpassen.

    Für mich ist das der Garant gegen die Tyrannei der privaten und gesellschaftlichen Ideologie.

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