In der ZEIT las ich eine Besprechung eines Buches, das die These aufstellt, dass ein durch Gruppenzwang hervorgerufener "Sinnstiftungszwang" im Beruf uns unter Stress setzt und letztlich unglücklich macht.
Wo treibt's mich als nächstes hin? (xkcd Comic) |
Seit ich in der Internet-Branche arbeite, fällt mir schon auf, unter welchem Druck wir als Mitarbeiter stehen. Da ist vor allem die klare Vorgabe, dass es nicht reicht, einfach nur seinen Job zu tun. Man muss ihn nicht nur von Quartal zu Quartal immer besser machen, man muss auch immer mehr davon machen und nebenbei noch Projekte betreuen, die "nice to have" sind. Solche Projekte sind also nicht unbedingt nötig, aber ein toller Ausweis von stetiger Weiterentwicklung und von Führungsqualitäten (Projektmanagement). Hat man eine Weile keine solcher Projekte gemacht, dann muss man sich schon schief ankucken lassen. Zeigt man auch nach einiger Zeit entsprechenden Feedbacks keine Ambitionen, dann kann es gut vorkommen, dass man "aus der Firma gemanagt" wird (managing out)...
Druck, Anspruch und Innovation
Als Manager bin ich da selbst hin und her gerissen. Ich denke, dass solche Anforderungen unsere Jobs interessant machen. Ich habe selbst in meinen ersten Jahren vor allem deshalb viel gelernt, weil ich nicht nur meine Aufgaben von 9 bis 17 Uhr erledigt habe, sondern weil ich mich interessanten Ideen am Rande gewidmet habe und immer bemüht war, die stumpfen Arbeitsgänge zu automatisieren, sodass ich mehr Zeit für interessante Projekte hatte. Außerdem handelt es sich in dieser Branche sehr oft um Einstiegspositionen, die von jungen Uni-Absolventen eingenommen werden. Einstiegspositionen sind per Definition unter anderem dazu da, sich zu entwickeln, dazuzulernen und Projektmanagementfähigkeiten auszubilden. Wer da einfach nur seinen Job machen will (z.B. XML-Daten-Feeds auf Richtlinieneinhaltung für Suchmaschinen zu überprüfen), der lernt nichts und wird schnell frustriert das Handtuch werfen. Zum dritten - aus der Managementperspektive - kann man ein innovatives Unternehmen nur dann führen, wenn man einen hohen Prozentsatz an innovativen Mitarbeitern hat. Von Mitarbeitern, die nur über die Runden kommen wollen, kann man sich nur wenige leisten. Werden sie viele, dann haben sie einen entsprechenden Einfluss auf die Team-Moral und die innovative Kultur leidet.
Recht auf langweilige Arbeit
Auf der anderen Seite finde ich, dass es jedem selbst überlassen sein muss, wie sehr man sich mit der Arbeit identifiziert. Wenn jemand eben nur seine Aufgaben erledigen will und dann in der Freizeit seine Selbstbestätigung findet, ist das doch auch OK. Mag nur sein, dass bestimmte Jobs in innovativen Branchen sich dazu nicht eignen. Aber mehr als nur seinen Job zu machen, ist eben nicht nur die Anforderung des Arbeitgebers, sondern auch die Hoffnung der meisten Arbeitnehmer. Es kann schon sein, dass bei vielen eine Art Gruppenzwang dahinter steht. Sie haben studiert und wollen hinter den Kommilitoninnen und Kommilitonen nicht zurückstehen. Aber drehen wir das als Gedankenexperiment einmal um: Was ist denn der Reiz an einem Job, der uns nicht fordert, wo wir nichts lernen, an dem wir nicht wachsen, wo es keinen Unterschied macht, ob wir ihn ausführen oder jemand anders? Anders gefragt: Wer will schon einen langweiligen Job?
Wo kommt der Stress her?
Die Frage, ob man sich davon stressen lässt, ist eine ganz andere. Es erschließt sich mir nicht, dass ein anspruchsvoller Job zwangsläufig stressiger ist oder mehr von meiner Freizeit erfordert. Viele Menschen lassen sich von allem Möglichen stressen. Andere bleiben selbst in den hektischsten Zeiten locker. Auf der Arbeit stressen uns vor allem Angst, Konflikte, Kontrollverlust und ein unprofessioneller Umgang unter Kollegen und Vorgesetzten. Das gilt bei einem monotonen Job in der Fabrik oder der Supermarktkasse genauso wie in der Verlags- oder Werbebranche. Historisch gesehen ist die Emanzipation der stumpfen Arbeitskraft zum Mitarbeiter, dessen Meinung und Kreativität gefragt ist, sicherlich kein Rückschritt.
Die Herausforderung: Das Leben selbst gestalten
"Man müsse lernen, zu verzichten, 'nein' zu sagen, Kompromisse zu finden, seine Wünsche und Sehnsüchte kennenzulernen und ihnen zu folgen," heißt es in dem Artikel. Dass man sich selbst kennen lernen und aufpassen muss, dass man nicht aus einem Gruppenzwang heraus ein Leben führt, das einem gar nicht steht, ist natürlich wahr und gilt für alle Lebensbereiche. Gestaltet man das Leben, dass zu einem passt, dann hat man auch den Stress im Griff.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen