Klare Formen, Platz und Licht |
Höhlen oder Hallen
Das gilt auch für die Wohnungen. Ich habe mir in Leipzig einige Wohnungen von Maklern zeigen lassen und ich war bei fast jeder Wohnung erstaunt vom Platzangebot. Das war ich einfach nicht mehr gewohnt. Außerdem ist mir aufgefallen, dass alle Wohnungen entweder in die Kategorie "Höhle" (gemütlich, warm, etwas verwinkelt und manchmal dunkel) oder in die Kategorie "Halle" (groß, rechteckig, hell, klar und etwas steril anmutend) fielen. Ganz deutlich war ich immer von der zweiten Kategorie angezogen, ich ziehe die Klarheit, das Kühle eindeutig der erdigen Wärme und Gemütlichkeit vor.
Architektur ist idealisisch
Ich lese gerade dss Buch "The Architecture of Happiness" von Alain de Botton. Der behauptet, dass es in der Architektur wie in der Kunst die zwei Gegensätze von Naturalismus und Abstraktion gibt. Ich glaube, das entspricht in etwa meiner Beobachtung von gemütlicher Höhle vs. schlichter Halle. Im Grunde ist die Halle ein abstrakt geplantes Kulturkonstrukt, während die Höhle eine gewachsene Unterkunft ist, in die man einzieht, ohne sie vorher geplant zu haben.
De Botton meint, dass wir in Kunst und Architektur das suchen, was wir vermissen oder anstreben. Architektur, die wir mögen, verkörpert unsere Ideale. Da ist etwas dran: Ich benötige kühle Klarheit in meinem Leben, das Dumpfe und Gemütliche, das Warme verschafft mir ein beengendes Gefühl. Ich benötige klare Formen und Regeln, um mich zu orientieren. Wenn ich in eine gemütliche kleine Hütte komme, dann kann ich das Gefühl der Geborgenheit für ein paar Minuten genießen, dann muss ich aber raus an die frische Luft. Wenn ich in eine der großen und hellen modernen Wohnungen komme, dann merke ich, wie ich tief atme, wie ich mich auch körperlich aufrichte und wie mein Geist frei wird im Anblick der klaren und großzügigen Formen.
Artgerecht leben in Ästhetik und Praxis
Architektur ist zum einen ästhetisch zugänglich, zum anderen muss sie sich aber auch in der Praxis bewähren, schließlich lebt man in ihr und möchte produktiv sein. Aus dieser Komplexität heraus hat sie solch einen enormen Einfluss auf unser Leben und Wohlbefinden. Als Tourist durch ein mittelalterliches Städtchen mit seinen romantischen Gassen und Häuschen mit Miniaturfenstern zu schlendern, ist die eine Sache. In einer modernen Stadt mit Platz, Licht, Grün, Fahrradwegen und freundlichen Quartieren zu leben und arbeiten, ist eine andere Sache. Tourist will ich nur drei Wochen im Jahr sein, die restliche Zeit möchte ich "artgerecht" leben.
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