Gustave Moreau: Hesiod und die Muse |
Kreativität kommt von machen
Und dort ist schon die erste Antwort auf die Frage, wie wir kreativer werden können: Wir müssen einfach etwas erschaffen. Man spannt die Karre vor das Pferd, wenn man sagt: "Ich kann nicht malen, denn ich bin nicht so kreativ." Einfach los malen, fotografieren, musizieren, kombinieren, die Kreativität entsteht daraus und aus der fortgesetzten Auseinandersetzung mit der Materie und anderen kreativen Menschen. Das Geheimnis der Kreativität ist in der Tat das Kombinieren und Re-kombinieren. Auf unsere Wahrnehmung und Gedanken angewendet heißt das Verfahren Assoziation: Etwas zusammenbringen, was auf den ersten Blick nicht zusammen zu gehen scheint.
Kreativität und technische Machbarkeit
Die digitalen Medien und das Internet kommen uns heute dabei zu Hilfe. Noch nie war es so einfach und preiswert, sich mit Inspiration aus aller Welt zu versorgen und Musik, Bilder oder Videos zu bearbeiten, zu mixen, zu verfremden und am Ende sogar unter die Leute zu bringen. Nie zuvor war es einfacher und billiger, Texte zu veröffentlichen, sogar als Bücher drucken zu lassen. Jeder kann einen Blog eröffnen und zum Reporter oder Filmkritiker werden, jeder kann einen YouTube-Kanal eröffnen und zum Regisseur, Comedian oder Schauspieler werden. Was jedoch nicht einfacher geworden ist: Man muss sich vom bloßen Konsumieren von Medien losreißen und mit auf die Seite der Produzenten stellen. Dank der Technik sind die Möglichkeiten dafür gegeben - es gibt keine Ausrede für den inneren Schweinehund.
Der wahre Kern von Genie und Wahnsinn?
Ich habe die Rede vom Genie, das angeblich dicht beim Wahnsinn liegt, immer für bescheuert gehalten. Es ist einerseits eine Ausrede: "Warum bin ich nicht kreativ? Weil ich gesund bin!" Und es ist andererseits eine Herablassung gegenüber jenen Menschen, denen wir offenbar nicht das Wasser reichen können: "Der ist eben verrückt!" Einen wahren Kern hat diese unselige Übertreibung jedoch. Wenn wir das Wort "verrückt" betrachten, kommen wir ihm näher: Wer seine Perspektive auf die Welt etwas verrückt, der hat eine wichtige Voraussetzung für Kreativität geschaffen. Auch von Gesellschaften ausgegrenzt zu sein, hilft dabei, kreativ zu denken. Reisen Sie mal alleine in ein fremdes Land. Sie werden sehen, wie sehr Ihnen das zu ungeahnten Assoziationen und Kreativität verhilft. Dazu gehört natürlich auch das Thema Drogen und wie sie die Wahrnehmung verschieben. Aus eigener Erfahrung kann ich dazu nur sagen, dass mir leicht zugängliche Drogen wie Alkohol und Marihuana dabei nicht helfen, sondern mich eher zum passiven konsumieren verleiten. Die Berichte zur stimulierenden Wirkung von Drogen auf Künstler und Schriftsteller sind jedoch zahllos.
Man wird sowieso nie so gut wie Goethe
Es gibt Unmengen an Quellen zu Kreativitätstechniken oder den Phasen von Kreativität und wie man sie einleitet. Die Faustregel ist einfach: Etwas erleben, die Dinge infrage stellen, mal neue Perspektiven einnehmen und nicht zu faul und routiniert werden. Ich bin ein großer Verfechter von Kreativität, ganz egal auf welchem Level. Ich bin lieber ein Dilettant, der nichts richtig kann, aber alles versucht, als jemand, der nur konsumiert und kritisiert oder an Perfektion glaubt. Ein Bekannter, dem ich einen Romanentwurf zeigte, sagte zu mir: "Warum schreibst du denn solche Texte? Man wird sowieso nie so gut wie Goethe oder Arno Schmidt. Dann kann man es auch gleich ganz sein lassen." Ich mache es schon ganz einfach für mich. Es macht mich glücklich und ich komme in eine Art Rauschzustand, der Flow. Hinterher erfreue ich mich an dem, was entstanden ist. Und dann kann ich es auch wieder vergessen und etwas neues erschaffen. Die schönsten Erzeugnisse, seien es Videos, Texte oder Fotos, sammle ich, drucke sie aus, verschenke sie, hänge sie an die Wand oder sende sie übers Internet an die, die sich dafür interessieren. Alles ganz egal: Hauptsache man wird vom nur passiven Konsumenten zum auch aktiv Produzierenden.