Monet Nr. 3 - Gefallen bei Sonnenaufgang heucheln? |
Glückssynthese
Dan Gilbert, ein Sozialpsychologe der Harvard University hat dazu zwei Tests gemacht. Teilnehmer sollten 6 Bilder von Monet danach ordnen, wie sehr sie ihnen gefielen. Dann sagten die Psychologen, sie hätten ein paar Bilder übrig, aber nur Bild Nr. 3 und Bild Nr. 4. Sie könnten eins mit nach Hause nehmen. Natürlich wählten alle Teilnehmer Bild Nr. 3, weil es ja ihrer Meinung nach immerhin das drittbeste Bild war. Als man die Teilnehmer nach einiger Zeit (etwa nach 15 Minuten oder auch 15 Tagen) noch einmal nach ihrem Lieblingsbildern befragte, fanden sie nun Bild Nr. 3 viel besser, als Bild Nr. 2. Nicht weiter erstaunlich, wir hatten erwartet, dass sie nun, da es ihnen gehörte, das Bild aufwerten würden. Dan Gilbert wiederholte das Experiment mit Patienten, die an Anterograder Amnesie litten. Diese Patienten können sich zwar an ihre Kindheit erinnern, nicht aber an das, was vor wenigen Minuten passierte, weil sie keine neuen Erinnerungen mehr anlegen können. Erstaunlicherweise war das Resultat bei dieser Gruppe genau dasselbe. Diese Teilnehmer wussten zwar nicht mehr, dass sie dieses Bild besaßen, sie haben es aber dennoch den zuvor besser bewerteten Bildern vorgezogen. Es kann also nicht sein, dass sie das nur taten, um sich im Nachhinein besser damit abzufinden. Die Schlussfolgerung ist, dass die Teilnehmer tatsächlich und aus ganzem Herzen ihre ästhetische Einstellung zu diesem Bild geändert hatten, ob sie nun noch wussten, dass sie es besaßen oder sich nicht mehr erinnerten.
Überschätzt
Dan Gilbert behauptet, dass es im Empfinden keinen Unterschied zwischen "synthetisiertem Glück" und "natürlichem Glück" gibt. Mehr noch: Der Fakt, dass wir Glück synthetisieren, also gewissermaßen nach Bedarf herstellen können, ist dafür verantwortlich, dass wir überhaupt glücklich sein können, z.B. nach einem Schicksalsschlag. Gilbert nennt das bildhaft unser psychisches Immunsystem. Studien zeigen, dass wir uns - von drastischen Ausnahmen abgesehen - nach ca. drei Monaten wieder auf dem Glückslevel von vor dem Schicksalsschlag befinden. Umgekehrt genauso: Drei Monate nach dem Lottogewinn sind wir wieder so glücklich oder unglücklich wie zuvor. Damit einher geht unsere Tendenz, ständig diese lebensverändernden Momente zu überschätzen: Trennung, Tod, Prüfungen, Jobangebote... Wir fürchten uns zu sehr vor dem Verlust oder dem Versagen und wir tun uns unnötig schwer mit Entscheidungen, weil wir die Auswirkungen dieser Entscheidungen auf unser Wohlbefinden überschätzen.
66% von uns wählen das Unglück
Das psychische Immunsystem ist individuell sehr verschieden. Wir haben es zwar alle, aber manche haben ein sehr starkes und andere haben ein schwächeres Immunsystem. Mein Freund Gregor gehört zu den Menschen mit einem relativ starken Immunsystem. Aber das Glück sprang ihm noch in einem weiteren Aspekt zur Seite: Er hatte keine Wahl! So verrückt es klingt, Wahlfreiheit ist der Feind der Glückssynthese. Das wurde gut belegt und macht auch Sinn: Wenn wir die Wahl zwischen zwei Übeln haben und Zeit und Raum uns für eines zu entscheiden und eventuell unsere Entscheidung auch zu revidieren, führt das zu ausgedehnten Zweifeln und Unzufriedenheit mit sowohl der einen als auch der anderen Alternative. Wenn unsere Entscheidung zwischen den Alternativen jedoch erzwungen wird, akzeptieren wir es bald und freunden uns mit der Situation an. Zu unserem Unglück jedoch, wählen wir meistens die Freiheit. Wenn uns jemand anbietet: "Du kannst dir entweder eine der beiden Firmen als Arbeitgeber aussuchen, oder wir bestimmen für dich, in welcher du arbeiten wirst", dann würden nach Dan Gilberts Studie 66% von uns die erste Alternative wählen. Wir wollen selbst entscheiden. Zwei Drittel von uns wählen also das Unglück, denn wir ahnen noch nicht, dass die Wahl uns quälen wird, selbst dann noch, wenn sie getroffen ist. Denn wir werden uns noch lange fragen, ob es nicht doch besser gewesen wäre, den anderen Job zu nehmen. Mein Freund Gregor hatte von seiner Lieblingsfirma ja eine Absage bekommen, der Glückspilz!
Was kann man daraus lernen?
Vielleicht, dass wir die Auswirkungen der Wahl, die wir treffen, nicht überschätzen sollten. Natürlich sollten wir aufpassen, "das Richtige" zu tun, "das Richtige" zu studieren, zu arbeiten. Dabei können wir unseren Überzeugungen und Neigungen folgen. Nur sollten wir dabei mit den Füßen auf dem Teppich bleiben, das Leben nehmen, wie es kommt. Wichtig ist die Grundsatzentscheidung, zu wissen, wie ich mein Leben ausrichten möchte. Die kleineren Entscheidungen, die wir dann treffen müssen, um unserem Gerüst von Grundsätzen eine Form zu verleihen, sollten wir leichter nehmen. Man kann sie auch immer wieder ausgleichen oder korrigieren. Es ist kein in Stein gehauenes Entweder/Oder. Gregors Job zum Beispiel ist bestimmt nicht sein letzter. Wenn sich herausstellt, dass die Firma nicht so toll ist, dann ist das nicht das Ende. Er wird dann auch was anderes finden. Denn er weiß, was er grundsätzlich will.
Mehr
Wer Dan Gilbert lieber selbst live auf Englisch mit deutschen Untertiteln sehen will, der sollte sich das Video hier ansehen. Es lohnt sich, der Mann ist ein hervorragender Wissenschaftler und amüsanter Redner.
Das hier kennst du vielleicht schon, aber wenn nicht, könnte dich das auch interessieren: http://en.wikipedia.org/wiki/The_Paradox_of_Choice:_Why_More_Is_Less
AntwortenLöschenDanke!
AntwortenLöschenDan Gilbert? Das ist "Ins Glück stolpern"(?) Ich wundere mich, dass es nach Annahme und nach Ansicht dieses Menschen, und du hast das ja auch gut an einem Beispiel belegt, soviel Selbsttäuschung realistisch vorhanden ist. Ich finde, am Rande muss vermerkt werden, dass der zu Erklärende einen wissenschaftlichen Unterbau braucht. Dieses Experiment scheint mir für nicht ausreichend, es ist für oder wider gegenüber welcher Klientel? Wen hat er denn befragt? Nur eine Klientel - was soll das sagen? Ich appelliere um die Selbstansicht, um das FREIE DENKEN! Was der der gedacht hat, hat doch jeder schon, oder fast jeder. Also - nur ein TIP - lass deinen eigenen Gedanken freien Lauf und hangel nicht so wissnschaftlich an der Kopie!
AntwortenLöschen(S.Z.)
Das Hangeln an Wissenschaft oder Experimenten ist für mich einfach eine Möglichkeit unter anderen, eigene Gedanken zu inspirieren. Manchmal lese ich mich - wie gerade jetzt - an einem Thema fest (Wahl, Freiheit, Glück) und dann macht es mir Spaß, verschiedene Positionen dazu nach gut dünken abzuklopfen.
AntwortenLöschenDabei muss ich Kompromisse eingehen: Einer ist, dass ich hier im Blog nicht auf all die Grundlagen und Daten von Experimenten eingehe. Bis zu einem gewissen Grad muss ich auch Wissenschaftlern trauen, auf die ich mich berufe. Das Vertrauen gewinne ich, indem ich möglichst viel lese und dann nur die "zitiere", die mir vertrauenswürdig erscheinen.
Ich traue diesen Wissenschaftlern dann also zu, dass sie ihre Experimente nach korrekten Standards durchführen und zumindest die offensichtlichsten Einwände dabei bedenken. Viele Primär-Artikel sind auch im Internet frei erreichbar und somit überprüfbar. Hier zum Beispiel findest du Listen und Wege, an die wissenschaftlichen Grundlagenarbeiten von Gilbert heranzukommen: http://www.danielgilbert.com/