Eichmanns Gewissen sprach mit der "respektablenStimme der respektablen Gesellschaft" (H. Ahrendt) |
Der interne Bestrafer
So privat und individuell das Gewissen sein mag, so sehr ist es ein Werkzeug der Gesellschaft. Die Polizei kann schließlich nicht überall sein und die gesellschaftlichen Regeln durchsetzen. Da ist es ganz praktisch, dass die meisten von uns das moralische Grundgerüst dieser Regeln verinnerlicht haben und ihm gemäß handeln. Dadurch funktioniert unsere Gesellschaft...
Unser Gewissen plagt uns, wenn wir stehlen, die Ehe brechen oder gar töten, selbst oder gerade dann, wenn wir nicht erwischt werden. Das Gewissen beißt: Wie einen Schmerz, versuchen wir diese interne Bestrafung, die Gewissensbisse zu vermeiden. Wir beugen uns unserem Gewissen und das ist gut so. Im kategorischen Imperativ hat Immanuel Kant versucht das als eine Vernunft geleitete Entscheidungshilfe zu formulieren: "Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, daß sie ein allgemeines Gesetz werde."
Das Gewissen als korruptes Schwein
Leider ist das Gewissen nicht sehr wählerisch. Genau gesagt ist es ziemlich dumm. Als eine Art freibespielbares Speichermedium nimmt es auch fragwürdige bis furchtbare Regeln an, denn seine primäre Funktion ist es, seinen Träger gesellschaftskompatibel zu machen. Bewertet und abgeglichen werden die Regeln meist nur intern im geschlossenen System des Gewissens und auch das nicht einmal widerspruchsfrei. So sehr wir daran glauben möchten, dass es für das Gewissen auch objektiv richtige und falsche Regeln oder die Stimme Gottes gibt, so sehr scheinen historische und gegenwärtige Beispiele dagegen zu sprechen. Die Welt ist voll von instutionalisierter Folter, Vergewaltigung als Waffe und staatlich legitimiertem Mord. Die Rechtfertigung, dass man nur seine Pflicht getan oder für sein Land gekämpft habe, kennen wir. Das Gewissen ist korrupt und freut sich, wenn es die Erlaubnis bekommt, sich wie ein Schwein zu benehmen. Warum nehmen Despoten ihrem Volk die Nahrungsgrundlage, um sich selbst zu bereichern? Sie hätten es verdient, sagt ihnen ihr Gewissen. C. G. Jung hat die ethische Form des Gewissens ins Spiel gebracht, die bei Gewissenskonflikten vermitteln können soll. Es gäbe Hinweise - so liest man auf Wikipedia - auf prägende Verhaltensweisen, die für 'Kraftquellen des Gewissens' sorgen können, z.B. das häufige Lob der Eltern für gutes und richtiges Verhalten und ein enges und gutes Verhältnis zu mindestens einem Elternteil.
Die Dachstube mal entrümpeln
Auf der anderen Seite - wenn es zu kleinlich vorprogrammiert wurde - hemmt uns das Gewissen an der Entwicklung unserer Persönlichkeit, lässt uns selbst an den natürlichsten Regungen zweifeln und macht uns Schuldgefühle. Viele haben ein schlechtes Gewissen, wenn sie sich nicht so verhalten, wie sie denken, dass andere es von ihnen erwarten. Ich habe manchmal ein schlechtes Gewissen, wenn ich meine, jemanden verletzt zu haben, weil ich ihm "mal die Wahrheit gesagt" habe. Das kann darauf hinauslaufen, dass ich andere lieber nicht mit meinen ehrlichen Gedanken konfrontiere. Vielleicht lasse ich diese Menschen gerade dadurch im Stich?
Wie ein Allesfresser nimmt das Gewissen die Regeln auf, die zuerst und lange genug wiederholt angeboten werden. Ich glaube in aller Regel ist es gut, seinem Gewissen zu gehorchen. Nur muss man es immer mal wieder abklopfen und prüfen gegen das was einem aus der Umwelt begegnet. Insbesondere die alten ganz tief liegenden Schichten kann man ruhig einmal entrümpeln. Das Gewissen ist ein effektiver Kontrollmechanismus, der ohne viel Nachdenken funktioniert. Das ist sein Vor- und sein Nachteil zugleich.
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