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Erkenne dich selbst. Der Rest kommt (fast) von allein.

17. Januar 2011

Ideen von Freiheit

Freiheit als Klischee
Jonathan Franzen sagt zu seinem letzten Buch (August 2010): "Es ist möglich, dass du freier bist, wenn du akzeptierst, was du bist und einfach als die Person weitermachst, die du eben bist, anstatt diese ungebundene Idee von 'Ich kann sein, was immer ich will', diese 'falsche Freiheit' aufrecht erhältst."

Abgesehen davon, dass ich Franzen als Autor liebe, steckt in diesem Satz eine ganze Menge therapeutischer Weisheit. Die amerikanisch-westeuropäische Welt, in der wir leben, ist von Freiheit und - ökonomisch gesprochen - Flexibilität besessen. Natürlich ist Freiheit wichtig, aber unserer Pop-Kultur ist es über Musik, Film, Literatur und Werbung gelungen, uns über Klischees eine Perversion einzuimpfen: Die Idee der totalen Freiheit.

Dieses Konzept wirkt auf uns 20- bis 40-Jährige ungeheuer anziehend und es fällt uns zunehmend schwer, Bindungen zu akzeptieren, erwachsen zu werden. Soziale Bindungen und Verantwortung schränken Freiheit per Definition ein. Wenn es uns nicht gelingt, unsere überzogenen Freiheitsideen bewusst zu durchdringen, zu hinterfragen und wo nötig zu korrigieren, laufen wir Gefahr, eine Dimension in unserem Leben zu verlieren, die uns Halt, Bestimmung und Frieden gibt: dauerhafte mitmenschliche Beziehungen.

Sich selbst erkennen, die Person akzeptieren, die man in sich findet, deren Ideale man anstrebt und dem angemessen zu leben, anstatt immer nach der nächsten Möglichkeit des Ausbruchs zu suchen, kann eine Voraussetzung zu einem gesunden Leben sein. "Werde, der du bist!"

4 Kommentare:

  1. Sehr schön, habe den Artikel getwittert.

    Du hast Recht und darüber werde ich als "Vertreter der Freiheit" wohl auch eines Tages mal einen Artikel schreiben, denn diese überall anzutreffende Bindungsangst, die einem mittlerweile nicht einmal mehr "nur" in Beziehungen, sondern auch in anderen Situationen wie dem Geschäftsleben entgegen schlägt, ist hochgradig unangenehm.

    Leute zerstören Beziehungen, halten sich nicht an Versprechungen, fühlen sich teilweise schon von einer Terminvereinbarung dermaßen gegeißelt dass sie psychosomatisch darauf reagieren.

    Es ist ein Unterschied, ob man Herr über sein Leben sein möchte, aber sich trotzdem auf gewisse kleine Verbindlichkeiten einlässt, die im Endeffekt nur Gutes bedeuten, oder ob man sich selbst zum Narren der Freiheitsidee macht und sich am Ende noch darüber beschwert, dass man nicht die Freiheit hat, noch zu Lebzeiten aus seinem eigenen Körper zu entfliehen.

    Alex Rubenbauer
    http://alex-rubenbauer.de/

    PS: Du solltest wieder unangemeldetes Kommentieren zulassen.

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  2. Danke für deinen Kommentar und fürs Twittern! Kommentarfunktion habe ich mal angepasst.

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  3. Hallo Gilbert :)
    Sicher, es gibt diese medienkolportierte Lifestyle Illusion der Freiheit und es gibt die beschriebenen Folgen wie Bindungsunfähigkeit. Aber es gibt auch noch einen Aspekt (der aber nicht auf alle Menschen zutrifft): die persönliche Weiterentwicklung gelingt leichter und radikaler, wenn man nicht viele Bindungen hat! -
    Wer also einem inneren Streben folgt, sich charakterlich (auch in anderer Hinsicht) auf ein Ziel hin zu bewegen will, wird von Bindungen ausgebremst. Bindungen können auch Fesseln sein, je nach dem. Aber das Thema würde jetzt den Rahmen hier sprengen, fürchte ich.
    Herzlich, andhol

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  4. Hallo andhol,

    da hast du auf jeden Fall recht und nicht zuletzt deshalb beißt sich ja auch die Nachfrage nach "mobilen" und "flexiblen" (sprich: ungebundenen) Arbeitnehmern mit dem Credo von Kirche und Gesellschaft: Gehet hin und vermehret euch.

    Mehr zu deinem Punkt jedoch: Klar - Zarathustra, Buddha oder Schopenhauer haben sicher in Hinsicht auf ihre radikale Weiterentwicklung von der Bindungslosigkeit profitiert. Ganz banal: Man hat einfach mehr Zeit und muss keine Rücksicht nehmen!

    Danke für deine Bereicherung des Artikels um diesen Aspekt.

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