12. Dezember 2010

Multitasking und Unitasking

Ziemlich beschäftigt
Multitasking wird im Arbeitsalltag erwünscht, findet sich sogar in Stellenanzeigen als eine mitzubringende Fähigkeit. Der Begriff kommt aus der Computertechnik, wo Prozessoren leistungsstark genug sind, mehrere Programme zur selben Zeit auszuführen. Wir meinen jedoch meistens "die Fähigkeit eines Menschen, mehrere Tätigkeiten zur gleichen Zeit oder abwechselnd in kurzen Zeitabschnitten durchzuführen" (Wikipedia). Es ist einfach ein Merkmal unseres Gehirns, dazu in der Lage zu sein, mehrere Vorgänge gleichzeitig zu verarbeiten. Offensichtlich können wir z.B. beim Duschen singen, oder beim Essen lesen oder fernsehen. Dass wir beim Essen nicht singen können, liegt jedenfalls nicht am Gehirn. Und dass das Telefonieren beim Autofahren verboten ist, hat auch seine guten Gründe. Je einfacher und automatisierter die Vorgänge sind, die wir durchführen, desto mehr Kapazität hat unser Hirn für parallele Prozesse. In der Sauna fällt mir immer auf, wie ich schon kaum noch nichts machen kann. Multitasking geht nicht, ohne Kompromisse einzugehen, z.B. ohne die Aufmerksamkeit auf die Primärtätigkeit zu verringern oder ohne uns dem Risiko vom Dauer-Stress auszusetzen. Die Bedenken sind bekannt...

28. November 2010

Wie man die Glücksmuskeln trainiert

Konzentration, bitte!

Was macht glücklich? Sex haben, ein Buch lesen oder Staub saugen? Vor allem die Konzentration auf das, was man eben gerade macht. Das wundert den Coach gar nicht (siehe "Schuld und Angst: Vergangenheit - Jetzt - Zukunft"). Die Harvard-Psychologen Matthew Killingsworth und Daniel Gilbert haben in ihrer Studie "A Wandering Mind Is an Unhappy Mind" (etwa: ein abschweifender Geist ist ein unglücklicher Geist) folgendes belegt:
  1. wir denken viel öfter daran, was nicht ist, als daran, was ist
  2. daran zu denken, was nicht ist, macht typischerweise unglücklich
Aus einer Viertelmillion Angaben, die in Echtzeit per Handyabfrage erhoben wurden, wurde deutlich, dass die Gedanken der Probanden 47% der Zeit abschweiften, sie sich also nicht gedanklich auf den Moment und ihre Aktivitäten konzentrierten. Interessanterweise gab es keinen Zusammenhang zwischen dem zu erwartenden Spaß an der Tätigkeit und der positiven oder negativen Qualität der begleitenden Gedanken. "Selbst wenn du etwas wirklich angenehmes machst," so Killingsworth, "schützt es dich nicht vor negativen Gedanken. "Die Rate des Abschweifens ist zwar geringer, je angenehmer die Aktivität, wenn die Gedanken jedoch abschweifen, sind sie nicht positiver als bei unangenehmen Tätigkeiten."

Was immer die Befragten gerade taten, sie waren am glücklichsten, wenn sie sich auf ihre Tätigkeiten konzentrierten. Der Ort, an dem der Körper ist, sei sehr viel weniger wichtig für das Glücksempfinden, als der Ort, an dem der Geist ist. Killingsworth: "Wir sehen Beweise für die Annahme, dass das Schweifen der Gedanken ein gemindertes Glücksempfinden verursacht, nicht jedoch, dass gemindertes Glücksempfinden ein Abschweifen von Gedanken verursacht."

Mit dem "Flow" oder der Konzentration auf eine Tätigkeit stieg das angegebene Glücksempfinden. Auf einer Skala bis 100 kam der Durchschnitt der Angaben während (oder kurz nach) sexueller Aktivitäten auf 90. Danach ging es erst ab 75 weiter mit Aktivitäten wie Unterhaltungen, Musik hören, spazieren gehen, beten oder meditieren, dann kochen, einkaufen, auf die eigenen Kinder aufpassen und lesen. Ganz unten waren Aktivitäten, die zum Gedanken abschweifen einladen, weil sie weniger Konzentration erfordern, wie zum Beispiel sauber machen, Körperpflege oder zur Arbeit fahren.

Was folgt daraus? Konzentration, bitte! Man trainiert seine Glücksmuskeln, wenn man Situationen aktiv wahrnehmen kann, sie schätzen lernt und die Dinge, die man tut, mit Hingabe veredelt. Und... klar: Mehr Sex und weniger sauber machen!

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Der New York Times Artikel "When the Mind Wanders, Happiness Also Strays" gab mir die meisten Informationen zu diesem Blog Post.

27. November 2010

Typenlehren: von Ayurveda's Dosha über Hippokrates bis zu Jung

Der antike Grieche Empedokles sah die Menschen von den Elementen Feuer, Wasser, Erde und Luft geprägt und Hippokrates entwickelte in diesem Zusammenhang die Viersäftelehre auf die folgende vier Temperamente zurückgehen: 
  1. die aufbrausende gelbe Galle (Choleriker)
  2. das spielerische Blut (Sanguiniker)
  3. der zähe Schleim (Phlegmatiker)
  4. die schwarze Galle (Melancholiker)
Die Pythagoräer sahen eine fünftes und ihrer Meinung nach ursprüngliches Elements: Äther. Durch dieses Element werde leblosen Gegenständen Leben "eingehaucht". Äther sei das Quinta essentia (wovon unser Wort Quintessenz kommt), dass alles andere durchdringe. Wenn man weiter in die Geschichte zurückgeht, wird klar, dass unsere westlichen Philosophen von früheren östlichen Kulturen abgeschrieben haben.

Bereits in der weitaus älteren traditionellen indischen Medizin Ayurveda gibt es ein ähnliches Konzept: die drei Doshas (ursprünglich: Sünde), die als "Lebensenergien" interpretiert wurden: Vata (Luft/Wind), Pitta (Feuer) und Kapha (Erde). Sie korrespondieren ungefähr mit Sanguiniker, Choleriker und Phlegmatiker. Interessanterweise fehlt das Konzept des Melancholikers. Grund dafür ist, dass Kapha und Pitta nicht nur Erde und Feuer, sondern auch jeweils Wasser zugeschrieben bekommen, während Vata neben Luft/Wind auch Äther sei.

Verschiedene Coaching Werkzeuge, wie Insights bauen auf der Idee der Grundelemente auf. Den vier Temperamenten liegt auch der zu Verkürzung und Missbrauch einladende Gedanke zugrunde, dass zwischen Körper(bau) und Charakter ein Zusammenhang bestehe. Die Typenlehren von Psychiatern und Psychologen waren von diesem vierdimensionalen und ganzheitlichen Ansatz inspiriert. Ernst Kretschmer (1888-1964) hatte seinen Pyknikern (dick), Athletikern (muskulär), Leptosomen (dünn) und Dysplastikern (atypisch) die Psychosen manisch-depressiv, Epilepsie und Schizophrenie zugeordnet. Und auf Carl Gustav Jung (1875-1961) gehen die vier typologischen Begriffspaare Extraversion-Introversion, Sinnlichkeit-Intuition, Denken-Fühlen, Urteilen-Wahrnehmen zurück, auf die Typologie-Konzepte wie der Myers-Briggs-Typindikator (MBTI) aufbauen. Immer sind es vier Dimensionen in diesen Typologien, ganz nach dem antiken Grundsatz, dass alles Sein aus den vier Grundelementen Feuer, Wasser, Luft und Erde bestehe.

Lieber den Spatz in der Hand...

...als die Taube auf dem Dach. Wieder so eine Redensart, die sehr zum protestantischen Lebensstil passt, wonach Bescheidenheit die größte Tugend sei. Viele unserer Redensarten stammen aus der Bibel, viele wurden durch Luther sprichwörtlich.

Im Satz steckt aber immerhin das Verlangen nach der "Taube". Es wird also anerkannt, dass es mehr gibt, als nur den mickrigen "Spatzen". Die Redensart rät jedoch davon ab, dem großen Glücksversprechen, für das die Taube steht, hinterherzujagen. Am Ende fällt man dabei noch vom Dach! Dann hat man weder das kleine noch das große Glück und steht am Ende mit leeren Händen da.

Aus lebenspraktischer Perspektive ist es so, wie meistens: Es kommt darauf an. Es wäre schlimm, wenn man sich selbst mit solchen Redensarten davon abhält, nach größerem zu streben und sich selbst zu verwirklichen. Wenn es jedoch um weniger wichtige Dinge geht, beispielsweise ein noch neueres Auto, als das eigene, dann kann es nicht schaden, sich klarzumachen, dass es auch kurze Zeit später wieder ein noch neueres Auto gibt. Solchen kurzen Glücksversprechen hinterherzujagen, trägt sicherlich wenig zu dauerhafter Zufriedenheit bei.

Bei der Partnerwahl ist es ähnlich: Bin ich eigentlich glücklich mit meinem Partner, plage mich aber dauernd mit dem Gedanken, dass andere noch attraktiver sind? Dann muss ich man an mir selbst arbeiten und erkennen, dass es auf Dauer nicht glücklich macht, wenn ich immer dem nächsten Kick hinterherjage. Bin ich jedoch dauerhaft und unkorrigierbar unglücklich mit meinem Partner und halte mich aus Verlustangst davon ab, eine glücklichere Partnerschaft anzustreben, dann sollte ich mir überlegen, woher die Angst kommt, allein zu sein. Manchmal ist es sogar besser, auch auf den Spatzen nicht zu bestehen, wenn man schon die Taube nicht bekommen kann.

In einem FAS-Artikel zur "Wissenschaft vom Seitensprung" las ich die folgende Ableitung: "Behalte den Spatz in der Hand, aber vergiss nie die Taube auf dem Dach." Auch eine Ansicht.

25. November 2010

Der Klügere gibt nach

Dies ist eine meiner Lieblingsredewendungen. Außerdem eine, die ich schon früh und oft zu hören bekam. Bereits im Kindergarten war das ein Konfliktlösungsmittel, dass die Erzieherinnen an wandten. Ob ich die Redewendung wohl deshalb so mag, weil ich sie so früh lernte? Kann sein. Auf jeden Fall zeigt mir meine Alltagserfahrung, dass es sich oft nicht lohnt, für jeden kleinen Keks zu kämpfen, immer Recht zu behalten oder die Vorfahrt zu bekommen.

Sicher kann es wehtun, wenn man etwas, das einem vermeintlich zusteht, nicht bekommt. Oft ist es jedoch nur das Ego, das da schmerzt. Warum ist nehmen wir es so ernst, wenn uns jemand die Vorfahrt nimmt? Im Grunde geht es uns ja nicht um die Sekunde, die wir anhalten und warten müssen.

10. November 2010

Gegensätze ziehen sich an...

Oder nicht? Jedenfalls ist das eine der vielen Redewendungen, die wir täglich so von uns geben. Oft wollen wir mit solchen Redewendungen Tatsachen oder Auffassung rechtfertigen, um uns nicht mit Änderungen herum plagen zu müssen. Eine der dümmsten und durchsichtigsten dieser Ausreden ist: "Ausnahmen bestätigen die Regel". Offenbar ist das Gegenteil der Fall: Ausnahmen stellen die Regel infrage. Wir alle möchten aber in verschiedenen Kontexten gerne verlässliche Regeln und wollen sie lieber nicht infrage stellen lassen.

Die Redewendung "Gegensätze ziehen sich an" ist jedenfalls nicht so dumm. Da könnte etwas dran sein...

7. November 2010

Sich selbst sehr gut kennenlernen

Psychologie, Neurobiologie, Verhaltensforschung und viele weitere Disziplinen und Fachrichtungen beschreiben die Grundlagen auf denen Coaching und andere Begleitungstechniken aufbauen. Der Knackpunkt liegt oft in der Selbsterfahrung und Selbstwahrnehmung von Individuen. Nicht umsonst war "erkenne dich slebst" (gnothi seauton) das Motto der Priesterinnen, die im Tempel von Delphi den Ratsuchenden weissagten, von aus dem Boden aufsteigenden Miasmen inspiriert. Um dieses lebenspraktische Motto der klassischen Philosophie kommt nicht einmal die moderne Neurobiologie herum. Ich denke, dass die Selbsterkenntnis auch heute noch Grundlage aller individuellen Weiterentwicklung und daher auch des Coachings ist.

"Viele Menschen, die sich ändern wollen, streben nach einem starken Charakter. Gibt es so etwas tatsächlich?" Auf diese Frage antwortet der Neurobiologe Gerhard Roth im Interview mit der ZEIT (PDF-Dokument):

Ich denke schon, ich würde aber eher das Wort »gefestigt« verwenden. Ein Mensch mit einem gefestigten Charakter kann Stress gut verarbeiten – er reagiert angemessen, kann sich aber auch hinterher wieder beruhigen. Er steckt Rückschläge weg, ohne deshalb in eine Krise zu stürzen, und hat eine realistische, im besten Fall leicht optimistische Einschätzung seiner eigenen Kräfte. Das muss nicht heißen, dass man ein Held oder wahnsinnig erfolgreich ist, es kann auch bedeuten, dass man eine Beförderung ablehnt, weil man mehr Zeit für die Familie haben will.


Anschließend diskutiert Roth die Frage, wie man denn einem solchen gefestigten Charakter nahe kommt:

Sie müssen sich selbst sehr gut kennenlernen. Das heißt nicht, dass Sie zum Psychiater rennen. Ich würde damit anfangen zu analysieren: Welche Projekte nehme ich mir vor, und wie erfolgreich bin ich damit? Fragen Sie sich, was Sie in Ihrem Leben noch erreichen wollen, und überprüfen Sie, ob diese Wünsche realistisch sind. Wenn Sie kurz vor der Pensionierung stehen, hat es keinen Sinn, sich aus Angst vor der großen Leere auf den nächsten Aufsichtsratsposten zu stürzen.

Als Nächstes müssen Sie klare Ziele formulieren und das, was Sie erreichen wollen, auf kleine Schritte herunterbrechen. Wenn Sie ständig Dinge sagen, die Sie später bereuen, versuchen Sie beim nächsten Mal zu schweigen. Vergessen Sie auf keinen Fall, sich für Erfolge zu belohnen – die Belohnung muss aber nicht materieller Art sein. Es kann einen schon sehr motivieren, wenn man merkt, dass man mit dem neuen Verhalten bei anderen besser ankommt. Am allerwichtigsten ist aber etwas anderes: Haben Sie mit sich selbst Geduld!


Um emotionale Muster und Barrieren zu durchbrechen, brauche man, so Roth "die Hilfe eines erfahrenen, außenstehenden Menschen – der hat deutlich bessere Chancen als man selbst, die tief liegenden Persönlichkeitsstrukturen zu erreichen und dort etwas zu verändern." Und hier - so denke ich - setzt der Coach an. Die Erkenntnis des Klienten muss eine Selbst-Erkenntnis sein. Ohne Hilfe eines Außenstehenden sind wir jedoch nur sehr begrenzt in der Lage zur Selbsterkenntnis.

30. Oktober 2010

Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß

Das ist nun einmal ein schlaues Sprichwort! Auf den ersten Blick jedenfalls: Ziemlich evident, praktisch und es weist auf den ganz wichtigen Umstand hin, dass Nichtwissen auch ein Segen sein kann...

20. September 2010

Meditieren in der Sauna

In der Sauna fällt mir immer wieder auf, wie schwer es ist, abzuschalten, einfach an nichts zu denken. Im Kopf rasen Gedanken, Gesprächsfetzen, Erinnerungen und Vorhaben durcheinander. Das ist fast verrückt. Man selbst kann kaum mithalten und die durcheinanderschießenden Gedankenfragmente bearbeiten und einordnen.

18. September 2010

Die richtige Arbeit gibt es nicht, nur richtiges Arbeiten

Eine der häufigsten Problemstellungen, die mir im Arbeitsumfeld und im Coaching begegnen, ist die der Motivation im Berufsleben. Wenn man jemanden fragt, was die perfekte Arbeit wäre, dann hört man oft: "Mit meinem Hobby Geld verdienen!" Das heißt, die Arbeit soll unmittelbar mit den eigenen Interessen verbunden sein. Da das mehrheitlich nicht realisierbar zu sein scheint, stellt sich die Frage, wie wir trotzdem Spaß bei der Arbeit haben können.

Wie geht richtige Arbeit? (Quelle: Eigenes Bild)

9. Mai 2010

Logbuch der Emotionen

Gestern las ich einen Artikel in der New York Times mit dem Titel The Data-Driven Life. Darin ging es um die Vorzüge des Erfassens von Daten des alltäglichen Lebens. Offensichtlich ist das für Sportler von Bedeutung. Dazu gibt es bereits alle möglichen Gadgets, z.B. Geschwindigkeitsmesser an den Handgelenken oder in den Schuhen. Für Diabetiker ist das leben auch leichter geworden, seit sie handliche Geräte zur Erfassung des Blutzuckerspiegels dabei haben. Der zehnjährige Sohn eines Freundes von mir ist daran schon so gewöhnt, dass er ganz selbstverständlich jede Brotscheibe in sein Gerät eintippt. Unsere Mobil-Telefone machen inzwischen aber auch das Erfassen anderer Daten immer einfacher, z.B. wo ich mich wann aufhalte, welche Musik ich höre oder auch - mit Hilfe von Twitter und Co. - was ich gerade denke oder mache. Ein anderer spaßiger Umgang mit dem Erfassen von Daten scheint die Android-Applikation "Mood Phone" zu sein, die den Entwicklern zu Folge die Stimmung des Handy-Nutzers zu bestimmen vermag.

18. April 2010

Freude - Bewusstsein der Gegenwart

John Whitmore sagt in Coaching for Performance (Coaching für die Praxis: Wesentliches für jede Führungskraft) zu Recht, Freude werde vor allem über unsere Sinne erlebt. Wenn man bedenkt, wie einfach und preiswert es heute für die meisten von uns ist, die Sinne zu stimulieren (Trüffel und Champagner gibt es heute schon bei Aldi), wird klar, dass es immer schwieriger wird, Ausnahmesituationen für unsere Sinne herzustellen. Also gehen wir zum Bungee-Jumping oder zum Bizarre & Bondage Weekend.

Statt nach immer größeren Reizen zu suchen, die unsere Sinne von außen stimulieren, können wir jedoch auch unsere Sinne schärfen und für die eher alltäglichen Reize wieder empfänglicher machen. Der Tee am Morgen, der Blick vom Balkon oder sogar die Fahrt mit dem Fahrrad zur Arbeit können dann zu großer Freude führen, wenn wir uns auf diese Tätigkeiten konzentrieren, unsere Sinne durch sie bewusst stimulieren lassen.

27. März 2010

Martin E.P. Seligman: Authentic Happiness

Seligman, ein Psychologe der University of Pennsylvania, hat auf seiner Website Authentic Happiness viele verschiedene Tests rund um das individuelle Glücksbefinden kostenlos zur Verfügung gestellt. Man muss zwar ein Konto mit Nutzernamen und ein paar zusätzlichen Infos erstellen, aber das geht schnell und schmerzlos. Seligman nutzt die anonymen Testergebnisse dann für seine Forschungen und man selbst erlebt die Freude erhöhter Selbstwahrnehmung und Konfrontation durch die Tests und ihre Ergebnisse.

Ich kann das jedem empfehlen, der keine Probleme hat, solche Tests auf Englisch durchzuführen.

6. März 2010

Nachhaltigkeit - Halte ich das durch?

Wie im Leben allgemein - in der Natur, in der Wirtschaft, im Umgang mit dem eigenen Körper und seinen Reserven - spielt die Kategorie der Nachhaltigkeit auch bei der psychischen Befindlichkeit von Menschen eine grundlegende Rolle. Im Begriff Nachhaltigkeit - und noch deutlicher im englischen Wort sustainability - steckt eine nicht von der Hand zu weisende Logik: Unser Leben ist auf Selbst- und Gattungs-Erhalt ausgerichtet und das gelingt uns nur, wenn wir es verstehen, so mit unseren Resourcen umzugehen, dass wir ausreichend lange Zeitspannen ohne extreme Nöte verleben können.*

Wenn Sie wiedereinmal eine Entscheidung treffen, sei es einen Kredit aufzunehmen, eine persönliche Beziehung einzugehen oder einen anstrengenden Job anzunehmen, dann fragen Sie sich: Kann ich das auf Dauer durchhalten? Wenn die Antwort "nein" ist, dann können Sie gleich ehrlich zu sich sein und es entweder bewusst als Übergangslösung in Kauf nehmen (anstrengender Job) oder gleich als nicht nachhaltig ablehnen (zu hoher Kredit).

In vielen Sitzungen mit Klienten fiel mir diese Grundkategorie immer wieder auf: Verhalten und Befinden waren nicht über eine ausreichend lange Zeitperiode (beispielsweise über die Dauer eines Arbeitslebens oder einer Ehe) aufrecht zu erhalten. Wenn wir uns das nicht bewusst machen, wird es zum Problem. Jemand, der sich auf Arbeit konsequent verbiegen muss, um ins System zu passen, kann das nicht bis zur Rente ohne Schäden durchhalten. Ein Ehepaar, dass immer wieder heftig streitet, kann dieses Leben und den damit verbundenen Energieaufwand nicht ewig aushalten, ohne unglücklich zu werden. Also fing ich an, meine Klienten zu fragen: "Wie lange, denken Sie, können Sie das durchhalten?"

Diese Frage führt in vielen Fällen zur "Erleuchtung" und dadurch oft zu Einsicht und einer Änderungsabsicht. Ob das der Angestellte ist, der endlich seinem Boss sagt: "Ich kann das zwar vorübergehend machen, aber wenn du jemanden suchst, der das dauerhaft macht, müssen wir uns mal unterhalten." Oder das Ehepaar, das sich endlich zusammen setzt und diskutiert, ob sie sich nun besser trennen sollten oder ob sie eine Art und Weise finden, wie sie dauerhaft und zur beiderseitigen Zufriedenheit zusammenleben können.

Diese Kategorie, so könnte man weiter argumentieren, liegt auch dem Problem der "seelischen Gesundheit" zugrunde. Depression kann beispielsweise in Kriegssituationen, wo um einen herum Gewalt und Hunger herrschen, als Selbstschutz kurzzeitig funktionieren und somit sinnvoll und gesund sein. So wie Krieg und Hunger aber keine nachhaltigen Lebenssituationen sind, wird auch die Depression zur bedrohlichen Krankheit, wenn sie langfristig besteht. Der Trick in der "seelischen Gesundheit" ist, reduziert ausgedrückt, dass sie ein auf Dauer gestelltes Leben ermöglicht, in dem wir ausreichend funktionieren, um uns und unsere Nächsten zur Zufriedenheit zu versorgen. Den Anti-Psychiatern, die meinten, es gäbe keine Verrückten oder psychisch Kranke, sondern nur unangepasste Menschen, kann man widersprechen oder nicht. Die Kategorie der Nachhaltigkeit löst dieses Problem aber auf: Wenn jemand auf verrückte Art kreativ und unangepasst ist, dann ist das ok, wenn er es versteht, mit sich und seinen Mitmenschen zusammenzuleben, ohne permanente Verzweiflung hervorzurufen.


* Die kosmische Ironie hier ist, dass wir uns in einem Weltall befinden, dass nicht nachhaltig ist, weil es eben eine Explosion ist. Nur die astronomischen Zeiteinheiten lassen uns kurzfristig eine Insel der Nachhaltigkeit auf einem Planeten mit Biosphäre einrichten. Mit anderen Worten: Nachhaltigkeit ist nur dort eine Grundkategorie, wo sich Lebewesen befinden.

7. Februar 2010

Den Mund halten!

Eine der schwierigsten Sachen beim Coaching ist, nicht zu viel zu reden. Beispielsweise habe ich bei meinen letzten zwei Coaching-Sitzungen die Cochees je gefragt, ob sie sich an einen Moment erinnern könnten, an dem sie sozusagen überglücklich waren. Beide Cochees überlegten erst lange und beim ersten Klienten hielt ich es nicht aus und sagte: "Bei mir zum Beispiel war es ein Moment, als ich auf einen Berg geklettert war..." Ich erzählte also, was mich wirklich glücklich macht. Darauf hin sagte Klient 1: "Ja, stimmt... Reisen macht mich auch glücklich." Somit hatte ich also die Richtung vorgegeben und dem Klienten erspart, selbst nachzudenken und sich seine wirklich wichtigen Momente zu vergegenwärtigen. Beim zweiten Klienten biss ich mir auf die Zunge, sagte nichts und bekam dafür nach einigem Nachdenken einen wirklich dem Klienten eigenen Moment geboten. Das hilft dem Klienten natürlich viel mehr, weil er sich dann mit seinen eigenen Gefühlen in Verbindung setzt und seine tieferen, vielleicht verschütteten Schichten erreicht.

6. Februar 2010

Exkurs: Entlastung und Bewusstsein

Im Kapitel "The Nature of Coaching" in Coaching for Performance nennt John Whitmore eine Lupe ein Beispiel dafür, wie wir unser Sehvermögen weit über das Normalmaß hinaus steigern können. Ebenso können wir unser Bewusstsein (im Sinne von Bewusstheit) steigern, also mehr von dem Wahrnehmen, was in uns und um uns herum vor sich geht.

Da stellt sich die Frage, warum wir eigentlich so gehemmt sind in unserer Wahrnehmung, warum es diese Schwelle gibt, die die meisten von uns vor den vielfältigen Informationen um uns herum abschirmt. Arnold Gehlen hat das in seinem anthropologischen Hauptwerk Der Mensch: Seine Natur und seine Stellung in der Welt in dem Konzept "Entlastung" beschrieben. Der Kerngedanke ist, dass all die Informationen zu verarbeiten, die wir nicht zum unmittelbaren Vorankommen im Leben benötigen, schlicht zu belastend ist. Unser Organismus hat sich also daran angepasst, ausschließlich die Informationen bewusst zu verarbeiten, die wir im Alltag benötigen. Alltag ist etwas, dass sich historisch gesehen äußerst schnell ändert, während die evolutionär ausgebildete Wahrnehmungshemmschwelle unserer Spezies sich da nicht so flott anpassen kann. Im Endeffekt kommen wir also beim Autofahren, in der Beziehung oder im Büro ganz gut zurecht mit dem, was wir so bewusst verarbeiten. Optimale Ergebnisse erzielen wir in allen Bereichen jedoch nur, wenn wir unsere bewusste Aufmerksamkeit auf neue Bereiche ausdehnen können.

Schuld und Angst: Vergangenheit - Jetzt - Zukunft

Beim Frühstück habe ich darüber nachgedacht, warum es für einige Menschen einfach zu sein scheint, frei von Schuldgefühlen und Angst zu leben, während andere davon geplagt sind, sich ständig zu fragen, ob sie gestern richtig gehandelt haben und welche Entscheidungen sie heute treffen müssen, damit morgen alles glatt geht.

7. Januar 2010

Korrektur zum Blogpost "Retroflektion und..."

Im Coaching-Board wurde ich durch eine Psychologin darauf hingewiesen, dass es nicht "Introflektion", sondern "Introjektion" heißt. Fälschlicherweise nahm ich einfach an, dass es reicht, das "c" durch ein "k" auszutauschen, um den englischen Begriff zu übersetzen.

Weiterhin wurde erörtert, dass die beiden Begriffe zum Konzept der Kontaktunterbrechungen aus der Gestalttherapie gehören. Weitere Elemente dieses Konzepts seien Konfluenz, Projektion und Deflektion.

Der komplette Beitrag ist hier zu lesen.

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