"Viele Menschen, die sich ändern wollen, streben nach einem starken Charakter. Gibt es so etwas tatsächlich?" Auf diese Frage antwortet der Neurobiologe Gerhard Roth im Interview mit der ZEIT (PDF-Dokument):
Ich denke schon, ich würde aber eher das Wort »gefestigt« verwenden. Ein Mensch mit einem gefestigten Charakter kann Stress gut verarbeiten – er reagiert angemessen, kann sich aber auch hinterher wieder beruhigen. Er steckt Rückschläge weg, ohne deshalb in eine Krise zu stürzen, und hat eine realistische, im besten Fall leicht optimistische Einschätzung seiner eigenen Kräfte. Das muss nicht heißen, dass man ein Held oder wahnsinnig erfolgreich ist, es kann auch bedeuten, dass man eine Beförderung ablehnt, weil man mehr Zeit für die Familie haben will.
Anschließend diskutiert Roth die Frage, wie man denn einem solchen gefestigten Charakter nahe kommt:
Sie müssen sich selbst sehr gut kennenlernen. Das heißt nicht, dass Sie zum Psychiater rennen. Ich würde damit anfangen zu analysieren: Welche Projekte nehme ich mir vor, und wie erfolgreich bin ich damit? Fragen Sie sich, was Sie in Ihrem Leben noch erreichen wollen, und überprüfen Sie, ob diese Wünsche realistisch sind. Wenn Sie kurz vor der Pensionierung stehen, hat es keinen Sinn, sich aus Angst vor der großen Leere auf den nächsten Aufsichtsratsposten zu stürzen.
Als Nächstes müssen Sie klare Ziele formulieren und das, was Sie erreichen wollen, auf kleine Schritte herunterbrechen. Wenn Sie ständig Dinge sagen, die Sie später bereuen, versuchen Sie beim nächsten Mal zu schweigen. Vergessen Sie auf keinen Fall, sich für Erfolge zu belohnen – die Belohnung muss aber nicht materieller Art sein. Es kann einen schon sehr motivieren, wenn man merkt, dass man mit dem neuen Verhalten bei anderen besser ankommt. Am allerwichtigsten ist aber etwas anderes: Haben Sie mit sich selbst Geduld!
Um emotionale Muster und Barrieren zu durchbrechen, brauche man, so Roth "die Hilfe eines erfahrenen, außenstehenden Menschen – der hat deutlich bessere Chancen als man selbst, die tief liegenden Persönlichkeitsstrukturen zu erreichen und dort etwas zu verändern." Und hier - so denke ich - setzt der Coach an. Die Erkenntnis des Klienten muss eine Selbst-Erkenntnis sein. Ohne Hilfe eines Außenstehenden sind wir jedoch nur sehr begrenzt in der Lage zur Selbsterkenntnis.
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