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Erkenne dich selbst. Der Rest kommt (fast) von allein.

28. November 2010

Wie man die Glücksmuskeln trainiert

Konzentration, bitte!

Was macht glücklich? Sex haben, ein Buch lesen oder Staub saugen? Vor allem die Konzentration auf das, was man eben gerade macht. Das wundert den Coach gar nicht (siehe "Schuld und Angst: Vergangenheit - Jetzt - Zukunft"). Die Harvard-Psychologen Matthew Killingsworth und Daniel Gilbert haben in ihrer Studie "A Wandering Mind Is an Unhappy Mind" (etwa: ein abschweifender Geist ist ein unglücklicher Geist) folgendes belegt:
  1. wir denken viel öfter daran, was nicht ist, als daran, was ist
  2. daran zu denken, was nicht ist, macht typischerweise unglücklich
Aus einer Viertelmillion Angaben, die in Echtzeit per Handyabfrage erhoben wurden, wurde deutlich, dass die Gedanken der Probanden 47% der Zeit abschweiften, sie sich also nicht gedanklich auf den Moment und ihre Aktivitäten konzentrierten. Interessanterweise gab es keinen Zusammenhang zwischen dem zu erwartenden Spaß an der Tätigkeit und der positiven oder negativen Qualität der begleitenden Gedanken. "Selbst wenn du etwas wirklich angenehmes machst," so Killingsworth, "schützt es dich nicht vor negativen Gedanken. "Die Rate des Abschweifens ist zwar geringer, je angenehmer die Aktivität, wenn die Gedanken jedoch abschweifen, sind sie nicht positiver als bei unangenehmen Tätigkeiten."

Was immer die Befragten gerade taten, sie waren am glücklichsten, wenn sie sich auf ihre Tätigkeiten konzentrierten. Der Ort, an dem der Körper ist, sei sehr viel weniger wichtig für das Glücksempfinden, als der Ort, an dem der Geist ist. Killingsworth: "Wir sehen Beweise für die Annahme, dass das Schweifen der Gedanken ein gemindertes Glücksempfinden verursacht, nicht jedoch, dass gemindertes Glücksempfinden ein Abschweifen von Gedanken verursacht."

Mit dem "Flow" oder der Konzentration auf eine Tätigkeit stieg das angegebene Glücksempfinden. Auf einer Skala bis 100 kam der Durchschnitt der Angaben während (oder kurz nach) sexueller Aktivitäten auf 90. Danach ging es erst ab 75 weiter mit Aktivitäten wie Unterhaltungen, Musik hören, spazieren gehen, beten oder meditieren, dann kochen, einkaufen, auf die eigenen Kinder aufpassen und lesen. Ganz unten waren Aktivitäten, die zum Gedanken abschweifen einladen, weil sie weniger Konzentration erfordern, wie zum Beispiel sauber machen, Körperpflege oder zur Arbeit fahren.

Was folgt daraus? Konzentration, bitte! Man trainiert seine Glücksmuskeln, wenn man Situationen aktiv wahrnehmen kann, sie schätzen lernt und die Dinge, die man tut, mit Hingabe veredelt. Und... klar: Mehr Sex und weniger sauber machen!

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Der New York Times Artikel "When the Mind Wanders, Happiness Also Strays" gab mir die meisten Informationen zu diesem Blog Post.

27. November 2010

Typenlehren: von Ayurveda's Dosha über Hippokrates bis zu Jung

Der antike Grieche Empedokles sah die Menschen von den Elementen Feuer, Wasser, Erde und Luft geprägt und Hippokrates entwickelte in diesem Zusammenhang die Viersäftelehre auf die folgende vier Temperamente zurückgehen: 
  1. die aufbrausende gelbe Galle (Choleriker)
  2. das spielerische Blut (Sanguiniker)
  3. der zähe Schleim (Phlegmatiker)
  4. die schwarze Galle (Melancholiker)
Die Pythagoräer sahen eine fünftes und ihrer Meinung nach ursprüngliches Elements: Äther. Durch dieses Element werde leblosen Gegenständen Leben "eingehaucht". Äther sei das Quinta essentia (wovon unser Wort Quintessenz kommt), dass alles andere durchdringe. Wenn man weiter in die Geschichte zurückgeht, wird klar, dass unsere westlichen Philosophen von früheren östlichen Kulturen abgeschrieben haben.

Bereits in der weitaus älteren traditionellen indischen Medizin Ayurveda gibt es ein ähnliches Konzept: die drei Doshas (ursprünglich: Sünde), die als "Lebensenergien" interpretiert wurden: Vata (Luft/Wind), Pitta (Feuer) und Kapha (Erde). Sie korrespondieren ungefähr mit Sanguiniker, Choleriker und Phlegmatiker. Interessanterweise fehlt das Konzept des Melancholikers. Grund dafür ist, dass Kapha und Pitta nicht nur Erde und Feuer, sondern auch jeweils Wasser zugeschrieben bekommen, während Vata neben Luft/Wind auch Äther sei.

Verschiedene Coaching Werkzeuge, wie Insights bauen auf der Idee der Grundelemente auf. Den vier Temperamenten liegt auch der zu Verkürzung und Missbrauch einladende Gedanke zugrunde, dass zwischen Körper(bau) und Charakter ein Zusammenhang bestehe. Die Typenlehren von Psychiatern und Psychologen waren von diesem vierdimensionalen und ganzheitlichen Ansatz inspiriert. Ernst Kretschmer (1888-1964) hatte seinen Pyknikern (dick), Athletikern (muskulär), Leptosomen (dünn) und Dysplastikern (atypisch) die Psychosen manisch-depressiv, Epilepsie und Schizophrenie zugeordnet. Und auf Carl Gustav Jung (1875-1961) gehen die vier typologischen Begriffspaare Extraversion-Introversion, Sinnlichkeit-Intuition, Denken-Fühlen, Urteilen-Wahrnehmen zurück, auf die Typologie-Konzepte wie der Myers-Briggs-Typindikator (MBTI) aufbauen. Immer sind es vier Dimensionen in diesen Typologien, ganz nach dem antiken Grundsatz, dass alles Sein aus den vier Grundelementen Feuer, Wasser, Luft und Erde bestehe.

Lieber den Spatz in der Hand...

...als die Taube auf dem Dach. Wieder so eine Redensart, die sehr zum protestantischen Lebensstil passt, wonach Bescheidenheit die größte Tugend sei. Viele unserer Redensarten stammen aus der Bibel, viele wurden durch Luther sprichwörtlich.

Im Satz steckt aber immerhin das Verlangen nach der "Taube". Es wird also anerkannt, dass es mehr gibt, als nur den mickrigen "Spatzen". Die Redensart rät jedoch davon ab, dem großen Glücksversprechen, für das die Taube steht, hinterherzujagen. Am Ende fällt man dabei noch vom Dach! Dann hat man weder das kleine noch das große Glück und steht am Ende mit leeren Händen da.

Aus lebenspraktischer Perspektive ist es so, wie meistens: Es kommt darauf an. Es wäre schlimm, wenn man sich selbst mit solchen Redensarten davon abhält, nach größerem zu streben und sich selbst zu verwirklichen. Wenn es jedoch um weniger wichtige Dinge geht, beispielsweise ein noch neueres Auto, als das eigene, dann kann es nicht schaden, sich klarzumachen, dass es auch kurze Zeit später wieder ein noch neueres Auto gibt. Solchen kurzen Glücksversprechen hinterherzujagen, trägt sicherlich wenig zu dauerhafter Zufriedenheit bei.

Bei der Partnerwahl ist es ähnlich: Bin ich eigentlich glücklich mit meinem Partner, plage mich aber dauernd mit dem Gedanken, dass andere noch attraktiver sind? Dann muss ich man an mir selbst arbeiten und erkennen, dass es auf Dauer nicht glücklich macht, wenn ich immer dem nächsten Kick hinterherjage. Bin ich jedoch dauerhaft und unkorrigierbar unglücklich mit meinem Partner und halte mich aus Verlustangst davon ab, eine glücklichere Partnerschaft anzustreben, dann sollte ich mir überlegen, woher die Angst kommt, allein zu sein. Manchmal ist es sogar besser, auch auf den Spatzen nicht zu bestehen, wenn man schon die Taube nicht bekommen kann.

In einem FAS-Artikel zur "Wissenschaft vom Seitensprung" las ich die folgende Ableitung: "Behalte den Spatz in der Hand, aber vergiss nie die Taube auf dem Dach." Auch eine Ansicht.

25. November 2010

Der Klügere gibt nach

Dies ist eine meiner Lieblingsredewendungen. Außerdem eine, die ich schon früh und oft zu hören bekam. Bereits im Kindergarten war das ein Konfliktlösungsmittel, dass die Erzieherinnen an wandten. Ob ich die Redewendung wohl deshalb so mag, weil ich sie so früh lernte? Kann sein. Auf jeden Fall zeigt mir meine Alltagserfahrung, dass es sich oft nicht lohnt, für jeden kleinen Keks zu kämpfen, immer Recht zu behalten oder die Vorfahrt zu bekommen.

Sicher kann es wehtun, wenn man etwas, das einem vermeintlich zusteht, nicht bekommt. Oft ist es jedoch nur das Ego, das da schmerzt. Warum ist nehmen wir es so ernst, wenn uns jemand die Vorfahrt nimmt? Im Grunde geht es uns ja nicht um die Sekunde, die wir anhalten und warten müssen.

10. November 2010

Gegensätze ziehen sich an...

Oder nicht? Jedenfalls ist das eine der vielen Redewendungen, die wir täglich so von uns geben. Oft wollen wir mit solchen Redewendungen Tatsachen oder Auffassung rechtfertigen, um uns nicht mit Änderungen herum plagen zu müssen. Eine der dümmsten und durchsichtigsten dieser Ausreden ist: "Ausnahmen bestätigen die Regel". Offenbar ist das Gegenteil der Fall: Ausnahmen stellen die Regel infrage. Wir alle möchten aber in verschiedenen Kontexten gerne verlässliche Regeln und wollen sie lieber nicht infrage stellen lassen.

Die Redewendung "Gegensätze ziehen sich an" ist jedenfalls nicht so dumm. Da könnte etwas dran sein...

7. November 2010

Sich selbst sehr gut kennenlernen

Psychologie, Neurobiologie, Verhaltensforschung und viele weitere Disziplinen und Fachrichtungen beschreiben die Grundlagen auf denen Coaching und andere Begleitungstechniken aufbauen. Der Knackpunkt liegt oft in der Selbsterfahrung und Selbstwahrnehmung von Individuen. Nicht umsonst war "erkenne dich slebst" (gnothi seauton) das Motto der Priesterinnen, die im Tempel von Delphi den Ratsuchenden weissagten, von aus dem Boden aufsteigenden Miasmen inspiriert. Um dieses lebenspraktische Motto der klassischen Philosophie kommt nicht einmal die moderne Neurobiologie herum. Ich denke, dass die Selbsterkenntnis auch heute noch Grundlage aller individuellen Weiterentwicklung und daher auch des Coachings ist.

"Viele Menschen, die sich ändern wollen, streben nach einem starken Charakter. Gibt es so etwas tatsächlich?" Auf diese Frage antwortet der Neurobiologe Gerhard Roth im Interview mit der ZEIT (PDF-Dokument):

Ich denke schon, ich würde aber eher das Wort »gefestigt« verwenden. Ein Mensch mit einem gefestigten Charakter kann Stress gut verarbeiten – er reagiert angemessen, kann sich aber auch hinterher wieder beruhigen. Er steckt Rückschläge weg, ohne deshalb in eine Krise zu stürzen, und hat eine realistische, im besten Fall leicht optimistische Einschätzung seiner eigenen Kräfte. Das muss nicht heißen, dass man ein Held oder wahnsinnig erfolgreich ist, es kann auch bedeuten, dass man eine Beförderung ablehnt, weil man mehr Zeit für die Familie haben will.


Anschließend diskutiert Roth die Frage, wie man denn einem solchen gefestigten Charakter nahe kommt:

Sie müssen sich selbst sehr gut kennenlernen. Das heißt nicht, dass Sie zum Psychiater rennen. Ich würde damit anfangen zu analysieren: Welche Projekte nehme ich mir vor, und wie erfolgreich bin ich damit? Fragen Sie sich, was Sie in Ihrem Leben noch erreichen wollen, und überprüfen Sie, ob diese Wünsche realistisch sind. Wenn Sie kurz vor der Pensionierung stehen, hat es keinen Sinn, sich aus Angst vor der großen Leere auf den nächsten Aufsichtsratsposten zu stürzen.

Als Nächstes müssen Sie klare Ziele formulieren und das, was Sie erreichen wollen, auf kleine Schritte herunterbrechen. Wenn Sie ständig Dinge sagen, die Sie später bereuen, versuchen Sie beim nächsten Mal zu schweigen. Vergessen Sie auf keinen Fall, sich für Erfolge zu belohnen – die Belohnung muss aber nicht materieller Art sein. Es kann einen schon sehr motivieren, wenn man merkt, dass man mit dem neuen Verhalten bei anderen besser ankommt. Am allerwichtigsten ist aber etwas anderes: Haben Sie mit sich selbst Geduld!


Um emotionale Muster und Barrieren zu durchbrechen, brauche man, so Roth "die Hilfe eines erfahrenen, außenstehenden Menschen – der hat deutlich bessere Chancen als man selbst, die tief liegenden Persönlichkeitsstrukturen zu erreichen und dort etwas zu verändern." Und hier - so denke ich - setzt der Coach an. Die Erkenntnis des Klienten muss eine Selbst-Erkenntnis sein. Ohne Hilfe eines Außenstehenden sind wir jedoch nur sehr begrenzt in der Lage zur Selbsterkenntnis.