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10. November 2010

Gegensätze ziehen sich an...

Oder nicht? Jedenfalls ist das eine der vielen Redewendungen, die wir täglich so von uns geben. Oft wollen wir mit solchen Redewendungen Tatsachen oder Auffassung rechtfertigen, um uns nicht mit Änderungen herum plagen zu müssen. Eine der dümmsten und durchsichtigsten dieser Ausreden ist: "Ausnahmen bestätigen die Regel". Offenbar ist das Gegenteil der Fall: Ausnahmen stellen die Regel infrage. Wir alle möchten aber in verschiedenen Kontexten gerne verlässliche Regeln und wollen sie lieber nicht infrage stellen lassen.

Die Redewendung "Gegensätze ziehen sich an" ist jedenfalls nicht so dumm. Da könnte etwas dran sein...

Zum Beispiel, die ergänzende Kraft von Gegensätzen. Das ist ein Grund, warum Teams im Beruf so wichtig sind und warum wir versuchen, Mitarbeiter einzustellen, die unterschiedlich sind. Auch in der Paarbeziehung ist es doch gut, wenn einer etwas vorsichtiger und planend ist, während der andere spontaner und risikofreudiger ist. Auf die Art wird es nicht langweilig und trotzdem nicht total chaotisch. Auch ist es von Vorteil, wenn Optimismus und Pessimismus ausbalanciert werden. Selbst introvertierte und extrovertierte Partner können viel von einander haben. Schwierig wird es nur, wenn diese Gegensätze zu extrem sind, d.h. wenn einer der Partner nur zu Partys gehen möchte und der andere keinen Fuß vor die Tür setzen, sondern nur allein sein will. Ähnlich ist es bei eher rationalen vs. eher emotionalen Persönlichkeiten. Auch hier ist eine Balance gut, aber extreme Gegensätze nur schwer auszuhalten.

Sehr neurotische Personen (siehe das Fünf-Faktoren-Modell) benötigen eher emotional stabile Partner, es ist jedoch nicht klar, welche positiven Momente der stabile Partner aus dieser Konstellation ziehen kann. Da mag es eher die Toleranz des emotional stabilen Partners sein, die die Beziehung ermöglicht. Hier kann man die Bedeutung der Redewendung als Beschreibung von häufig beobachteten Beziehungskonstellationen finden. "Gegensätze ziehen sich an", mag man da denken, wenn man solch eine Beziehung beobachtet.

Werte sind ein heikles Thema für Beziehungen. Hier ziehen sich Gegensätze wirklich nicht an. Denn meistens sind grundlegende Werte die verborgenen Gründe für unsere Reaktionen und Empfindlichkeiten im Alltag. Nicht selten resultiert ein Streit daraus, dass wir unterschiedliche Auffassungen von Gerechtigkeit, Respekt, Verlässlichkeit oder Loyalität haben. Werte werden definiert als "Auffassung[en] vom Wünschenswerten, die explizit oder implizit [...] die Auswahl der zugänglichen Weisen, Mittel und Ziele des Handelns [beeinflussen]." Werte sind so auch fundamental für die Lebensplanung, z.B.: Gründen wir eine Familie und bauen wir ein Haus oder reisen wir umher und machen das beste aus unserer Freiheit? Wer hier keine übereinstimmenden Werte findet, wird sich auf kein gemeinsames Leben einigen können.

Eine große Schwierigkeit ist, dass Werte oft seit Anfang der Kindheit z.B. durch das Elternhaus vermittelt werden und wir gewissermaßen keine Wahlmöglichkeit haben, ob wir diese Werte annehmen wollen oder nicht. Wenn wir nach Verlassen des Elternhauses mit den Werten anderer kollidieren, ist es meist zu spät. Hier hilft nur die radikale Bewusstmachung der eigenen Werte und der des Partners, um Missverständnisse zu klären und Strategien des Zusammenlebens zu entwickeln.

Zusammenfassend kann man urteilen: Gegensätze in Beziehungen unter Menschen ziehen sich nicht generell an und sie stoßen sich auch nicht generell ab, denn wir sind nicht einfach "magnetisch" oder sonst irgendwie bi-polar gepolt. Besser fahren wir mit einer Balance, also einem guten Mischverhältnis an einander ergänzenden Eigenschaften. Grundvoraussetzung zur positiven Auseinandersetzung mit den Gegensätzen in einem Individuum, einer Paarbeziehung oder einem Team ist, wie so oft, die Bewusstwerdung.



Demnächst hier untersucht: Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß.

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