Fünf Dinge, die uns töricht aus der Wäsche schauen lassen
Philosophie ist ursprünglich die Suche nach einem guten Leben. In den letzten Jahrzehnten jedoch gab es Philosophie eigentlich nur noch in der Universität. Als studierter Philosoph kenne ich die akademische Philosophie von innen. Meiner Erfahrung nach ist sie besser als ihr Ruf. Natürlich gibt es in den Universitäten solche Philosophen, deren Werke außerhalb der ehrwürdigen Mauern überhaupt nicht verstanden werden können. Ich habe allerdings auch sehr viel Praktisches für mein Leben gelernt, z.B. dass die Dinge nicht immer so sind, wie sie scheinen oder wie sie uns vorgekaut werden. Ich habe den Mut zum Denken dort entdeckt und es immer schade gefunden, dass diese Philosophie nicht den Weg nach draußen in den Alltag der Menschen findet.Es gibt inzwischen wieder einige dieser öffentlichen Philosophen, es gibt populäre Zeitschriften und Schulen philosophischer Praxis. Und allen voran gibt es Alain de Botton in London, der es sich zur Mission gemacht hat, Philosophie verständlich und für den Alltag relevant zu machen. In einem Video (siehe unten in Englisch) hat er beispielhaft zusammengefasst, was die Weisheit heute noch für uns leisten kann. Weisheit (sophia) braucht unsere liebevolle (philo) und stätige Beschäftigung, damit sie sich in unseren Alltag übersetzt und wir versuchen können, gut zu leben und - ja - auch gut zu sterben. Was ist uns verloren gegangen, seit wir die Philosophie nicht mehr im Alltag praktizieren? Die Weisheit, sagt Alain de Botton und es gibt einige Dinge, die uns besonders töricht machen. Die fünf wichtigsten haben wir hier aus dem Video übersetzt und zusammengefasst:
1. Wir stellen keine großen Fragen
Es gibt viele große Fragen: Was ist der Sinn des Lebens? Wozu gehe ich arbeiten? Wie könnte unsere Gesellschaft am besten organisiert sein? Die meisten von uns stellen sich hin und wieder solche Fragen, aber wir geben dann auf, verzweifeln vielleicht und beantworten sie nicht. Vielleicht machen wir uns sogar lustig über solche Fragen und nennen sie abgehoben. Dabei ist es extrem wichtig, dass wir solche großen Fragen ernst nehmen, denn nur mit Antworten auf diese Fragen wird es uns gelingen, unsere Energien in die richtige Richtung zu lenken.
Philosophen haben durch die Jahrhunderte solche Fragen gestellt. Große Fragen können immer in kleinere und verständlichere Einheiten runtergebrochen werden. Abgehoben ist eigentlich nur der, der meint, dass er über solchen naiv klingenden Fragen drübersteht.
2. Wir sitzen dem gesunden Menschenverstand auf
Der gesunde Menschenverstand oder das, was man öffentliche Meinung nennen könnte, ist in vielen Hinsichten sinnvoll und vernünftig. Es ist das, was wir von Nachbarn und Freunden hören und was wir einfach annehmen, ohne es zu durchdenken. Jedoch ist der gesunde Menschenverstand oft völlig dämlich und fehlerhaft. Die Philosophie bringt uns dazu, den gesunden Menschenverstand auf den Prüfstand der Rationalität zu stellen. Sie ermutigt uns, selbst zu denken, anstatt nur den gängigen Meinungen zu folgen. Stimmt es wirklich, was die Leute landläufig so über die Liebe, das Geld, die Kinder, das Reisen und die Arbeit sagen?Philosophie ist darin kompromisslos, Argumente, Ideen und Meinungen auf ihre Logik hin zu prüfen, anstatt davon auszugehen, dass etwas stimmt, weil viele so denken oder es schon immer so war.
3. Wir sind ziemlich durcheinander
Wir sind ziemlich schlecht darin zu verstehen, wie wir ticken, was wirklich in uns vorgeht. Zum Beispiel können wir irgend jemanden wirklich nicht leiden, aber wir können nicht sagen, was das Problem ist. Oder wir werden wütend, ohne dass wir genau erklären können, warum. Uns fehlt oft das Verständnis darüber, was wir wirklich benötigen und wovon wir lieber die Finger lassen sollten. Das ist doch Grund genug, unseren eigenen geistigen Zustand zu untersuchen.
Philosophie ist der Selbsterkenntnis verpflichtet, ihr zentraler Grundsatz, schon durch Sokrates - einen der ältesten und großartigsten Philosophen überhaupt - formuliert, besteht aus nur drei Wörtern: Erkenne dich selbst!
4. Wir sind uns unklar darüber, was uns glücklich macht
Es fällt uns schwer, uns selbst zufrieden zu stellen. Wir überschätzen die Wichtigkeit einiger Dinge und unterschätzen andere, wirklich wichtige Faktoren. Wir treffen falsche Entscheidungen, weil wir ständig von Werbung oder Statusdenken beeinflusst werden und meinen, ein bestimmtes Auto, ein Luxusurlaub oder irgend ein technische Gerät würde alles ändern. Gleichzeitig unterschätzen wir den Beitrag der kleinen, aber wirklich wichtigen Dinge. Einen Spaziergang zu machen, ist nicht besonders glamourös, dabei kann so etwas unser Leben enorm beeinflussen.
5. Wir neigen zur Panik und verlieren den Durchblick
Wenn uns etwas passiert, etwas abhanden kommt oder nicht so funktioniert, wie wir es wünschen, dann überkommt uns oft so etwas wie Panik. Philosophen verschaffen sich einen Überblick darüber, was wirklich wichtig ist und was nicht. Als der Stoiker Zenon all seinen Besitz bei einer Schiffshavarie verlor, sagte er lediglich: "Das Glück will es, dass ich fortan ein weniger belasteter Philosoph bin." Solche Weisheiten stehen für ein philosophisches, ruhiges Leben eines starken und langfristig denkenden Geistes. Wer so lebt, hat den Durchblick und ist weise.
Wenn man bedenkt, wie zentral viele philosophische Fragen für ein gutes Leben sind, dann verwundert es, dass wir die Philosophen aus unseren Leben vertrieben haben und sie hinter die schweren und unzugänglichen Türen der Universitäten gesperrt haben, wo sie sitzen und oft nur sehr schwer verständliche und für unser Leben wenig relevante Texte produzieren. Ich meine - und Geist und Gegenwart ist so ein Versuch - wir sollten die Philosophie wieder zentraler in unser Leben einbringen.
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Das Ziel der Philosophie ist es doch, das man seine eigene Persönlichkeit und sein Leben gestaltet und weiterentwickelt. Dass die Philosophie aus unserem Alltag verschwunden ist, ist meiner Meinung nach aber nicht nur fehlendes Interesse der Gesellschaft. Es fehlt auch der einfache Zugang zu den Informationen um schwierige Texte einfacher verständlich zu machen und diese dann auch in die breite Öffentlichkeit zu tragen. Dieser Blog ist ein guter Versuch dafür -Chapeau dazu! Aber dabei sind auch Professoren und Universitäten gefragt. Vielleicht braucht es ein Philosophie Happening, um etwas Schwung in die Sache zu bringen! Lg Karl
AntwortenLöschenDas ist eine gute Idee und auch das gibt es inzwischen nach französischem Vorbild (die Franzosen haben ein entspannteres Verhältnis zu Intellektuellen) in Deutschland (siehe z.B. Die lange Nacht der Philosophie). Aber da geht noch mehr! Wie sieht es damit in Österreich aus?
LöschenDanke für den Tipp. Habe eine ähnliche Veranstaltung für Wien gesucht und bin fündig geworden. SAVE the DATE: 20.05.2015 Nacht der Philosophie in Wien. Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich die Veranstaltung 2014 auch versäumt habe. Danke für den Denkanstoß. Lg Karl
Löschen6. Um anderen helfen zu können, unterstellen wir ihnen, verwirrte Kinder zu sein.
AntwortenLöschenAber den armen Yahoos geht es nie so schlecht, wie der besorgte Philosoph meint, sie sich fühlen lassen zu müssen. Dafür geht ihnen die Besorgnis ab. Zeit also, ihnen eine edle Seele zu unterstellen, die im tumben Körper furchtsam erwachen kann. Themen wie Health, Eco und "One World" stellen den richtigen Mix aus Schuld und Verantwortung sicher.
Es geht ja immer um einen selbst und nicht darum, "den anderen" - wer auch immer das sein mag - zu helfen. Philosophie ist Selberdenken und hat nichts mit "an die Hand nehmen" zu tun, wie man es vielleicht mit Kindern machen würde.
Löschen"Der heutige endlose Widerstreit zwischen Eigennutz und Gemeinnutzen ist eine ganz zwangsläufige Folge des herrschenden Geldstreik- und Bodenmonopols. Eine von diesen beiden Monopolen befreite Wirtschaft entzieht diesem Widerstreit für immer die Grundlage, weil in ihr der Mensch aus Eigennutz stets so handeln wird, wie es das Gemeininteresse erfordert. Die seit Jahrtausenden von Religionsgründern, Religionslehrern, Philosophen, Moralisten usw. aufrecht erhaltene Lehre von der Sündhaftigkeit der menschlichen Natur wegen ihrer Eigennützigkeit findet damit ein für allemal ihr Ende. Es ist keineswegs notwendig, dass wir, diesen Lehren folgend, uns durch Äonen hindurch abmühen, um uns selbst zu überwinden, um eines Tages vielleicht doch noch gemeinnützig zu werden – sondern wir können schon jetzt, heute, in dieser Stunde, die Verbrüderung der bisherigen Widersacher Eigennutz und Gemeinnutz vollziehen. Es ist dazu nicht erforderlich, dass wir den Menschen reformieren, es genügt vielmehr, wenn wir das fehlerhafte Menschenwerk, unser Geldwesen und Bodenrecht, ändern."
AntwortenLöschenOtto Valentin ("Die Lösung der Sozialen Frage", 1952)
Politiker, Priester, Philosophen, Moralverkäufer, Soziologen etc. leben alle von dem bis heute bestehenden Gegensatz zwischen Eigennutz und Gemeinnutzen, der nur eine zwangsläufige Folge des noch immer herrschenden Geldstreik- und Bodenmonopols ist. Diese beiden grundlegenden Monopole werden von der universitären VWL gar nicht als solche erkannt und bewirken seit jeher eine Einschränkung des marktwirtschaftlichen Wettbewerbs, sodass die Besitzenden (Geld-, Sachkapital- und Bodenbesitzer) sich auf Kosten der Mehrarbeit von Besitzlosen (Arbeiter und Angestellte) bereichern können. Von der Masse der Dummen, die daran glaubt, Politiker, Priester, Philosophen, Moralverkäufer, Soziologen und in staatlichen Verdummungsanstalten indoktrinierte "Wirtschaftsexperten" wüssten schon was, wird die aus dem Geldstreik- und Bodenmonopol resultierende Zinsumverteilung von der Arbeit zum Besitz als ein "Naturgesetz" angesehen und gar nicht erst hinterfragt. Stattdessen wählt die Masse der Dummen unter den Allerdümmsten (wer das bestreiten will, muss sich nur die dummen Sprüche auf typischen Wahlplakaten ansehen) ihre "Volksvertreter", die nichts anderes können, als unter Beibehaltung des Geldstreik- und Bodenmonopols (von dem die Allerdümmsten noch nie etwas gehört haben) den marktwirtschaftlichen Wettbewerb mit einem sinnlos komplizierten Gesetzesdschungel noch weiter einzuschränken, bis sich am Ende gar nichts mehr bewegt.
Die Masse der Dummen setzt sich aus allen Sparern zusammen, die noch immer nicht wissen, dass mit Geld sparen kein Geld zu verdienen ist (3. Gebot). Eine Ersparnis kann nur als "langfristiger Geldanspruch" in einer monopolfreien Marktwirtschaft auf unbegrenzte Zeit sicher erhalten bleiben. Jede andere Form des Sparens führt früher oder später zu einem teilweisen oder auch vollständigen Verlust der Ersparnis, sei es durch Inflation, Wirtschaftskrise oder Krieg. Schon seit der Erstveröffentlichung von "Die Verwirklichung des Rechtes auf den vollen Arbeitsertrag durch die Geld- und Bodenreform" (Silvio Gesell, 1906) sollte der "Normalbürger" das begriffen haben. Nun ist aber der "Normalbürger" noch immer kein zivilisierter Mensch, sondern ein Kapitalist, d. h. entweder bereits ein Zinsgewinner oder ein Zinsverlierer, der ein Kapitalist werden will (Spießbürger). Was ein zivilisierter Mensch ist, der in allgemeinem Wohlstand, einer sauberen Umwelt und selbstverständlichem Weltfrieden lebt, wird für den "Normalbürger" erst nach dem Erkenntnisprozess der "Auferstehung aus dem geistigen Tod der Religion" überhaupt vorstellbar:
Eigennutz und Gemeinnutz
Mir fehlt der Anküpfungspunkt des Kommentars zum Text oben. Was genau ist der Zusammenhang?
LöschenWas mich bei Philosophie anspricht, ist, dass sie mir mögliche Wege zum Glück (oder zum guten Leben) aufzeigt, deren Beschreiten im Wesentlichen von mir selbst und weit weniger von äußeren (gesundheitlichen, gesellschaftlichen oder materiellen etc.) Umständen abhängt.
AntwortenLöschenBei wie vielen Menschen ist das so? Ich weiss es nicht. Erkenne Dich selbst - ist ein philosophischer Leitsatz der allen Menschen nützt. Alles darüber hinausgehende, d.h. das Ergebnis der Selbsterkenntnis, würde ich nicht vorwegnehmen wollen. Ich denke, dass eine tiefergehende Beschäftigung mit Philosophie nicht notwendigerweise das Patentrezept füf den Weg zum guten Leben für alle Menschen ist.
Ich kann mir schon vorstellen, dass viele Menschen durch ein schnelles Auto (oder andere materielle Dinge) glücklicher werden als durch die Beschäftigung mit großen Fragen. Zumal wir akzeptieren müssen, dass wir auf viele große Fragen keine abschließende Antwort haben und unsere Unwissenheit bleiben wird. Das ist nicht immer einfach.
Ein gutes Beispiel sind dafür Religionen: Viele Menschen sind glücklich damit, fertige Dogmen geliefert zu bekommen um eben nicht selbst über große Fragen (mit möglicherweise unbefriedigenden Antworten) nachdenken zu müssen.
Danke, Sebastian, für deine weiterführenden Gedanken. Die Frage der Autonomie, also wie abhängig ist mein Glück von äußeren Umstaänden, ist eine sehr wichtige auch für mich. Und du hast Recht: Philosophie kann diesen Rahmen abstecken.
LöschenIch weiß gar nicht, ob ich überhaupt eine abschließende Antwort suche oder ob mir nicht der ständige Fluss aller Wirklichkeit viel mehr gibt, als statische Antworten. In diesem Sinne eigne ich mich villeicht nicht besoders für diese Art von Religionen.
Beste Grüße!
«Philosophen haben durch die Jahrhunderte solche Fragen gestellt». Ja, aber was sind Frage ohne Antworten? Der Philosoph Ludwig Cattiaux schreibt (Die Wiedergefundene Botschaft, Verlag Herder, 2010, S.239): «Diskutieren wir niemals vergebens, um Recht zu haben. Fragen wir eher demütig und stellen wir danach die Wahrheit der Antwort in unserem Geist und in unserem Herzen auf die Probe.»
Löschen«Vielleicht machen wir uns sogar lustig über solche Fragen und nennen sie abgehoben.» Der französische Philosoph Louis Cattiaux (1904-1953) in “Die Wiedergefunde Botschaft” (Verlag Herder, Basel, 2010, S.158): «So bleiben die Gelehrten und die Intelligenten, die Listigen und die Habgierigen dumm vor dem Schloss und dem Schlüssel, ohne irgendetwas öffnen zu können. Bemerken wir, wie sie danach vortäuschen, das anzuschwärzen oder lächerlich zu machen, was sie nicht rauben konnten oder dem sie keine Gewalt antun konnten.»
AntwortenLöschenDanke für das Zitat. Aber es fängt an mit "So bleiben die Gelehrten..." Ich würde nun gern wissen, was vor diesem Satz steht, denn ohne die Prämisse ist der generalisierte Schluss, dass alle "Gelehrten und die Intelligenten" dumm bleiben, nicht nachzuvollziehen.
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