In diesem Artikel fasse ich meine ganz persönlichen Erkenntnisse vom HR Barcamp 2014 zusammen. Da ich zur Zeit mit meinem HR-Team in einer Reorganisationsphase bin, die auf Spezialisierung in den Bereichen Recruiting, Personalmarketing und Personalentwicklung hinausläuft, war es genau der richtige Zeitpunkt, eine kräftigen Schub Input von außen zu absorbieren.
Nicht edel, sondern effektiv: Das HR Barcamp 2014 |
HR, Technik und Innovation
Durch die ständige technische Entwicklung besonders in der Mediennutzung, sind Recruiting und Personalmarketing ein hochinnovatives Berufsfeld, das ständiges Dazulernen und die Anpassung an sich stetig ändernde Trends erfordert. Die Frage, wo man seine Zielgruppe erreicht, wie man sie anspricht und für sich gewinnt, ist gerade für Firmen mit sehr diversen Berufsbildern nicht trivial. Azubis, Marketingexperten und Software-Spezialisten halten sich nicht alle auf denselben Social-Media-Plattformen auf, sondern haben ihre jeweils ganz eigenen Commuities. In diesen Communities wiederum möchten sie nicht ständig von Recruitern belästigt werden. HR und PR
Eine gute Idee ist es sicherlich, latent interessierte, aber nicht akut suchende Kandidaten über die spannenden Themen aufs Unternehmen aufmmerksam zu machen, an denen dort gearbeitet wird. Wohl dem, der solche Themen hat! Man kann dann mit guten Fachartikeln - die natürlich nicht aus der HR, sondern aus dem Fachbereich kommen müssen - in den richtigen Medien auf sich aufmerksam machen. Wenn das für die entsprechenden Fachleute attraktiv ist, suchen sie bei Bedarf vielleicht sogar selbst den Kontakt, fühlen sich aber mit Sicherheit viel eher von an sie herangetragenden Stellengesuchen angesprochen. Wenn es keine Fachartikel sein sollen oder können, kann man auch über eine gute menschliche Geschichte versuchen, in die Medien zu kommen, zum Beispiel die sehr efolgreiche Mitarbeiterin in einer reinen Männerdomäne. Meine Kollegin von Spreadshirt sagte mir neulich, dass auch das gar nicht mehr so neue Konzept “Feelgood-Manager” nach wie vor gute PR für den Arbeitgeber bringt - Journalisten schreiben gern über ausgefallene Jobs und Rollen in Unternehmen.Relevante Anzeigen
Die Stellenanzeigen selbst müssen höchst relevant sein. Das kann HR nur durch die enge Einbindung der Fachabteilungen erreichen. Man kann das ins Extrem treiben, wie ich es von Google kenne: Dort schreiben die suchenden Teams oft selbst ihre Stellenanzeigen, die dann nur von HR veröffentlicht werden. Was auch unbedingt hilft, ist die Aufnahme eines Mottos oder der Mission des Unternehmens in die Anzeige.Rund um die Relevanz der Anzeigen gibt es ein weiteres Thema: Sind die Anzeigen SEO-optimiert, also auch bei einer Google-Suche interessierter Kandidaten leicht auffindbar? Die Anzeigen eines IT-Unternehmens in Leipzig müssten wenigstens über ein Job-Board sofort im Netz auffindbar sein, wenn jemand nach “IT Jobs Leipzig” sucht. Auch Display-Anzeigen auf den richtigen Seiten von Communities oder einschlägigen Websites können für die entsprechende Reichweite sorgen.
Social Media durch Mitarbeiter
Wirklich Klasse fand ich die Idee, die eigenen Mitarbeiter dazu zu bewegen, die in den Social-Media-Kanälen geposteten Stellen zu verbreiten. Dadurch steigt die Reichweite je nach mobilisierten Mitarbeitern enorm. Wie man die Mitarbeiter mobilisiert ist eine offene Frage. Belohnungen über extra Urlaubstage oder Boni sind naheliegend, aber irgendwie auch wieder traurig, wenn es solche Incentives braucht, damit Mitarbeiter die freie Stelle am Schreibtisch neben sich ihren Freunden empfehlen.Authentisches Employer Branding
Eine Session behandelte ein Thema, das mir sehr am Herzen liegt: Authentisches Personalmarketing, also der Mut zu sagen, wofür die Firma wirklich steht: “Bisher ist es eher so, dass Firmenbosse sich damit zufrieden geben, wenn das Personalmarketing Sätze raushaut wie ‘Wir stehen für Ehrlichkeit, Respekt, Teamwork und Vertrauen.’ Das sind hohle Phrasen, im besten Fall Selbstverständlichkeiten, die hoffentlich für jeden Arbeitgeber außer die Mafia gelten. [...] Wenn man Werte-Statements will, dann soll man sich sein Top-Management ansehen und die Werte extrahieren, die man in ihrer Arbeit erkennen kann...: ‘Bewirb dich erst gar nicht, wenn du Harmonie und stabile Verhältnisse brauchst. Wenn du ständige Revolution willst, hohe Anforderungen schätzt und eine steile Lernkurve suchst, dann nix wie her mit deiner Bewerbung!’” (Employer Branding haben wir letztes Jahr gemacht)
Der Fehler zweiter Art
Aber auch nachdem man interessierte Kandidaten rangeholt hat, bleibt das Recruiting eine Herausforderung. Spannend war dahingehend die Diskussion über den “Fehler zweiter Art”: Jemanden einzustellen, der nicht zum Unternehmen und Job passt, ist ein naheliegender Fehler, ein Fehler erster Art. Er offenbart sich meistens schnell und man kann dann mit ihm umgehen, z.B. indem sich Mitarbeiter und Unternehmen wieder trennen. Was ist aber, wenn man einen Bewerber wegschickt, weil man nicht erkannt hat, dass es genau der richtige Kandidat gewesen wäre? Das ist der Fehler zweiter Art, den man meistens nicht einmal bemerkt, der sich also entzieht und nicht behandelt wird. Es kam in der Diskussion zu keiner durchbrechenden Erkenntnis, wie man diesen Fehler vermeiden kann. Ich denke, dass man mit so einem Fehler leben muss. Das ist wie in anderen Bereichen des Lebens auch: Man muss sich damit abfinden, dass man eine Auswahl aus den sich bietenden Gelegenheiten treffen muss. Hinterher zu heulen, dass man die falsche Entscheidung getroffen hat, ist umsonst. Man kann als Firma einfach nur dran arbeiten, ein Image zu entwickeln, das die richtigen Kandidaten anzieht. Das aktive Ansprechen von Kandidaten, die man selbst als passend identifiziert hat, wird diese Fehlerquote auch verringern. Nur muss man sich das leisten können und es ist auch nur für die spezialisierten Jobs die richtige Auswahlmethode, für die man ganz wenige Kandidaten und Bewerber sucht.Demokratisierung in der Wirtschaft
Eine sehr inspiriende Diskussion lief unter dem Motto “Führungskräfte abschaffen”. Der Geschäftsfürer von Oose, einer Softwareberatung aus Berlin, sagte: Ich hatte keinen Bock mehr auf Führung, ich wollte fachlich weiterkommen. Und so ging es anderen im Unternehmen auch. Also wurden Führungsrollen abgeschafft und Führungskräfte zurück ins Glied gestellt. Die meisten verließen das Unternehmen im Guten und kamen woanders unter. Dem Unternehmen geht es bestens, die Mitarbeiter arbeiten in selbstorganisierten Kreisen zusammen, stellen ihre eigenen Kollegen ein und klären ihre Probleme untereinander. Wer nicht zusammen passt, arbeitet dann an einem anderen Projekt. HR gibt es bei Oose nicht. Typische Entlassungen kommen nicht vor, man trennt sich einfach. Das interessengeleitete Projektentwickeln sei auch nicht weniger erfolgreich, als das vorherige Planen von Produktstrategien. Das ist sicher nichts, was man von heute auf morgen in jedem beliebigen Betrieb ausprobieren kann. Dazu braucht man eine gewisse Reife bei den Mitarbeitern. Aber schon Semco hat es vorgemacht: Radikale Demokratisierung in der Arbeitswelt ist ein Trend, der sich in bestimmten Branchen fortsetzen wird.Als Fazit kann man festhalten, dass sich auf dem HR Barcamp eine überschaubare Szene von HR-Leuten trifft, die sich den ganz aktuellen und greifbaren Problemen stellen, die Unternehmen im Zusammenhang mit ihrer Personalwirtschaft haben. Diese Szene ist nach meiner Erfahrung weit davon entfernt, sich von Buzzwords wie “Fachkräftemangel”, “Burnout” oder “Social Media” paralysieren zu lassen. Vielmehr erarbeitet sie auf solchen Treffen und über ihre kollaborative Zusammenarbeit im Internet die neuen Ideen und Lösungen, die in Kürze allen HR-Abteilungen helfen werden, mit den sich ständig ändernden Herausforderungen umzugehen. Für mich stand diesmal das Recruiting im Vordergrund. Zu diesem Thema habe ich Denkanstöße gesucht und gefunden. Aber auch andere Themen wie die Demokratisierung der Wirtschaft, Coaching im Job, Diversity, Unternehmenskultur und Big Data wurden beackert. Ich bin mir sicher, dass wir recht bald auf weiteren Blogs Zusammenfassungen lesen werden können. Auf dem Laufenden bleiben kann man zum Beispiel über Twitter:
Ganz besonderen Dank noch mal an Christoph Athanas und Jannis Tsalikis, dass sie zum dritten Mal solch ein wegweisendes Event auf die Bein gestellt haben. Im nächsten Jahr bin ich wieder dabei.
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