Morgens aufstehen, ein Lächeln auf dem Gesicht haben, sich nochmal kurz umdrehen und dem Vogelgezwitscher lauschen. Das ist für mich die Freude des Lebens: Den Moment genießen. Leider schaffe ich das nicht immer, aber umso mehr freue ich mich über die Augenblicke, in welchen es mir gelingt.
Was braucht das Kind? (Foto von Achim Lippoth gefunden bei NOTSOYELLOW) |
Auf der anderen Seite: Burnout. Schnelllebigkeit. Termine. Technische Neuerungen... das sind Phänomene, die unseren Alltag mitbestimmen, uns individuell beeinflussen und reagieren lassen. Doch wie belastbar sind wir? Vor allem unser körperlicher und geistiger Gesundheitszustand spielt eine wichtige Rolle, um unser Wohlbefinden zu gewährleisten. Diese Gesundheit sicher zu stellen fordert Zeit und Aufmerksamkeit – fast schon Luxusgüter, die heute leider oft hinten anstehen müssen. Momente für sich selbst zu haben, ist eine Ausnahme und doch so wichtig. Herauszufinden, was einem gut tut und was nicht, wo die eigenen Grenzen liegen, sind Grundvoraussetzungen für einen Schutz gegen Burnout und Sinnverlust. Aus Zeitmangel vernachlässigen das viele von uns viel zu lange.
Das soziokulturelle Umfeld und die Lebensumstände prägen
Es ist traurig, dass wir diese Mängel auf unsere Kinder übertragen. Es häufen sich Termine und Aufgaben in den Kalendern unserer Nachkommen. Wir wollen für das Kind nur das Beste: Seine Talente soll es entfalten, in der Zukunft einen profitablen Beruf haben, vielleicht ein Eigenheim, ein solides soziokulturelles Umfeld. Doch, was ist das Beste für das Kind? Anstatt uns ständig damit zu beschäftigen, wie wir Geld ansparen können, um unseren Kindern eine "gute Zukunft" zu ermöglichen oder ständig zu überlegen, welche Förderkurse sie belegen sollen, um in der Wirtschaft mithalten zu können, sollten wir uns lieber fragen: Was braucht das Kind wirklich?
Das Kind ist bei sich (Groovy Dad) |
Während der Entfaltung seiner Identität wird das Kind etwa bis zum zwölften Lebensjahr stark durch die Erziehung und auch durch das Urteil von Erwachsenen, von Eltern, Erzieherinnen und Lehrern beeinflusst. Erst später gewinnen auch die Schulkameraden oder Freunde an Bedeutung. Das Kind ist gewissermaßen seinem Umfeld ausgeliefert und nimmt all die Informationen als gegeben hin. Mit einem ausgeprägten Selbstbewusstsein, wird sich dem Kind bald die Chance eröffnen, die Dinge anders zu machen und das eigene Leben aktiv zu gestalten.
Sicherheit, Zeit und Raum für die Wahrnehmung
Um das kindliche In-der-Welt-Sein besser zu verstehen, stellen wir uns folgendes vor: Wir kommen in eine neue, für uns unbekannte Situation und sind erst einmal überwältigt. Wir fühlen uns unsicher, werden aber langsam ruhiger und beginnen zu beobachten. Wir gleichen unsere Vorstellung mit den neuen Eindrücken des unbekannten Erlebnisses ab. Kennen Sie das? Alles was wir uns wünschen, ist Verständnis für unsere Gefühle, unsere Ansichten, unsere Angst und Unsicherheit in diesem Moment. Vielleicht auch jemanden, der uns in den Arm nimmt uns sagt: "Du schaffst das!" Eben eine Portion Mitgefühl und Ermutigung. Bei neuen Begegnungen und Eindrücken, die erst einmal verarbeitet werden müssen, nehmen Kinder oft unsere Hand. Sie verstecken sich hinter der Mama oder wollen auf den Arm genommen werden. Und dort in Sicherheit tankt es kurz Kraft, beobachtet in Ruhe die neue Situation und beginnt dann langsam – wenn es will – zu handeln. Das eine Kind früher, das andere Kind später. Je nachdem, wie groß sein Erfahrungsschatz schon ist und wie lange es braucht, um alle Wahrnehmungen in Einklang zu bringen. Glückliche Kinder lernen bald, auf sich selbst zu vertrauen. Für sie sind die neuen Situationen Lernfelder in denen sie andere beobachten und dann selbst entscheiden, was für das eigene Dasein wichtig ist. Für dieses differenzierte Wahrnehmen, das Abwägen von Meinungen, Ansichten und Gefühlen benötigt das Kind einen sicheren Raum, viel Energie und Zeit. Zeit all das, was es erlernt und gesehen hat, zu verarbeiten. Und das Kind weiß von alleine, wann es wieder Neues dazulernen möchte.
Auch als Erwachsene lernen wir jeden Tag etwas neues und unbekanntes. Dabei vertrauen wir jedoch nicht immer auf unsere kindlich-intuitive Wahrnehmung, sondern wir beginnen, uns mit anderen zu vergleichen oder uns an Normen anzupassen. Was kann ich besser als der andere? Wie kann ich mehr Ansehen erreichen? Hinter solchen Fragen steht das Ziel zu wachsen, besser zu sein. Das ist gut so, denn es fördert unsere persönliche Entwicklung. Aber ist es nicht oft auch so, dass wir in Bereichen besser sein möchten, die uns gar nicht betreffen oder für die unsere Persönlichkeit absolut nicht gewachsen ist? Manche Eigenschaften werden von der Gesellschaft als positiv vorgegeben und schon deshalb möchten wir sie uns aneignen. Und das überfordert uns manchmal. Wir vergessen unsere Eigenmotivation, versuchen uns lediglich an Normen anzupassen und werden unsicher, zweifelnd und ängstlich. Es ist also verständlich und gut gemeint, wenn Eltern ihre Kinder in diversen Förderkursen anmelden, zum Leistungssport animieren oder in Wettbewerbe schicken. Sie wollen ihren Kindern diese späteren Unsicherheiten, Zweifel und Ängste ersparen, dabei haben wir doch genau aus diesen Sorgen auch gelernt.
Unsicherheit, Angst und Zweifel (Tumblr) |
Das Kind in uns
Ein Kind zu beobachten, ist eine Wohltat, von der wir lernen können: Es schmeckt. Es riecht. Es be-greift. Es ent-deckt. Es sieht. Es fühlt. Es ist bei sich. Wir denken uns: "Klar, es hat ja auch Zeit dazu! Es muss nicht am Schreibtisch sitzen, sich nicht um das Haus kümmern, nicht um den Garten, nicht um das Auto…" Müssen wir Erwachsenen das denn? Nein, wir dürfen, denn wir haben selbst entschieden, uns diesen Dingen zu unterwerfen. Aber jeder von uns hat auch noch dieses Kind in sich. Und es wird dort auch bleiben und sich jeden Tag melden! Wir können es zulassen und damit arbeiten oder es ignorieren und verdrängen.
Oft habe ich das Gefühl, dass von mir erwartet wird, ich müsse alles wissen und können, müsste jede Situation verstehen. Ich muss mich unter Kontrolle haben. Ich muss mich freundlich verhalten. Ich muss meinen Beruf lieben. Und wann darf ich? Ein Kind würde sich trotzig verhalten – zu Recht. Wir aber belohnen uns selbst dafür, dass wir diesen Normen gerecht werden: Mit Zucker und Fett, mit Alkohol und Drogen, Autos, Schuhen, vielleicht mit einem Boot oder einem Haus… Sehr verständlich: Es ist eine äußerst beachtliche Leistung, all diese Anforderungen täglich zu erfüllen! Mit der Anpassung und dem gleichzeitigen Ignorieren seines Selbst wachsen die Angst und die Unsicherheit. Also kaufen wir uns ein Haus, als Schutz. Legen Aktien an, zur Sicherheit. Nehmen Medikamente, zur Vorbeugung. Wir bauen uns eine unreale Welt aus Sicherheiten. Und wenn uns diese Konsolidierungen genommen werden, aus welchen Gründen auch immer, dann stehen wir alleine da, völlig verletzlich, ohne Schutz, ohne Sicherheit. Wir haben das Gefühl, auszubrennen. Uns wurde der Antrieb genommen. Dabei war er im Sinne eines eigenen Antriebs vielleicht nie vorhanden.
Von Kindern lernen: Beobachten, hinterfragen, spontan und neugierig sein. (Privatfoto der Autorin) |
Für ein Kind bedeutet die Liebe seiner Eltern und Mitmenschen Schutz und Sicherheit. Es klebt nicht von sich aus an solchen materiellen Dingen. Es nimmt sich, was vorhanden ist und macht das für sich Beste daraus. Es ist dabei kreativ. Es ist spontan, neugierig. Es hinterfragt und beobachtet. Das alles sind Eigenschaften, die wir als Erwachsene leider oft vergessen haben. Es sind aber Dinge die wir von Kindern lernen können. Das Kind zeigt uns oft unseren eigenen Wunsch nach Liebe, nach Ausgelassenheit und Rückzug auf. Und diesen Wunsch dürfen auch wir uns erfüllen!
Vom Müssen zum Dürfen
Ich denke, dass wir selbst mit dem Hintergrundwissen eines erwachsenen Geistes nie auslernen werden. Da es in uns immer dieses Kind geben wird, können wir unser Mitgefühl und die Liebe am Leben erhalten. Für uns selbst, für unsere Kinder und alle unsere Mitmenschen. Wir müssen nicht alles wissen oder können. Wir dürfen alles hinterfragen. Wir dürfen nach kreativen Lösungen suchen. Wir dürfen uns entspannen. Wir dürfen ausgelassen sein. Wir dürfen sauer sein. Wir dürfen auch mal eine Hose mit Loch tragen. Wir dürfen uns unsere Grenzen eingestehen. Wir dürfen Verantwortung für uns selbst übernehmen. Nutzen wir unseren erwachsenen Verstand und unsere eigenen Erfahrungen, um dazu zu lernen, toleranter und offener zu sein, individuell und trotzdem respektvoll zu bleiben. Auch wir brauchen noch Zeit, um uns zu entwickeln.
Genau so wie wir uns selbst, können wir auch unsere Kinder nicht vor den auch mal negativen Erfahrungen schützen. Geben wir ihnen die Zeit, sich selbst kennen zu lernen, die Welt zu entdecken oder sich auch mal zurück zu ziehen. Zeit ihre eigenen Erfahrungen zu sammeln und daraus eigene Schlüsse zu ziehen. Kinder verstehen so ihre eigenen Grenzen, wachsen darüber hinaus und werden lernen, auf sich selbst zu vertrauen. Vielleicht liegt darin auch eine Chance für uns, öfter mal dem Vogelgezwitscher am Morgen zu lauschen, aus dem Fenster zu träumen und einfach mal nur zu sein.
Mehr Kind sein und mal alle fünf gerade sein lassen tut gut :)
AntwortenLöschenIn der Persönlichkeitsforschung der Big Five hat man festgestellt, dass die Offenheit für neue Erfahrungen bei Kindern erheblich höher ist als bei Erwachsenen und bis zum Alter von ca. 40 Jahren kontinuierlich abnimmt.
Ebenfalls sind Kinder weniger Gewissenhaft. Die Gewissenhaftigkeit nimmt mit dem Alter zu, weswegen es vielen Erwachsenen schwer fällt, einfach mal loszulassen:
http://www.typentest.de/blog/2012/01/wie-sich-die-personlichkeit-im-lauf-des-lebens-verandert/
Ein aktueller, spannender Artikel zum Thema Neues entdecken und Normen hinterfragen:
Ein Vater erlaubt seinem Sohn, Röcke und Kleider zu tragen und macht was Röcke angeht gleich selbst mit
http://www.emma.de/ressorts/artikel/kinder-jugendliche/vater-im-rock/
Finde die Informationen der Big Five sehr interessant! Auch der Artikel über die Vater- Sohn- Beziehung ist klasse!! Das ermutigt einen doch wieder mehr mit den Kindern zu lernen :-) Ich musste sehr schmunzeln...
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