28. September 2011

Antike Urformen psychiatrischer Anstalten

Wenn ich an Psychiatrie denke, dann sind das Horrorbilder, die sich aus Büchern wie Alfred Döblins Berlin Alexanderplatz oder Filmen wie Martin Scorseses Shutter Island speisen. Wo aber liegen die Ursprünge? Theodore Millon* verweist auf drei vorwissenschaftliche Paradigmen als Wurzeln des Verständnisses vom Gehirn und seinen Krankheiten: Das Animistische, das Mythologische und das Dämonologische. Sie alle verbindet die Idee, dass mentale Prozesse von magischen äußerlichen Kräften verursacht werden. Wenn Krankheiten über dämonische Einflüsse erklärt wurden, dann bedeutete das selten etwas gutes für den Patienten. Schock, Hunger, Kerker und Fesseln, aber auch das Öffnen des Kopfes waren Praktiken, die man wohl kaum Therapie nennen würde.

Mein alter Kindergarten in Berlin Buch: Das feste Haus für irre Verbrecher
Glücklicher dran waren jene Patienten, deren Störungen auf mystische Einflüsse zurückgeführt wurden. Beispielsweise glaubten die Griechen, dass Epileptiker von heiligen Geistern besessen und somit von den Göttern geehrt waren. Auch das ist zwar dämonisch gedacht, aber eben positiv gewendet. Ägypter und Griechen errichteten Tempel für diese Erkrankten, wo sie sich bei Gesängen und Gebeten erholen konnten. Ihnen wurde gute Behandlung unter Gabe von Kräutern und Ratschlag zuteil. Die griechischen Asklepios Tempel waren beispielsweise im 6 Jh. vor Christus weit entfernt von allem Trubel eine Art Erholungs- und Kurzentrum. Die Kranken wurden durch Zuhören und Gespräche beruhigt, sie wurden gut genährt, gebadet und massiert. Auch wurden beruhigende Drogen und Musik eingesetzt, um die mentalen Leiden zu lindern. Entspannungstechniken ersetzten vorübergehend die oft brutal körperlichen Misshandlungen. Bis sich mit dem Monotheismus und besonders im Mittelalter mit Angst vor Hexerei und bösen Dämonen eine Rückkehr zu den brutalen Austreibungen vollzog. Im günstigsten Fall dienten die Institute für die Verrückten lediglich zum Wegsperren der vermeintlich gefährlich besessenen. Gut, dass wir im Laufe des letzten Jahrhunderts wieder dort angekommen sind, wo wir die antiken Griechen vor 2600 Jahren zurückgelassen haben.


*Masters of the Mind: Exploring the Story of Mental Illness from Ancient Times to the New Millennium

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