Wissen Sie, was ich an der Welt der Klischees so liebe? Alles so schön einfach hier!
In dieser Welt wäre ich introvertiert, so wie es sich für meinen Berufsstand gehört. Würde an meinem Schreibtisch vor mich hin reflektieren oder beim Spazierengehen Storylines entwickeln. Sollte ich mich irgendwann doch auf eine Party wagen, würde ich mit meinem Gesprächspartner (einer pro Abend und nur jemand, mit dem ich schon mal gesprochen habe) tiefgründig und durchdacht austauschen, bevor ich mich nach 90 Minuten – erschöpft von der Reizüberflutung und dem unstrukturierten Gelaber der Extravertierten – zurückziehe und mich an der Gesellschaft meines Notizblocks erfreue.
Buddha - sich von Dämonen und üblen Ablenkungen abschirmend (gefunden auf www.psp-tao.de) |
Stattdessen bin ich klassisch extravertiert. Habe eine unerhörte Anzahl an Facebook-Kontakten mit mir nur flüchtig bekannten Menschen, ein hohes Mitteilungsbedürfnis (Achtung vor dem zweiten Glas Wein!) und neige zu spektakulären Gedankensprüngen. Dass ich auch Schriftstellerin bin, führe ich auf eine grausame Laune der Natur zurück.
Und so steht mein interner Sender gnadenlos auf "Empfang" – nicht nur für kreative Inspiration, sondern auch für potenzielle Ablenkungen. Hier ein Auszug meiner Liste an Sinnesreizen, die mir ein konzentriertes Schreiben unmöglich machen: TV, Radio, Musik im allgemeinen, neben mir geführte Gespräche oder ausgeführte Bewegungen, mein Facebook-Konto, mein E-Mailkonto, ein eingeschalteter Computer, ein funktionierender Router, unbekannte Geräusche, ein Telefonat, die Erwartung eines Telefonats, der Anblick eines ungelesenen Buches oder Magazines, eine Fliege im Zimmer... haben Sie schon einen kleinen Eindruck?
Jaja, höre ich Sie jetzt sagen, Aufschieberitis – das kennt man ja von Diplomarbeiten, Mitarbeitergesprächen, Entscheidungen, etc. Recht haben Sie! Doch etwas vor mir herzuschieben, das ich aus vollem Herzen liebe, seit ich 12 bin? Das hat für mich nichts mehr mit dem Aufschieben einer unangenehmen Tätigkeit zu tun, sondern (unter anderem) mit den natürlichen Mechanismen einer nach außen gerichteten Persönlichkeit.
Strategien für chronisch Ablenkbare
Was, Sie sind auch so leicht ablenkbar? Dann habe ich gute Nachrichten – Ablenkbarkeit ist zwar schwer heilbar, doch recht einfach auszutricksen. Hier ein paar Strategien, die sich für mich bewährt haben. Natürlich lassen die sich nicht nur fürs Schreiben, sondern auch für jedes andere (kreative) Projekt anwenden:
Morning Glory. Zwischen 9.00 und 12.00 Uhr morgens arbeite ich am besten. Soweit möglich, reserviere ich deshalb die ersten drei Stunden meines Tages fürs Schreiben. Auch im Kalender. Der Rest bleibt für Arbeiten, die weniger Konzentration erfordern, wie Organisatorisches, Hausarbeit oder extravertierte Psychohygiene (e-mail, facebook). Probieren Sie's mal, angepasst an Ihren eigenen Biorhythmus
Listen. Es gibt nichts befriedigenderes, als to-do Listen abzuhaken. Doch die Versuchung, die kleinen, schnell erledigten Dinge vorzuziehen und dadurch das Schreiben zu vernachlässigen, ist groß. Deshalb sollte an der Spitze Ihrer to-do Listen stets das derzeitige (Schreib)projekt stehen. Auch wenn nur eine halbe Stunde Zeit ist.
Sensorischer Minimalismus. Egal, was es für Sie braucht, um Ruhe zu finden – tun Sie's! Computer aus. Wireless Router aus. Ohrstöpsel rein. Notizbuch und Stift raus. Los.
Klingt alles einfacher als es ist, zugegeben. Wirkt aber Wunder – versprochen! Und spätestens dann, wenn Sie das Produkt Ihrer Arbeit mal in Händen halten, werden Sie sich auch wieder über Ihre Extraversion freuen. Dann können Sie nämlich endlich Ihrem ganzen Netzwerk von Ihrem fertigen Buch/Projekt/Film/etc. erzählen. Ja, allen 1836 ....
Eva-Maria Oberauer ist Schriftstellerin, Texterin und ausgebildeter Coach. Ihr erster Roman "Wie du mir" erscheint 2011. Außerdem pflegt sie ihre Extraversion auf ihrer Fanpage und ihrem englischsprachigen Blog inallthewriteplaces.com, ihre Introversion mit Lesen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen